Was ist Urkundenfälschung nach dem Strafgesetzbuch?
Der Brief von der Staatsanwaltschaft liegt vor Ihnen. "Ermittlungsverfahren wegen Urkundenfälschung" steht dort. Ihr Herz schlägt schneller, Gedanken rasen durch den Kopf. Was genau wirft man Ihnen vor? Welche Konsequenzen drohen? Die Ungewissheit ist oft schlimmer als die tatsächliche rechtliche Situation – denn nicht jede vermeintliche "Fälschung" erfüllt tatsächlich den Straftatbestand des § 267 StGB.
Urkundenfälschung gehört zu den sogenannten Urkundsdelikten und schützt das Vertrauen des Rechtsverkehrs in die Echtheit und Unverfälschtheit von Urkunden. Der Gesetzgeber unterscheidet dabei drei verschiedene Tathandlungen, die jeweils unterschiedliche Voraussetzungen haben und auch unterschiedlich zu verteidigen sind.
Die drei Tathandlungen der Urkundenfälschung
Das Strafgesetzbuch kennt drei verschiedene Begehungsformen der Urkundenfälschung. Die erste Variante ist das Herstellen einer unechten Urkunde. Hierbei wird ein Dokument erstellt, das den Anschein erweckt, von einer anderen Person zu stammen als dem tatsächlichen Aussteller. Entscheidend ist die sogenannte Identitätstäuschung – der Empfänger soll über die Person des Ausstellers getäuscht werden.
Die zweite Tathandlung betrifft das Verfälschen einer echten Urkunde. Dabei wird eine bereits existierende, echte Urkunde nachträglich verändert, sodass sie einen anderen Inhalt bekommt. Typisch sind etwa das Ausbessern von Zahlen, das Hinzufügen oder Entfernen von Textpassagen oder das Austauschen von Lichtbildern in Dokumenten.
Die dritte Variante ist das Gebrauchen einer gefälschten Urkunde. Selbst wenn Sie die Fälschung nicht selbst hergestellt haben, machen Sie sich strafbar, wenn Sie eine gefälschte Urkunde im Rechtsverkehr vorlegen – etwa bei einer Behörde, einem Arbeitgeber oder einem Vertragspartner.
Was gilt rechtlich als Urkunde?
Der Begriff der Urkunde ist im Strafrecht weiter gefasst, als viele Menschen annehmen. Eine Urkunde ist jede verkörperte Gedankenerklärung, die zum Beweis im Rechtsverkehr geeignet und bestimmt ist und ihren Aussteller erkennen lässt. Das klingt abstrakt, umfasst aber eine Vielzahl von Dokumenten des täglichen Lebens.
Klassische Beispiele sind Personalausweise, Führerscheine, Zeugnisse, Verträge, Quittungen, Rechnungen und ärztliche Atteste. Aber auch Kontoauszüge, Arbeitsverträge, Mietverträge und sogar handschriftliche Notizen können unter bestimmten Umständen Urkundenqualität haben. Entscheidend ist stets die Beweisfunktion im Rechtsverkehr.
Praxis-Tipp: Urkundenqualität prüfen lassen
Nicht jedes Dokument ist automatisch eine Urkunde im strafrechtlichen Sinne. Fotokopien ohne Beglaubigung, reine Informationsschreiben oder private Notizen erfüllen oft nicht die Voraussetzungen. Lassen Sie durch eine rechtliche Prüfung klären, ob das Ihnen vorgeworfene Dokument überhaupt Urkundenqualität besitzt – dies kann ein entscheidender Verteidigungsansatz sein.
Anzeige erhalten - diese ersten Schritte sind entscheidend
Die Nachricht über ein laufendes Ermittlungsverfahren erreicht die meisten Menschen völlig unvorbereitet. Ob durch eine polizeiliche Vorladung, eine Durchsuchung oder ein Schreiben der Staatsanwaltschaft – der erste Impuls ist oft, die Sache schnell aufzuklären und sich zu rechtfertigen. Genau dieser Impuls führt jedoch häufig zu folgenschweren Fehlern, die den weiteren Verfahrensverlauf erheblich belasten können.
Die ersten Stunden und Tage nach Kenntniserlangung von einem Ermittlungsverfahren sind entscheidend für den gesamten weiteren Verlauf. Jede unüberlegte Aussage, jedes vorschnelle Handeln kann später nicht mehr rückgängig gemacht werden. Die Ermittlungsbehörden protokollieren alles – und nutzen es, wenn es der Anklage dient.
