Rechtsanspruch auf Kindergartenplatz - Ihre gesetzlichen Grundlagen
Der Brief vom Jugendamt liegt auf dem Küchentisch: "Leider können wir Ihrem Kind zum gewünschten Zeitpunkt keinen Betreuungsplatz anbieten." Die Elternzeit endet in sechs Wochen, der Arbeitgeber erwartet Ihre Rückkehr – und nun? Diese Situation erleben tausende Eltern in Deutschland jedes Jahr. Dabei steht Ihnen und Ihrem Kind ein gesetzlich verankerter Anspruch auf einen Kindergartenplatz zu, den Sie aktiv durchsetzen können.
Der Rechtsanspruch auf frühkindliche Förderung ist in § 24 des Achten Sozialgesetzbuches (SGB VIII) eindeutig geregelt. Seit dem 1. August 2013 haben Kinder ab dem vollendeten ersten Lebensjahr einen Anspruch auf Förderung in einer Tageseinrichtung oder in Kindertagespflege. Ab dem dritten Lebensjahr bis zum Schuleintritt besteht der Anspruch auf einen Platz in einer Kindertageseinrichtung. Dieser Rechtsanspruch richtet sich gegen den örtlichen Träger der öffentlichen Jugendhilfe – in der Regel also gegen die Kommune, den Landkreis oder die kreisfreie Stadt.
Die rechtliche Konstruktion dieses Anspruchs ist dabei besonders wichtig zu verstehen: Es handelt sich um einen subjektiv-öffentlichen Rechtsanspruch, der individuell einklagbar ist. Das bedeutet, dass Sie als Eltern nicht auf die Kulanz der Behörde angewiesen sind, sondern einen durchsetzbaren Rechtsanspruch haben. Die Gemeinde kann sich grundsätzlich nicht mit dem Einwand befreien, es seien keine Plätze verfügbar. Sie ist vielmehr verpflichtet, ausreichend Betreuungsplätze zu schaffen und vorzuhalten.
Umfang und Reichweite des Betreuungsanspruchs
Der Anspruch auf einen Kindergartenplatz umfasst nicht nur irgendeinen Platz, sondern einen bedarfsgerechten Platz. Das bedeutet, dass der Betreuungsumfang sich nach dem individuellen Bedarf des Kindes und der Eltern richtet. Sind beide Elternteile berufstätig, haben Sie Anspruch auf eine Betreuung, die mit Ihren Arbeitszeiten vereinbar ist. Arbeiten Sie beispielsweise in Vollzeit, muss auch eine entsprechend umfangreiche Betreuung gewährleistet werden.
Allerdings gibt es auch Grenzen: Der Anspruch bezieht sich auf einen zumutbaren Platz. Die Entfernung zur Einrichtung muss vertretbar sein, wobei die Rechtsprechung hier unterschiedliche Maßstäbe anlegt. Fahrzeiten von 30 Minuten werden in der Regel als zumutbar angesehen, während eine Stunde Fahrzeit oft als unzumutbar gilt. Auch muss die Einrichtung grundsätzlich den pädagogischen Anforderungen entsprechen und für das Kind geeignet sein.
Praxis-Tipp: Bedarfsanmeldung dokumentieren
Melden Sie Ihren Betreuungsbedarf immer schriftlich an und geben Sie dabei den gewünschten Betreuungsumfang sowie das Startdatum konkret an. Begründen Sie Ihren Bedarf mit Ihrer beruflichen Situation und lassen Sie sich den Eingang Ihrer Anmeldung bestätigen. Diese Dokumentation ist später entscheidend für die Durchsetzung Ihrer Ansprüche.
Schritt 1: Ordnungsgemäße Antragsstellung und Fristen
Der erste und wichtigste Schritt zur Durchsetzung Ihres Anspruchs ist die korrekte und fristgerechte Antragsstellung. Viele Eltern machen bereits hier entscheidende Fehler, die ihre Position später schwächen. Eine bloße mündliche Anfrage bei einer Kindertagesstätte reicht nicht aus. Sie müssen Ihren Bedarf formal und nachweisbar beim zuständigen Träger der öffentlichen Jugendhilfe anmelden.
