Rechtliche Grundlagen für PKV-Beitragserhöhungen
Der Brief liegt auf dem Küchentisch. Ihre private Krankenversicherung kündigt eine Beitragserhöhung an – wieder einmal. Die Begründung klingt vertraut: medizinischer Fortschritt, steigende Lebenserwartung, höhere Kosten im Gesundheitswesen. Doch was viele Versicherte nicht wissen: Nicht jede Erhöhung ist rechtmäßig. Die gesetzlichen Hürden für wirksame Beitragsanpassungen sind hoch, und viele Versicherer scheitern daran.
Private Krankenversicherungen dürfen ihre Beiträge nicht willkürlich erhöhen. Das Versicherungsvertragsgesetz (VVG) und das Versicherungsaufsichtsgesetz (VAG) setzen enge Grenzen. Eine Beitragsanpassung ist nur unter bestimmten Voraussetzungen zulässig – und diese müssen vollständig erfüllt sein, damit die Erhöhung wirksam wird.
Gesetzliche Voraussetzungen nach § 203 VVG
Die zentrale Norm für Beitragserhöhungen in der privaten Krankenversicherung ist § 203 Abs. 2 VVG. Danach darf der Versicherer die Prämie nur anpassen, wenn sich die Versicherungsleistungen oder die Sterbewahrscheinlichkeit nicht nur vorübergehend verändert haben. Eine bloße Kostensteigerung reicht nicht aus. Die Veränderung muss dauerhaft sein und einen bestimmten Schwellenwert überschreiten.
Konkret muss die Abweichung zwischen den kalkulierten und den tatsächlichen Werten den vertraglich oder gesetzlich festgelegten Prozentsatz übersteigen. In den meisten Tarifen liegt dieser sogenannte auslösende Faktor bei zehn Prozent. Erst wenn diese Schwelle überschritten wird, darf der Versicherer überhaupt tätig werden. Dabei muss ein unabhängiger Treuhänder der Anpassung zustimmen.
Die Rolle des unabhängigen Treuhänders
Jede Beitragserhöhung bedarf der Zustimmung eines unabhängigen Treuhänders. Diese Person soll die Interessen der Versicherten wahren und prüfen, ob die vom Versicherer vorgelegten Kalkulationsgrundlagen korrekt sind. Der Treuhänder muss tatsächlich unabhängig sein – wirtschaftliche Verflechtungen mit dem Versicherer können die Wirksamkeit der gesamten Beitragserhöhung in Frage stellen.
In der Vergangenheit haben Gerichte mehrfach festgestellt, dass Treuhänder nicht ausreichend unabhängig waren. Der Bundesgerichtshof hat in wegweisenden Urteilen klargestellt, dass die Unabhängigkeit des Treuhänders eine echte Wirksamkeitsvoraussetzung darstellt. War der Treuhänder nicht unabhängig, ist die gesamte Beitragserhöhung unwirksam – unabhängig davon, ob die rechnerischen Grundlagen stimmen.
Praxis-Tipp: Treuhänder-Unabhängigkeit prüfen lassen
Fordern Sie von Ihrer Versicherung Auskunft über den zuständigen Treuhänder an. Recherchieren Sie, ob dieser Treuhänder auch für andere Versicherer tätig ist und in welchem Umfang er Vergütungen erhält. Diese Informationen können entscheidend sein, um die Wirksamkeit einer Beitragserhöhung anzufechten.
Kalkulationsgrundlagen und deren Bedeutung
Die Beitragskalkulation in der PKV basiert auf verschiedenen Faktoren: Versicherungsleistungen, Sterbewahrscheinlichkeit und Stornowahrscheinlichkeit. Der Versicherer muss diese Faktoren regelmäßig überprüfen und mit den tatsächlichen Werten vergleichen. Nur wenn die Abweichung den festgelegten Schwellenwert überschreitet, ist eine Anpassung zulässig.
Wichtig ist dabei: Der Versicherer darf bei einer Beitragsanpassung alle relevanten Faktoren neu kalkulieren, nicht nur den auslösenden Faktor. Das bedeutet, dass die tatsächliche Erhöhung höher oder niedriger ausfallen kann als die ursprüngliche Abweichung vermuten lässt. Diese komplexe Berechnungsmethode macht es für Laien schwer, die Rechtmäßigkeit einer Erhöhung zu beurteilen.