Das Schweigerecht konsequent nutzen
Als Beschuldigter haben Sie das verfassungsrechtlich garantierte Recht zu schweigen. Dieses Recht ist nicht nur eine Formalität, sondern Ihr wichtigstes Verteidigungsinstrument. Niemand ist verpflichtet, sich selbst zu belasten – dieser Grundsatz gilt ausnahmslos und darf Ihnen auch nicht negativ ausgelegt werden.
Viele Beschuldigte glauben, dass Schweigen verdächtig wirkt oder die Situation verschlimmert. Das Gegenteil ist der Fall: Erfahrene Ermittler rechnen damit, dass unbescholtene Bürger sich verteidigen und erklären wollen. Sie nutzen diese Bereitschaft, um durch geschickte Fragestellung Informationen zu erlangen, die später gegen den Beschuldigten verwendet werden.
Ihr Schweigen hingegen kann Ihnen niemals schaden. Gerichte dürfen aus der Ausübung des Schweigerechts keine negativen Schlüsse ziehen. Eine spätere Einlassung nach vollständiger Aktenkenntnis ist dagegen weitaus wirksamer, weil sie gezielt auf die vorhandenen Beweise eingehen kann.
Relevante Unterlagen sichern und ordnen
Während Sie gegenüber den Ermittlungsbehörden schweigen sollten, ist aktives Handeln bei der Sicherung von Beweismitteln durchaus geboten. Sammeln Sie alle Dokumente, die mit dem Vorwurf zusammenhängen könnten – Korrespondenz, Verträge, E-Mails, Quittungen oder Zeugenangaben. Diese Unterlagen können später für Ihre Verteidigung entscheidend sein.
Erstellen Sie eine chronologische Aufstellung der Ereignisse, solange Ihre Erinnerung noch frisch ist. Notieren Sie Datum, Uhrzeit, beteiligte Personen und Umstände. Diese Aufzeichnungen dienen ausschließlich Ihrer späteren Verteidigung und unterliegen dem Schutz der Vertraulichkeit zwischen Ihnen und Ihrem Rechtsbeistand.
Checkliste: Erste Maßnahmen nach Kenntniserlangung
- Keine Aussagen gegenüber Polizei oder Staatsanwaltschaft machen
- Vorladungen nicht eigenständig wahrnehmen
- Alle relevanten Dokumente und Korrespondenz sichern
- Chronologische Aufstellung der Ereignisse erstellen
- Kontaktdaten möglicher Entlastungszeugen notieren
- Fristen in Schreiben der Behörden genau notieren
- Keine Gespräche über den Fall mit Dritten führen
Vorladung von Polizei oder Staatsanwaltschaft richtig handhaben
Ein amtlich aussehendes Schreiben mit dem Aufdruck "Vorladung" löst bei den meisten Menschen Unbehagen aus. Der Ton ist formell, oft steht sogar eine Rechtsbelehrung dabei. Viele Beschuldigte glauben, sie müssten dieser Vorladung unbedingt Folge leisten – und begeben sich damit in eine Situation, die ihre Verteidigungsposition erheblich verschlechtern kann.
Die rechtliche Realität sieht anders aus: Eine polizeiliche Vorladung zur Beschuldigtenvernehmung ist grundsätzlich nicht verpflichtend. Sie können die Vorladung ignorieren, ohne dass Ihnen daraus rechtliche Nachteile entstehen. Anders verhält es sich nur bei einer Vorladung durch die Staatsanwaltschaft oder das Gericht – hier besteht tatsächlich eine Erscheinungspflicht, jedoch niemals eine Aussagepflicht.
Die polizeiliche Vorladung – Erscheinen nicht erforderlich
Die Polizei hat kein Zwangsmittel, um Ihr Erscheinen durchzusetzen. Sie können die Vorladung schriftlich ablehnen oder schlicht nicht hingehen. Manche Beschuldigte befürchten, dass die Polizei sie dann abholt oder die Nichtbefolgung als Schuldeingeständnis wertet. Beides ist rechtlich nicht haltbar.
Der Grund für diese klare Empfehlung liegt in der Vernehmungssituation selbst. Bei der Polizei treffen Sie auf geschulte Vernehmungsbeamte, deren Aufgabe die Aufklärung von Straftaten ist – nicht die Entlastung von Beschuldigten. Die Atmosphäre, die Fragestellung und der psychologische Druck sind darauf ausgerichtet, verwertbare Aussagen zu erlangen.