Beginnen Sie mit der Bedarfsanmeldung mindestens sechs Monate vor dem gewünschten Betreuungsbeginn. In Ballungsgebieten mit bekanntem Platzmangel empfiehlt sich sogar eine noch frühere Anmeldung – idealerweise direkt nach der Geburt Ihres Kindes. Die Anmeldung sollte schriftlich erfolgen und folgende Angaben enthalten: Name und Geburtsdatum des Kindes, gewünschter Betreuungsbeginn, benötigter Betreuungsumfang pro Tag und Woche sowie eine Begründung des Bedarfs.
Richten Sie Ihre Bedarfsanmeldung an das Jugendamt Ihrer Kommune. Zusätzlich sollten Sie sich parallel bei mehreren Kindertageseinrichtungen direkt anmelden, um Ihre Chancen zu erhöhen und Ihre aktiven Bemühungen zu dokumentieren. Lassen Sie sich jede Absage schriftlich bestätigen – diese Dokumente sind später von erheblicher Bedeutung, falls Sie Ihren Anspruch gerichtlich durchsetzen müssen.
Systematische Dokumentation Ihrer Bemühungen
Führen Sie von Beginn an ein lückenloses Protokoll aller Ihrer Aktivitäten bei der Suche nach einem Kindergartenplatz. Notieren Sie jedes Telefonat mit Datum, Uhrzeit, Gesprächspartner und Inhalt. Bewahren Sie sämtliche E-Mails und Briefe auf, sowohl Ihre eigenen Anfragen als auch die Antworten der Einrichtungen und Behörden. Diese Dokumentation dient mehreren Zwecken: Sie beweist, dass Sie sich aktiv um einen Platz bemüht haben, und sie dokumentiert das Versagen der zuständigen Stellen.
Besonders wichtig ist die schriftliche Anforderung eines konkreten Platzzuweisungsbescheids beim Jugendamt, sobald klar wird, dass Sie keinen Platz erhalten werden. Setzen Sie dem Jugendamt dabei eine angemessene Frist von zwei bis drei Wochen und weisen Sie ausdrücklich auf Ihren Rechtsanspruch nach § 24 SGB VIII hin. Erst wenn Sie einen ablehnenden Bescheid oder gar keine Reaktion erhalten, können Sie die nächsten rechtlichen Schritte einleiten.
Checkliste: Vollständige Antragsstellung
- Schriftliche Bedarfsanmeldung beim Jugendamt mit Eingangsbestätigung
- Angabe des konkreten Betreuungsbeginns und -umfangs
- Begründung des Bedarfs durch Berufstätigkeit beider Eltern
- Parallelanmeldung bei mindestens fünf Kindertageseinrichtungen
- Schriftliche Dokumentation aller Absagen
- Fristsetzung gegenüber dem Jugendamt zur Platzzuweisung
Schritt 2: Widerspruch gegen ablehnende Bescheide
Erhalten Sie einen ablehnenden Bescheid vom Jugendamt oder wird Ihnen kein konkreter Platz zugewiesen, ist der Widerspruch der nächste zwingende Schritt. Der Widerspruch ist ein förmlicher Rechtsbehelf, der dem Bescheid die Bestandskraft nimmt und die Behörde zur erneuten Prüfung zwingt. Ohne Widerspruch wird der ablehnende Bescheid bestandskräftig, und Sie verlieren wichtige Rechtspositionen.
Die Widerspruchsfrist beträgt einen Monat ab Bekanntgabe des Bescheids. Diese Frist ist zwingend einzuhalten – versäumen Sie sie, ist der Bescheid grundsätzlich nicht mehr angreifbar. Der Widerspruch muss schriftlich erfolgen und an die Behörde gerichtet werden, die den Bescheid erlassen hat. Sie können den Widerspruch auch zur Niederschrift bei der Behörde erklären. Wichtig: Der Widerspruch muss nicht begründet werden, um fristwahrend zu sein. Die Begründung kann nachgereicht werden.