Widerspruchsrecht bei Beitragserhöhungen
Viele Versicherte zahlen Beitragserhöhungen kommentarlos, weil sie nicht wissen, dass ihnen ein Widerspruchsrecht zusteht. Dabei kann ein Widerspruch der erste Schritt sein, um unrechtmäßige Erhöhungen zu stoppen und bereits gezahlte Beiträge zurückzufordern. Die rechtlichen Möglichkeiten sind weitreichender, als die meisten Versicherten vermuten.
Das Widerspruchsrecht bei PKV-Beitragserhöhungen unterscheidet sich grundlegend vom allgemeinen Kündigungsrecht. Während eine Kündigung den Vertrag beendet, zielt der Widerspruch darauf ab, die Erhöhung selbst anzugreifen. Der Versicherungsschutz bleibt dabei bestehen – nur der erhöhte Beitrag wird nicht akzeptiert.
Verschiedene Arten des Widerspruchs
Es gibt mehrere Ansatzpunkte für einen Widerspruch gegen eine Beitragserhöhung. Der formelle Widerspruch richtet sich gegen Mängel im Verfahren: fehlerhafte Mitteilung, unzureichende Begründung oder Verstöße gegen Informationspflichten. Der materielle Widerspruch greift die inhaltliche Berechtigung der Erhöhung an: Waren die Voraussetzungen für eine Anpassung überhaupt erfüllt?
Zusätzlich kann die Unabhängigkeit des Treuhänders angezweifelt werden. Wenn der Treuhänder wirtschaftlich vom Versicherer abhängig war, fehlt eine wesentliche Voraussetzung für die Wirksamkeit der Erhöhung. Diese Argumentation hat in den letzten Jahren zu zahlreichen erfolgreichen Verfahren geführt.
Beispiel: Erfolgreicher Widerspruch wegen Treuhänder-Problematik
Herr M. erhielt über mehrere Jahre Beitragserhöhungen seiner PKV. Nach einer rechtlichen Prüfung stellte sich heraus, dass der zuständige Treuhänder über Jahre hinweg erhebliche Vergütungen von der Versicherung erhalten hatte und auch für deren Schwesterunternehmen tätig war. Das Gericht erklärte sämtliche Erhöhungen für unwirksam. Herr M. konnte die überzahlten Beiträge für mehrere Jahre zurückfordern.
Voraussetzungen für einen wirksamen Widerspruch
Ein Widerspruch muss bestimmte Anforderungen erfüllen, um wirksam zu sein. Er sollte schriftlich erfolgen und eindeutig erkennen lassen, dass Sie die Beitragserhöhung nicht akzeptieren. Dabei müssen Sie nicht sofort alle rechtlichen Argumente vorbringen – es genügt zunächst, der Erhöhung zu widersprechen und sich weitere rechtliche Schritte vorzubehalten.
Wichtig ist die fristgerechte Einreichung. Auch wenn es keine gesetzliche Widerspruchsfrist im engeren Sinne gibt, sollten Sie innerhalb eines Monats nach Zugang der Erhöhungsmitteilung reagieren. Dies entspricht der Frist für das Sonderkündigungsrecht und dokumentiert Ihre zeitnahe Reaktion. Bewahren Sie unbedingt einen Nachweis über den Zugang Ihres Widerspruchs auf.
Prüfung der Rechtmäßigkeit einer Beitragserhöhung
Die Rechtmäßigkeit einer Beitragserhöhung hängt von zahlreichen Faktoren ab. Nicht alle sind für Laien erkennbar, aber einige Prüfpunkte können Sie selbst vornehmen. Eine systematische Überprüfung kann Anhaltspunkte liefern, ob sich ein Widerspruch lohnt und welche Argumente erfolgversprechend sein könnten.
Die Versicherer sind verpflichtet, ihre Beitragserhöhungen zu begründen. Diese Begründungspflicht geht aus § 203 Abs. 5 VVG hervor. Die Mitteilung muss die maßgeblichen Gründe für die Erhöhung darlegen. Eine pauschale Bezugnahme auf gestiegene Kosten genügt nicht – der Versicherungsnehmer muss nachvollziehen können, warum gerade sein Tarif betroffen ist.
Formelle Anforderungen an die Erhöhungsmitteilung
Die Mitteilung über eine Beitragserhöhung muss bestimmte formelle Anforderungen erfüllen. Sie muss schriftlich erfolgen und die wesentlichen Gründe für die Prämienanpassung nennen. Der Versicherer muss auf das Kündigungsrecht des Versicherungsnehmers hinweisen und die Frist dafür angeben. Fehlt einer dieser Hinweise, kann dies die Wirksamkeit der Erhöhung beeinträchtigen.