Selbst wenn Sie überzeugt sind, nichts Falsches getan zu haben, können ungeschickte Formulierungen, Erinnerungslücken oder Missverständnisse zu problematischen Protokolleinträgen führen. Das Protokoll wird später zur Grundlage der Anklage – und Sie haben keine Kontrolle darüber, wie Ihre Aussagen dort wiedergegeben werden.
Vorladung durch die Staatsanwaltschaft – Erscheinen ja, Aussage nein
Bei einer Vorladung durch die Staatsanwaltschaft müssen Sie tatsächlich erscheinen. Die Staatsanwaltschaft kann Ihr Erscheinen notfalls durch polizeiliche Vorführung erzwingen. Diese Erscheinungspflicht bedeutet jedoch keinesfalls, dass Sie auch aussagen müssen.
Erscheinen Sie pünktlich, weisen Sie sich aus und erklären Sie dann ruhig und bestimmt, dass Sie von Ihrem Schweigerecht Gebrauch machen. Sie müssen lediglich Angaben zur Person machen – Name, Geburtsdatum, Anschrift, Beruf und Staatsangehörigkeit. Zur Sache selbst schweigen Sie vollständig.
Beispiel: Folgen einer vorschnellen Aussage
Ein Beschuldigter erhielt eine Vorladung wegen des Verdachts der Urkundenfälschung bei einer Krankmeldung. Überzeugt von seiner Unschuld erschien er ohne Rechtsbeistand und erklärte ausführlich die Umstände. Dabei erwähnte er beiläufig, dass er die Krankmeldung telefonisch angefordert hatte, ohne persönlich beim Arzt gewesen zu sein. Diese Information – die er für harmlos hielt – wurde zum zentralen Belastungsmoment und führte zur Anklage. Mit anwaltlicher Beratung hätte er gewusst, dass gerade diese Details problematisch sein können.
Wann ist ein Strafverteidiger zwingend erforderlich?
Die Frage nach dem richtigen Zeitpunkt für rechtliche Unterstützung stellt sich vielen Beschuldigten. Einerseits erscheint die Situation vielleicht noch überschaubar, andererseits wächst die Sorge vor den möglichen Konsequenzen. Die klare Antwort lautet: Je früher professionelle Verteidigung einsetzt, desto besser sind die Aussichten auf ein günstiges Verfahrensergebnis.
Es gibt jedoch bestimmte Verfahrensstadien, in denen rechtliche Vertretung nicht nur ratsam, sondern praktisch unverzichtbar ist. An diesen kritischen Punkten entscheiden sich oft der weitere Verlauf und das Ergebnis des gesamten Verfahrens.
Die Akteneinsicht als Fundament der Verteidigung
Ohne Kenntnis der Ermittlungsakte verteidigen Sie sich im Blindflug. Die Akte enthält alle Beweise, Zeugenaussagen, Gutachten und internen Vermerke der Ermittlungsbehörden. Nur wer diese Informationen kennt, kann eine wirksame Verteidigungsstrategie entwickeln.
Als Beschuldigter haben Sie zwar ein eigenes Akteneinsichtsrecht, dessen praktische Durchsetzung ist jedoch kompliziert. Die Behörden können die Einsicht verweigern oder verzögern, wenn sie eine "Gefährdung des Untersuchungszwecks" befürchten. Ein Verteidiger hingegen hat ein nahezu uneingeschränktes Akteneinsichtsrecht, das die Behörden respektieren müssen.
Die Akteneinsicht offenbart häufig Überraschendes: dünne Beweislagen, widersprüchliche Zeugenaussagen, Verfahrensfehler oder Ermittlungsansätze, die ins Leere laufen. All diese Erkenntnisse sind Gold wert für die Verteidigungsstrategie – und ohne sie agieren Sie völlig im Dunkeln.
Kritische Verfahrenspunkte ohne Alternative
Spätestens bei bestimmten Verfahrensereignissen ist professionelle Verteidigung unverzichtbar. Der Erlass eines Strafbefehls setzt eine Zwei-Wochen-Frist für den Einspruch in Gang – versäumen Sie diese, wird der Strafbefehl rechtskräftig wie ein Urteil. Bei Anklageerhebung beginnt die Vorbereitung der Hauptverhandlung, deren Ausgang ohne sachkundige Verteidigung kaum beeinflusst werden kann.