In Ihrem Widerspruch sollten Sie klar zum Ausdruck bringen, dass Sie den Bescheid für rechtswidrig halten und die Zuweisung eines bedarfsgerechten Betreuungsplatzes fordern. Beziehen Sie sich auf § 24 SGB VIII und stellen Sie Ihren individuellen Bedarf dar. Weisen Sie auf Ihre berufliche Situation hin und erläutern Sie, weshalb Sie auf die Betreuung angewiesen sind. Fügen Sie alle Unterlagen bei, die Ihren Bedarf belegen – Arbeitsverträge, Bescheinigungen des Arbeitgebers über Arbeitszeiten und ähnliches.
Inhaltliche Gestaltung der Widerspruchsbegründung
Eine fundierte Widerspruchsbegründung erhöht Ihre Erfolgsaussichten erheblich. Stellen Sie zunächst den Sachverhalt dar: Wann haben Sie den Bedarf angemeldet, welchen Betreuungsumfang benötigen Sie, ab welchem Datum? Erläutern Sie dann, weshalb die Ablehnung rechtswidrig ist. Der Rechtsanspruch aus § 24 SGB VIII besteht unabhängig von der tatsächlichen Platzverfügbarkeit. Die Kommune kann sich nicht auf Kapazitätsengpässe berufen, sondern ist verpflichtet, ausreichend Plätze zu schaffen.
Verweisen Sie auf einschlägige Rechtsprechung, die den Rechtsanspruch konkretisiert. Das Bundesverwaltungsgericht hat in mehreren Entscheidungen klargestellt, dass der Anspruch auf einen Kindergartenplatz ein unbedingter Rechtsanspruch ist. Kapazitätsgrenzen rechtfertigen keine Ablehnung. Fordern Sie die Behörde auf, Ihnen innerhalb einer angemessenen Frist einen konkreten Betreuungsplatz zuzuweisen, der Ihrem Bedarf entspricht.
Beispiel: Erfolgreicher Widerspruch einer Mutter aus Nordrhein-Westfalen
Eine alleinerziehende Mutter meldete ihren Betreuungsbedarf für ihre einjährige Tochter fristgerecht an, erhielt jedoch einen ablehnenden Bescheid mit dem Hinweis auf fehlende Kapazitäten. Sie legte fristgerecht Widerspruch ein und begründete diesen ausführlich mit ihrem Rechtsanspruch und ihrer beruflichen Notwendigkeit. Nach Eingang des Widerspruchs und unter dem Druck des drohenden Gerichtsverfahrens wies die Gemeinde ihr innerhalb von drei Wochen einen Platz in einer neu eröffneten Tagespflegestelle zu.
Schritt 3: Schadensersatzansprüche geltend machen
Können Sie Ihren Beruf wegen fehlender Kinderbetreuung nicht ausüben, entstehen Ihnen finanzielle Schäden. Diese Schäden können Sie unter bestimmten Voraussetzungen von der Kommune ersetzt verlangen. Der Bundesgerichtshof hat in wegweisenden Entscheidungen klargestellt, dass Kommunen für Schäden haften, die Eltern durch die Nichterfüllung des Rechtsanspruchs auf einen Kindergartenplatz entstehen. Dies stärkt Ihre Position erheblich.
Die Anspruchsgrundlage für Schadensersatz ist § 839 BGB in Verbindung mit Artikel 34 Grundgesetz – die sogenannte Amtshaftung. Voraussetzung ist, dass die Kommune ihre Amtspflicht zur Bereitstellung eines Kindergartenplatzes schuldhaft verletzt hat und Ihnen dadurch ein kausaler Schaden entstanden ist. Da der Rechtsanspruch auf einen Kindergartenplatz gesetzlich verankert ist, liegt bei Nichterfüllung regelmäßig eine Pflichtverletzung vor. Die Kommune kann sich nur unter engen Voraussetzungen entlasten.