Besonders wichtig ist die Transparenz der Begründung. Der Bundesgerichtshof hat entschieden, dass Versicherte grundsätzlich verstehen müssen, warum ihre Beiträge steigen. Eine Begründung, die nur Fachbegriffe aneinanderreiht oder auf allgemeine Kostenentwicklungen verweist, erfüllt diese Anforderung nicht. Prüfen Sie daher kritisch, ob die Begründung Ihrer Versicherung tatsächlich nachvollziehbar ist.
Checkliste: Erste Prüfung der Beitragserhöhung
- Ist die Erhöhungsmitteilung schriftlich erfolgt?
- Enthält sie eine nachvollziehbare Begründung für die Anpassung?
- Wird auf das Sonderkündigungsrecht hingewiesen?
- Ist die Kündigungsfrist korrekt angegeben?
- Wird der Name des zuständigen Treuhänders genannt?
- Ist erkennbar, welcher Tarif konkret betroffen ist?
- Entspricht die Erhöhung dem mitgeteilten Prozentsatz?
Materielle Prüfung der Erhöhungsvoraussetzungen
Neben den formellen Anforderungen müssen auch die materiellen Voraussetzungen für eine Beitragserhöhung erfüllt sein. Die Versicherungsleistungen oder die Sterbewahrscheinlichkeit müssen sich nicht nur vorübergehend verändert haben. Diese Veränderung muss den vertraglich festgelegten Schwellenwert überschreiten. Erst dann ist der Versicherer berechtigt, die Beiträge anzupassen.
Die materielle Prüfung ist komplex und erfordert Einblick in die Kalkulationsgrundlagen des Versicherers. Versicherte haben grundsätzlich einen Auskunftsanspruch über die der Erhöhung zugrunde liegenden Berechnungen. Dieser Anspruch ist jedoch in der Praxis oft schwer durchzusetzen, da Versicherer sich auf Geschäftsgeheimnisse berufen. Dennoch kann die Anforderung dieser Informationen ein wichtiger erster Schritt sein.
Fristen und Verfahren beim Widerspruch
Fristen spielen bei Beitragserhöhungen eine zentrale Rolle. Wer zu lange wartet, riskiert den Verlust wichtiger Rechte. Gleichzeitig sollte der Widerspruch gut vorbereitet sein, um die bestmöglichen Erfolgsaussichten zu haben. Das richtige Timing ist daher entscheidend für den Erfolg eines Widerspruchsverfahrens.
Anders als bei vielen anderen Rechtsbereichen gibt es bei PKV-Beitragserhöhungen keine starre gesetzliche Widerspruchsfrist. Das bedeutet jedoch nicht, dass Sie unbegrenzt Zeit haben. Verjährungsfristen und das Gebot der zeitnahen Geltendmachung setzen praktische Grenzen. Je früher Sie handeln, desto besser sind Ihre Aussichten.
Die wichtigsten Reaktionsfristen
Nach Zugang einer Beitragserhöhung haben Sie zunächst ein Sonderkündigungsrecht. Dieses können Sie innerhalb eines Monats nach Zugang der Mitteilung ausüben. Die Kündigung wird dann zum Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Erhöhung wirksam. Diese Frist ist auch ein guter Orientierungspunkt für einen Widerspruch – reagieren Sie möglichst innerhalb dieses Zeitraums.
Für die Rückforderung bereits gezahlter Beiträge gilt die regelmäßige Verjährungsfrist von drei Jahren. Diese beginnt mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und Sie von den anspruchsbegründenden Umständen Kenntnis erlangt haben. Bei Beitragserhöhungen aus dem Jahr 2022 würde die Verjährung grundsätzlich Ende 2025 eintreten – sofern Sie Kenntnis von der Unwirksamkeit hatten.
Praxis-Tipp: Verjährung hemmen durch einfaches Schreiben
Senden Sie umgehend nach Erhalt einer Beitragserhöhung ein kurzes Schreiben an Ihre Versicherung, in dem Sie der Erhöhung widersprechen und sich weitere rechtliche Schritte vorbehalten. Fordern Sie gleichzeitig Auskunft über die Kalkulationsgrundlagen. Dies dokumentiert Ihre Reaktion und kann für Verjährungsfragen relevant werden.