Auch bei drohender Untersuchungshaft, Durchsuchungen oder der Beschlagnahme von Gegenständen ist sofortiges Handeln erforderlich. Diese Maßnahmen können oft noch angefochten werden – aber nur innerhalb enger Fristen und mit den richtigen rechtlichen Argumenten.
Mögliche Strafen und rechtliche Konsequenzen
Die Strafandrohung für Urkundenfälschung ist ernst zu nehmen. Das Gesetz sieht Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe vor. Der konkrete Strafrahmen hängt von zahlreichen Faktoren ab – der Schwere der Tat, den Tatumständen, der Motivation und nicht zuletzt der persönlichen Situation des Beschuldigten.
Neben der strafrechtlichen Sanktion können weitere Konsequenzen drohen, die das Leben des Betroffenen nachhaltig beeinflussen. Zivilrechtliche Schadensersatzansprüche, berufsrechtliche Maßnahmen oder der Verlust von Führerschein und anderen Erlaubnissen sind mögliche Folgen, die oft schwerer wiegen als die eigentliche Strafe.
Der gesetzliche Strafrahmen und seine Anwendung
Die Grundform der Urkundenfälschung nach § 267 Absatz 1 StGB wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. In besonders schweren Fällen erhöht sich der Strafrahmen auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren. Solche besonders schweren Fälle liegen vor, wenn der Täter gewerbsmäßig handelt, als Mitglied einer Bande agiert oder einen besonders großen Schaden verursacht.
In der Praxis orientieren sich die Gerichte an etablierten Strafzumessungsmaßstäben. Bei Ersttätern und geringer Schadenshöhe wird häufig eine Geldstrafe verhängt. Die Anzahl der Tagessätze richtet sich nach der Schuldschwere, die Tagessatzhöhe nach den wirtschaftlichen Verhältnissen des Verurteilten.
Bei schwerwiegenderen Fällen oder Wiederholungstätern drohen Freiheitsstrafen, die jedoch bei günstiger Sozialprognose zur Bewährung ausgesetzt werden können. Eine Bewährungsstrafe bedeutet, dass die Freiheitsstrafe nicht vollstreckt wird, solange sich der Verurteilte während der Bewährungszeit straffrei führt und etwaige Auflagen erfüllt.
Berufliche und zivilrechtliche Konsequenzen
Die strafrechtliche Verurteilung ist oft nur die Spitze des Eisbergs. Für viele Betroffene wiegen die beruflichen Konsequenzen schwerer als die eigentliche Strafe. Eine Verurteilung wegen Urkundenfälschung wird ins Führungszeugnis eingetragen und kann dort je nach Strafhöhe jahrelang sichtbar bleiben.
Für Beamte, Soldaten und Angehörige bestimmter Berufsgruppen kann bereits eine geringfügige Verurteilung disziplinarrechtliche Maßnahmen bis hin zur Entlassung nach sich ziehen. Auch Arbeitnehmer im privaten Sektor riskieren eine verhaltensbedingte Kündigung, wenn die Tat einen Bezug zum Arbeitsverhältnis aufweist oder das Vertrauensverhältnis zerstört.
Zivilrechtlich können Geschädigte Schadensersatz und Schmerzensgeld fordern. Wurde etwa ein gefälschtes Arbeitszeugnis verwendet, kann der getäuschte Arbeitgeber sämtliche gezahlten Gehälter zurückverlangen. Diese zivilrechtlichen Ansprüche verjähren erst nach drei Jahren und können die strafrechtlichen Folgen finanziell weit übersteigen.
Praxis-Tipp: Führungszeugnis und Tilgungsfristen beachten
Nicht jede Verurteilung erscheint automatisch im Führungszeugnis. Geldstrafen bis zu 90 Tagessätzen bei Ersttätern werden oft nicht eingetragen. Bei der Strafverteidigung sollte daher immer auch die Frage der Eintragung berücksichtigt werden – manchmal ist eine etwas höhere Geldstrafe günstiger als eine niedrigere Freiheitsstrafe auf Bewährung, die länger im Führungszeugnis verbleibt.