Machen Sie Ihre Schadensersatzansprüche parallel zum Widerspruchsverfahren geltend. Richten Sie ein separates Schreiben an die Kommune, in dem Sie die entstandenen Schäden beziffern und deren Ersatz fordern. Setzen Sie eine angemessene Frist zur Zahlung oder zumindest zur Stellungnahme. Weisen Sie darauf hin, dass Sie sich weitere rechtliche Schritte vorbehalten. Diese frühzeitige Geltendmachung dokumentiert Ihre Ansprüche und kann die Kommune zusätzlich unter Druck setzen.
Ersatzfähige Schadenspositionen im Überblick
Die ersatzfähigen Schäden umfassen in erster Linie den Verdienstausfall, der Ihnen durch die fehlende Betreuung entsteht. Wenn Sie Ihre Erwerbstätigkeit nicht aufnehmen oder fortsetzen können, weil Sie Ihr Kind selbst betreuen müssen, ist der entgangene Verdienst ersatzfähig. Berechnen Sie diesen anhand Ihres Arbeitsvertrags und Ihrer tatsächlichen Gehaltsabrechnungen. Auch entgangene Karrierechancen oder der Verlust eines Arbeitsplatzes können unter Umständen geltend gemacht werden.
Darüber hinaus sind auch die Kosten für eine ersatzweise organisierte private Betreuung ersatzfähig. Haben Sie eine Tagesmutter privat engagiert, eine Kinderfrau eingestellt oder Großeltern für die Betreuung bezahlt, können Sie diese Aufwendungen als Schaden geltend machen. Wichtig ist, dass Sie alle Kosten durch Rechnungen, Quittungen und Überweisungsbelege dokumentieren. Auch Fahrtkosten zu einer weiter entfernten Betreuungseinrichtung können ersatzfähig sein.
Schritt 4: Klage vor dem Verwaltungsgericht
Bleibt Ihr Widerspruch erfolglos oder reagiert die Behörde nicht innerhalb einer angemessenen Frist, ist die Klage vor dem Verwaltungsgericht der nächste konsequente Schritt. Die Verwaltungsgerichtsbarkeit ist für Streitigkeiten über den Rechtsanspruch auf einen Kindergartenplatz zuständig, da es sich um eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit handelt. Die Klage gibt Ihnen die Möglichkeit, Ihren Anspruch verbindlich feststellen und durchsetzen zu lassen.
Die Klage muss innerhalb eines Monats nach Zustellung des Widerspruchsbescheids erhoben werden. Erhalten Sie keinen Widerspruchsbescheid, können Sie nach angemessener Wartezeit eine sogenannte Untätigkeitsklage erheben. Die Klage ist schriftlich beim zuständigen Verwaltungsgericht einzureichen. In der Klageschrift müssen Sie den Streitgegenstand bezeichnen, Ihren Antrag formulieren und die Klage begründen. Die Begründung kann auch nachgereicht werden.
In Ihrer Klage können Sie verschiedene Anträge stellen. Der Hauptantrag richtet sich in der Regel auf Verpflichtung der Kommune zur Zuweisung eines bedarfsgerechten Betreuungsplatzes. Alternativ oder ergänzend können Sie Feststellung der Rechtswidrigkeit der Ablehnung beantragen. Dies ist insbesondere dann sinnvoll, wenn Sie parallel Schadensersatzansprüche verfolgen wollen, da ein festgestellter Rechtsverstoß die Grundlage für die Amtshaftung bildet.
Ablauf des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens
Nach Eingang der Klage prüft das Gericht zunächst die Zulässigkeit. Ist die Klage zulässig, wird die beklagte Kommune zur Stellungnahme aufgefordert. Es folgt ein schriftlicher Austausch der Argumente. In vielen Fällen wird das Gericht einen Termin zur mündlichen Verhandlung anberaumen, in dem beide Seiten ihre Positionen darlegen können. Das Gericht kann auch ohne mündliche Verhandlung entscheiden, wenn die Beteiligten zustimmen.
Die Dauer des Verfahrens variiert je nach Gericht und Komplexität des Falls. In dringenden Fällen kann das Verfahren durch einen Antrag auf einstweilige Anordnung beschleunigt werden. Das Gericht entscheidet durch Urteil, gegen das Rechtsmittel möglich sind. Ein obsiegendes Urteil verpflichtet die Kommune zur Zuweisung eines Platzes oder zur Zahlung von Schadensersatz. Die Kommune muss das Urteil umsetzen – kommt sie dem nicht nach, können Zwangsmittel eingesetzt werden.
Praxis-Tipp: Vergleichsverhandlungen nutzen
Viele Verfahren enden nicht durch Urteil, sondern durch Vergleich. Signalisieren Sie bereits in der Klageschrift Ihre grundsätzliche Bereitschaft zu einer einvernehmlichen Lösung. Oft ist die Kommune unter dem Druck des Verfahrens bereit, einen Platz anzubieten oder Schadensersatz zu zahlen, um eine öffentlichkeitswirksame Niederlage zu vermeiden. Ein Vergleich spart Zeit und bietet oft schnellere Ergebnisse als ein durchgefochtenes Verfahren.
Eilverfahren und einstweilige Anordnung bei dringendem Bedarf
Reguläre Gerichtsverfahren dauern oft mehrere Monate – Zeit, die Sie möglicherweise nicht haben. Wenn Ihre Elternzeit ausläuft, Ihr Arbeitsplatz gefährdet ist oder andere dringende Gründe vorliegen, bietet das Eilverfahren eine Möglichkeit, schnell zu Ihrem Recht zu kommen. Mit einem Antrag auf einstweilige Anordnung nach § 123 Verwaltungsgerichtsordnung können Sie eine vorläufige Regelung erreichen, während das Hauptsacheverfahren noch läuft.
Für den Erfolg eines Eilantrags müssen Sie zwei Dinge glaubhaft machen: erstens einen Anordnungsanspruch, also dass Ihnen der geltend gemachte Anspruch wahrscheinlich zusteht, und zweitens einen Anordnungsgrund, also dass die Sache eilbedürftig ist und Ihnen ohne einstweiligen Rechtsschutz unzumutbare Nachteile drohen. Beide Voraussetzungen sind bei einem bevorstehenden Verdienstausfall wegen fehlender Kinderbetreuung regelmäßig erfüllt.
Das Gericht entscheidet über den Eilantrag in der Regel innerhalb weniger Wochen, oft sogar innerhalb von Tagen. Eine mündliche Verhandlung findet meist nicht statt. Die Entscheidung ergeht durch Beschluss. Gibt das Gericht dem Eilantrag statt, kann es die Kommune vorläufig verpflichten, Ihnen einen Betreuungsplatz zuzuweisen. Diese Entscheidung ist sofort vollstreckbar und verschafft Ihnen schnell die benötigte Betreuung.
Konkrete Voraussetzungen für den Eilrechtsschutz
Der Anordnungsgrund – also die Eilbedürftigkeit – ist das entscheidende Kriterium im Eilverfahren. Sie müssen darlegen, weshalb Sie nicht auf das Hauptsacheverfahren warten können. Typische Gründe sind: das bevorstehende Ende der Elternzeit, eine drohende Kündigung durch den Arbeitgeber, der Ablauf einer befristeten Stelle oder andere berufliche Notwendigkeiten. Je konkreter und drängender Ihre Situation, desto besser Ihre Erfolgsaussichten.
Legen Sie Ihrem Eilantrag alle Unterlagen bei, die die Dringlichkeit belegen: Schreiben Ihres Arbeitgebers, Arbeitsvertrag mit Angabe des Rückkehrdatums, Bescheinigungen über das Ende der Elternzeit. Auch Ihre bisherigen Bemühungen um einen Platz sollten dokumentiert werden, um zu zeigen, dass Sie alles Zumutbare getan haben. Das Gericht wird auch prüfen, ob eine vorläufige Regelung überhaupt sinnvoll möglich ist – ob also kurzfristig ein Platz geschaffen werden kann.