Verteidigungsstrategien und Verfahrenseinstellung
Das Ermittlungsverfahren muss nicht zwangsläufig in einer Verurteilung enden. Die Strafprozessordnung bietet verschiedene Möglichkeiten, ein Verfahren ohne Hauptverhandlung und ohne Schuldspruch zu beenden. Die Kunst der Strafverteidigung besteht darin, diese Möglichkeiten zu erkennen und gezielt anzusteuern.
Eine erfolgreiche Verteidigungsstrategie beginnt mit der sorgfältigen Analyse der Ermittlungsakte. Erst wenn Beweislage, Zeugenaussagen und rechtliche Würdigung der Staatsanwaltschaft bekannt sind, können realistische Verteidigungsziele definiert und die passende Strategie entwickelt werden.
Einstellung mangels hinreichenden Tatverdachts
Kann dem Beschuldigten die Tat nicht mit der für eine Anklage erforderlichen Wahrscheinlichkeit nachgewiesen werden, muss die Staatsanwaltschaft das Verfahren nach § 170 Absatz 2 StPO einstellen. Diese Einstellung ist das bestmögliche Ergebnis – sie bedeutet, dass der Beschuldigte als unschuldig gilt und keinerlei Eintragungen erfolgen.
Die Verteidigungsstrategie zielt hier darauf ab, die Beweislage der Staatsanwaltschaft zu erschüttern. Das kann durch Aufzeigen von Widersprüchen in Zeugenaussagen geschehen, durch Vorlage entlastender Beweise oder durch rechtliche Argumentation, dass bestimmte Beweismittel nicht verwertbar sind.
Besonders bei Urkundenfälschung gibt es oft Ansatzpunkte: War das Dokument überhaupt eine Urkunde im Rechtssinn? Lag tatsächlich eine Täuschung über die Identität des Ausstellers vor? Kann dem Beschuldigten der Vorsatz nachgewiesen werden? Jede dieser Fragen kann zum Einfallstor für eine Einstellung werden.
Einstellung gegen Auflagen nach § 153a StPO
Selbst wenn die Beweislage eine Verurteilung wahrscheinlich erscheinen lässt, muss es nicht zum Prozess kommen. Bei geringer Schuld und fehlendem öffentlichen Interesse an der Strafverfolgung kann das Verfahren gegen Auflagen eingestellt werden. Typische Auflagen sind die Zahlung eines Geldbetrags an die Staatskasse oder eine gemeinnützige Einrichtung.
Diese Einstellung nach § 153a StPO hat entscheidende Vorteile: Es erfolgt keine Eintragung ins Führungszeugnis, der Beschuldigte gilt weiterhin als nicht vorbestraft, und die belastende Unsicherheit eines Gerichtsverfahrens entfällt. Die zu zahlende Geldauflage liegt dabei oft unter einer zu erwartenden Geldstrafe.
Die Staatsanwaltschaft und das Gericht entscheiden nach Ermessen über eine solche Einstellung. Ein überzeugender Antrag, der die geringe Schuldschwere, die persönlichen Verhältnisse des Beschuldigten und sein Nachtatverhalten hervorhebt, kann die Entscheidung maßgeblich beeinflussen.
Beispiel: Erfolgreiche Verfahrenseinstellung
Eine Beschuldigte hatte in einer Bewerbung ein Zeugnis eingereicht, bei dem sie eine Note ausgebessert hatte. Die Ermittlungen liefen, die Beweislage war eindeutig. In der Verteidigung wurde herausgearbeitet, dass sie Ersttäterin war, die Tat aus einer persönlichen Notlage heraus beging und der potenzielle Arbeitgeber keinen Schaden erlitten hatte, da sie die Stelle letztlich nicht angetreten hatte. Das Verfahren wurde gegen Zahlung einer Geldauflage eingestellt – ohne Eintragung ins Führungszeugnis.
Strafbefehl, Anklage und das Gerichtsverfahren
Kommt es zu keiner Einstellung, stehen zwei Wege offen: der Strafbefehl für einfachere Fälle oder die förmliche Anklage mit anschließender Hauptverhandlung. Beide Verfahrensarten haben ihre eigenen Regeln und erfordern unterschiedliche Verteidigungsstrategien.
Der Strafbefehl ist dabei keineswegs der "harmlose" Ausgang, als der er manchmal erscheint. Er hat dieselben Wirkungen wie ein Urteil und führt bei entsprechender Strafhöhe zur Eintragung ins Führungszeugnis. Seine scheinbare Geringfügigkeit verleitet viele Betroffene dazu, die Zwei-Wochen-Frist verstreichen zu lassen – ein schwerwiegender Fehler.