Beispiel: Erfolgreicher Eilantrag vor dem Verwaltungsgericht
Ein Elternpaar aus Bayern beantragte für ihren einjährigen Sohn einen Krippenplatz, da beide Eltern nach der Elternzeit wieder arbeiten wollten. Die Stadt teilte mit, dass erst in einem Jahr ein Platz verfügbar sei. Die Eltern stellten einen Eilantrag beim Verwaltungsgericht und legten die Arbeitsverträge sowie ein Schreiben des Arbeitgebers vor, das die dringende Rückkehr forderte. Das Gericht verpflichtete die Stadt innerhalb von zwei Wochen, vorläufig einen Betreuungsplatz bereitzustellen. Die Stadt organisierte daraufhin einen Platz bei einer Tagesmutter.
Schadensersatz für Verdienstausfall und Betreuungskosten
Die Durchsetzung von Schadensersatzansprüchen wegen fehlender Kinderbetreuung hat durch mehrere höchstrichterliche Entscheidungen erheblich an Bedeutung gewonnen. Der Bundesgerichtshof hat eindeutig festgestellt, dass Kommunen für Schäden haften, die durch die Nichterfüllung des Rechtsanspruchs auf einen Kindergartenplatz entstehen. Dies eröffnet Eltern die Möglichkeit, finanzielle Einbußen ausgeglichen zu bekommen und erhöht zugleich den Druck auf die Kommunen, ausreichend Betreuungsplätze zu schaffen.
Für die Durchsetzung von Schadensersatzansprüchen ist das Zivilgericht zuständig, nicht das Verwaltungsgericht. Sie müssen also eine separate Klage vor dem Amtsgericht oder Landgericht erheben, je nach Streitwert. Der Streitwert richtet sich nach der Höhe des geltend gemachten Schadens. Die dreijährige Verjährungsfrist für Schadensersatzansprüche beginnt mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und Sie Kenntnis von den anspruchsbegründenden Umständen erlangt haben.
Die Beweislast für den Schaden und dessen Höhe liegt bei Ihnen als Anspruchsteller. Sie müssen nachweisen, dass Ihnen ein konkreter finanzieller Schaden entstanden ist und dass dieser Schaden kausal auf die fehlende Kinderbetreuung zurückzuführen ist. Sammeln Sie daher alle Belege sorgfältig: Gehaltsabrechnungen, Arbeitsverträge, Kündigungsschreiben, Rechnungen für private Betreuung und ähnliche Dokumente bilden die Grundlage Ihrer Schadensberechnung.
Konkrete Berechnung der Schadensersatzhöhe
Der Verdienstausfall berechnet sich aus der Differenz zwischen dem Einkommen, das Sie bei Aufnahme Ihrer Berufstätigkeit erzielt hätten, und dem tatsächlich erzielten Einkommen. Konnten Sie gar nicht arbeiten, ist das volle entgangene Gehalt ersatzfähig. Mussten Sie Ihre Arbeitszeit reduzieren, ist die Differenz zum ursprünglich geplanten Gehalt der Schaden. Berücksichtigen Sie auch Sonderzahlungen, Boni und andere variable Gehaltsbestandteile.
Bei der Geltendmachung privater Betreuungskosten können Sie alle Aufwendungen ansetzen, die Ihnen durch die Beauftragung einer Ersatzbetreuung entstanden sind. Dies umfasst Kosten für Tagesmütter, Kinderfrauen, Au-pairs oder auch Zahlungen an Verwandte, die die Betreuung übernommen haben. Der ersatzfähige Betrag ist jedoch auf die angemessenen Kosten begrenzt – überhöhte Aufwendungen werden nicht vollständig ersetzt.
Checkliste: Dokumentation für Schadensersatzansprüche
- Arbeitsvertrag mit Angabe des geplanten Arbeitsbeginns und Gehalts
- Gehaltsabrechnungen oder Einkommensteuerbescheide der Vorjahre
- Schriftliche Bestätigung des Arbeitgebers über den geplanten Arbeitsbeginn
- Nachweis der Anmeldung und Absage durch das Jugendamt
- Rechnungen und Quittungen für private Betreuungskosten
- Nachweise über Fahrtkosten zu Ersatzbetreuungseinrichtungen
Erfolgsaussichten und Verfahrenskosten
Die Entscheidung, den Rechtsweg zu beschreiten, sollte wohlüberlegt sein. Die grundsätzlichen Erfolgsaussichten bei der Durchsetzung des Rechtsanspruchs auf einen Kindergartenplatz sind gut, da der Anspruch gesetzlich klar geregelt ist. Allerdings hängt der Erfolg im Einzelfall von verschiedenen Faktoren ab: der Dokumentation Ihrer Bemühungen, der konkreten Begründung der Ablehnung durch die Kommune und nicht zuletzt von der Qualität Ihrer rechtlichen Argumentation.
Die Kosten eines verwaltungsgerichtlichen Verfahrens setzen sich aus Gerichtskosten und gegebenenfalls Anwaltskosten zusammen. Im sozialrechtlichen Verfahren – zu dem auch Streitigkeiten um Kindergartenplätze gehören – gelten reduzierte Gerichtskosten. Bei einem Streitwert von 5.000 Euro liegen die Gerichtskosten in der ersten Instanz bei einigen hundert Euro. Hinzu kommen die Anwaltskosten, die sich nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz richten.
Im Falle des Obsiegens trägt in der Regel die unterlegene Partei die Kosten des Verfahrens. Das bedeutet, dass Sie bei einem Erfolg Ihrer Klage Ihre Anwaltskosten und die Gerichtskosten von der Kommune erstattet bekommen. Im Falle des Unterliegens müssen Sie hingegen sowohl Ihre eigenen Kosten als auch die Kosten der Gegenseite tragen. Diese Kostenrisiken sollten Sie bei Ihrer Entscheidung berücksichtigen.
Prozesskostenhilfe und Kostenübernahme
Wenn Sie über ein geringes Einkommen verfügen, können Sie Prozesskostenhilfe beantragen. Die Prozesskostenhilfe deckt die Gerichtskosten und – bei Beiordnung eines Rechtsanwalts – auch die Anwaltskosten ab. Voraussetzung ist, dass Sie die Kosten der Prozessführung nicht oder nur teilweise aufbringen können und dass die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg hat. Der Antrag auf Prozesskostenhilfe wird zusammen mit der Klage beim Gericht eingereicht.
Prüfen Sie auch, ob Sie über eine Rechtsschutzversicherung verfügen, die Verwaltungsrechtsstreitigkeiten abdeckt. Viele Rechtsschutzversicherungen schließen allerdings sozialrechtliche Streitigkeiten aus oder verlangen einen Selbstbehalt. Klären Sie vor Verfahrensbeginn mit Ihrer Versicherung, ob und in welchem Umfang Deckungsschutz besteht. Eine Deckungszusage gibt Ihnen finanzielle Sicherheit für das Verfahren.
Praxis-Tipp: Außergerichtliche Einigung anstreben
Bevor Sie den Klageweg beschreiten, versuchen Sie eine außergerichtliche Einigung. Schreiben Sie dem Bürgermeister oder Landrat persönlich und schildern Sie Ihre Situation. Weisen Sie auf Ihren Rechtsanspruch hin und kündigen Sie rechtliche Schritte an. Oft führt dieser direkte Druck schneller zum Erfolg als ein langwieriges Gerichtsverfahren. Dokumentieren Sie auch diese Bemühungen sorgfältig.
Die Durchsetzung Ihres Rechtsanspruchs auf einen Kindergartenplatz erfordert Ausdauer und konsequentes Handeln. Mit der richtigen Strategie und lückenloser Dokumentation stehen Ihre Chancen gut, zu Ihrem Recht zu kommen – sei es durch Zuweisung eines Betreuungsplatzes oder durch Schadensersatz für entstandene finanzielle Nachteile. Handeln Sie frühzeitig, wahren Sie alle Fristen und scheuen Sie sich nicht, Ihren gesetzlich verbrieften Anspruch auch gerichtlich durchzusetzen.