Der Strafbefehl und der Einspruch
Der Strafbefehl ist ein schriftliches Urteil ohne vorherige Verhandlung. Er wird vom Gericht auf Antrag der Staatsanwaltschaft erlassen und dem Beschuldigten zugestellt. Mit Zustellung beginnt die entscheidende Zwei-Wochen-Frist für den Einspruch.
Ein Einspruch muss keine Begründung enthalten – die bloße Erklärung, dass Einspruch eingelegt wird, genügt. Der Einspruch führt dazu, dass eine Hauptverhandlung anberaumt wird, in der der Fall vollständig neu verhandelt wird. Das Gericht ist dabei an den Strafbefehl nicht gebunden – es kann freisprechen, milder strafen, aber theoretisch auch härter urteilen.
Die Entscheidung für oder gegen einen Einspruch will daher wohlüberlegt sein. Sind die Erfolgsaussichten gering und droht bei einer Verhandlung eine härtere Strafe, kann die Hinnahme des Strafbefehls die bessere Option sein. Bestehen hingegen realistische Chancen auf Freispruch oder Strafmilderung, ist der Einspruch der richtige Weg.
Die Hauptverhandlung und ihre Phasen
Wurde Anklage erhoben oder Einspruch gegen einen Strafbefehl eingelegt, kommt es zur Hauptverhandlung vor dem Strafrichter oder Schöffengericht. Der Ablauf folgt einem festen Ritual, dessen Kenntnis für die Verteidigung unerlässlich ist.
Nach Aufruf der Sache und Feststellung der Personalien wird die Anklage verlesen. Dann erhält der Angeklagte Gelegenheit zur Einlassung – er kann aussagen, schweigen oder eine vorbereitete Erklärung abgeben. Anschließend folgt die Beweisaufnahme mit Vernehmung von Zeugen, Verlesung von Urkunden und gegebenenfalls Anhörung von Sachverständigen.
Nach Abschluss der Beweisaufnahme folgen die Plädoyers: erst die Staatsanwaltschaft, dann die Verteidigung. Der Angeklagte hat das letzte Wort, bevor sich das Gericht zur Beratung zurückzieht. Das Urteil wird anschließend verkündet und mündlich begründet.
Checkliste: Vorbereitung auf die Hauptverhandlung
- Ermittlungsakte vollständig studiert und verstanden
- Verteidigungsstrategie mit Rechtsbeistand abgestimmt
- Entlastende Beweismittel zusammengestellt und beantragt
- Mögliche Zeugenaussagen antizipiert und Gegenargumente vorbereitet
- Einlassung vorbereitet oder bewusst Schweigen geplant
- Plädoyer-Strategie festgelegt
- Berufungsmöglichkeit bei ungünstigem Ausgang bereits bedacht
Typische Fälle von Urkundenfälschung in der Praxis
Die Bandbreite der Urkundenfälschung ist enorm. Von der ausgebesserten Schulnote bis zur systematischen Fälschung von Geschäftsdokumenten reicht das Spektrum. Manche Fälle entstehen aus Unüberlegtheit oder Verzweiflung, andere aus krimineller Energie. Die Verteidigung muss jeweils die konkreten Umstände berücksichtigen.
Die folgenden Fallgruppen begegnen in der Praxis besonders häufig. Jede hat ihre eigenen rechtlichen Besonderheiten und erfordert eine spezifische Verteidigungsstrategie.
Fälschungen im Arbeits- und Bewerbungskontext
Gefälschte oder verfälschte Arbeitszeugnisse, Ausbildungsnachweise und Qualifikationsbescheinigungen gehören zu den häufigsten Fällen. Der Druck des Arbeitsmarktes verleitet manche Bewerber dazu, ihre Unterlagen zu "optimieren" – mit oft weitreichenden Konsequenzen.
Typische Konstellationen sind das Ausbessern von Noten in Zeugnissen, das Hinzufügen nicht vorhandener Qualifikationen oder das komplette Fälschen von Dokumenten. Auch die Verwendung echter Zeugnisse anderer Personen fällt unter den Straftatbestand. Entscheidend ist stets, dass das Dokument im Bewerbungsprozess tatsächlich vorgelegt wurde – bloßes Erstellen ohne Gebrauch genügt nicht für die dritte Tatvariante.
Die Verteidigung kann hier verschiedene Ansätze verfolgen: War das Dokument überhaupt entscheidungserheblich für die Einstellung? Liegt ein minder schwerer Fall vor, weil kein wirtschaftlicher Schaden entstanden ist? Kann eine Verfahrenseinstellung durch Wiedergutmachung erreicht werden?
Ärztliche Atteste und Krankmeldungen
Gefälschte Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen sind ein Klassiker der Urkundenfälschung. Ob selbst erstellt, von Dritten beschafft oder nachträglich verändert – die Verwendung im Arbeitsverhältnis erfüllt den Straftatbestand und rechtfertigt zusätzlich die fristlose Kündigung.
Besondere Probleme entstehen, wenn Atteste telefonisch angefordert und dann eigenmächtig ergänzt oder zeitlich verändert werden. Auch das Scannen und digitale Bearbeiten echter Bescheinigungen ist strafbar, selbst wenn nur das Datum angepasst wird.
Praxis-Tipp: Digitale Spuren bei Dokumentenfälschung
Moderne Ermittlungsmethoden können digitale Bearbeitungen oft nachweisen. Metadaten in PDF-Dateien, Druckerspuren und Schriftvergleiche liefern belastende Beweise. Wenn Sie mit einem solchen Vorwurf konfrontiert sind, sollten Sie wissen, dass Leugnen gegen offensichtliche technische Beweise die Situation verschlimmert. Ein frühes Geständnis bei gleichzeitig geschickter rechtlicher Einordnung kann dagegen strafmildernd wirken.
Führerschein und Fahrzeugdokumente
Die Fälschung von Führerscheinen, Fahrzeugpapieren oder TÜV-Plaketten wird regelmäßig bei Verkehrskontrollen entdeckt. Diese Fälle wiegen schwer, weil neben der Urkundenfälschung oft auch Fahren ohne Fahrerlaubnis oder Kennzeichenmissbrauch hinzukommen.
Ausländische Führerscheine aus dem EU-Ausland sind ein besonderes Problemfeld. Die Nutzung eines legal im Ausland erworbenen Führerscheins bei einem deutschen Wohnsitz kann zur Fälschungsproblematik führen, wenn die Umschreibungsvoraussetzungen nicht erfüllt waren. Hier überlagern sich komplexe verwaltungs- und strafrechtliche Fragen.
Bei Fahrzeugdokumenten geht es oft um gefälschte Servicenachweise, manipulierte Tachoangaben oder falsche Zulassungsbescheinigungen. Besonders bei Gebrauchtwagenverkäufen kommt es hier zu Ermittlungsverfahren, wenn Käufer die Manipulation entdecken und Anzeige erstatten.
Finanz- und Geschäftsdokumente
Im geschäftlichen Bereich reicht die Palette von gefälschten Kontoauszügen für Kreditanträge über manipulierte Rechnungen bis hin zu fingierten Verträgen. Diese Fälle sind oft mit Betrugsvorwürfen verbunden und werden entsprechend schwer bestraft.
Besonders kritisch sind Fälle, in denen Dokumente zur Erlangung von Krediten, Sozialleistungen oder Versicherungsleistungen gefälscht werden. Hier drohen neben der Urkundenfälschung Anklagen wegen Betrugs, Sozialleistungsbetrugs oder Versicherungsbetrugs – mit entsprechend höheren Strafrahmen.
Die gewerbsmäßige oder bandenmäßige Begehung führt zum besonders schweren Fall mit Freiheitsstrafe ab sechs Monaten. Bei organisierter Kriminalität im Bereich der Dokumentenfälschung sind mehrjährige Freiheitsstrafen ohne Bewährung die Regel.
Beispiel: Abgrenzung zur Urkundenfälschung
Ein Beschuldigter hatte bei einer Online-Bewerbung einen eingescannten Lebenslauf hochgeladen, in dem er einen nicht abgeschlossenen Studiengang als abgeschlossen darstellte. Das Ermittlungsverfahren wegen Urkundenfälschung wurde eingestellt – ein Lebenslauf ist keine Urkunde im Rechtssinn, da er keine Beweisfunktion im Rechtsverkehr hat. Der falsche Inhalt könnte allenfalls als Betrug gewertet werden, wenn dadurch ein Vermögensschaden entsteht. Diese feine rechtliche Unterscheidung zeigt, wie wichtig die genaue Prüfung des Tatvorwurfs ist.