Typischer Verfahrensablauf nach dem Widerspruch
Nach Eingang Ihres Widerspruchs wird die Versicherung in der Regel eine Stellungnahme abgeben. Häufig weisen Versicherer den Widerspruch zunächst zurück und berufen sich auf die ordnungsgemäße Durchführung des Anpassungsverfahrens. Lassen Sie sich davon nicht entmutigen – diese Standardantwort sagt noch nichts über die tatsächliche Rechtslage aus.
Der nächste Schritt kann eine außergerichtliche Einigung sein, etwa über den Ombudsmann für Versicherungen. Dieses Verfahren ist kostenlos und kann zu einer schnellen Lösung führen. Führt auch dies nicht zum Erfolg, bleibt der Klageweg. Viele Versicherer zeigen sich erst verhandlungsbereit, wenn eine Klage eingereicht wurde oder unmittelbar bevorsteht.
Alternativen: Tarifwechsel und Versichererwechsel
Nicht immer ist ein Widerspruch der beste Weg. Manchmal kann ein Tarifwechsel innerhalb der bestehenden Versicherung die sinnvollere Alternative sein. Auch ein vollständiger Wechsel zu einem anderen Versicherer kommt in bestimmten Situationen in Betracht. Beide Optionen haben Vor- und Nachteile, die sorgfältig abgewogen werden müssen.
Der Tarifwechsel ist gesetzlich in § 204 VVG geregelt. Danach haben Versicherte einen Anspruch darauf, in einen anderen Tarif ihres Versicherers mit gleichartigem Versicherungsschutz zu wechseln. Der Vorteil: Die angesparten Alterungsrückstellungen bleiben erhalten. Der neue Tarif kann günstigere Beiträge bieten, auch wenn der Leistungsumfang möglicherweise angepasst wird.
Tarifwechsel innerhalb der Versicherung
Das Tarifwechselrecht nach § 204 VVG ist eines der wichtigsten Instrumente zur Beitragssenkung in der PKV. Versicherer müssen auf Anfrage einen Tarifwechsel ermöglichen. Dabei dürfen sie keine erneute Gesundheitsprüfung verlangen, wenn der neue Tarif gleichartig ist oder einen geringeren Leistungsumfang hat. Die gebildeten Alterungsrückstellungen werden angerechnet.
In der Praxis gestaltet sich der Tarifwechsel allerdings oft schwierig. Versicherer informieren nicht aktiv über günstigere Tarife und erschweren den Wechsel durch unübersichtliche Tarifstrukturen. Hier kann professionelle Unterstützung helfen, den optimalen Zieltarif zu finden und den Wechsel durchzusetzen. Ein gut gewählter neuer Tarif kann die monatliche Belastung deutlich reduzieren.
Beispiel: Erfolgreicher Tarifwechsel mit Beitragsersparnis
Frau K. zahlte in ihrem PKV-Tarif einen monatlichen Beitrag, der durch mehrere Erhöhungen stark gestiegen war. Eine Tarifanalyse ergab, dass ihre Versicherung einen neueren Tarif mit nahezu identischen Leistungen zu einem deutlich niedrigeren Beitrag anbot. Nach dem Wechsel sparte Frau K. mehrere hundert Euro monatlich – bei vollem Erhalt ihrer Alterungsrückstellungen.
Wechsel zu einem anderen Versicherer
Ein vollständiger Versichererwechsel ist eine weitreichende Entscheidung mit erheblichen Konsequenzen. Der größte Nachteil: Die angesparten Alterungsrückstellungen gehen zum großen Teil verloren. Nur der sogenannte Basistarif-Übertragungswert kann mitgenommen werden, und dieser deckt nur einen Bruchteil der tatsächlichen Rückstellungen ab.
Ein Versichererwechsel kann dennoch sinnvoll sein, wenn Sie jung und gesund sind. In diesem Fall sind die aufgebauten Alterungsrückstellungen noch gering, und die Vorteile eines günstigeren Tarifs bei einem anderen Anbieter können überwiegen. Allerdings müssen Sie bei einem neuen Versicherer eine vollständige Gesundheitsprüfung durchlaufen. Vorerkrankungen können zu Risikozuschlägen oder sogar zur Ablehnung führen.
Abwägung der verschiedenen Optionen
Die Entscheidung zwischen Widerspruch, Tarifwechsel und Versichererwechsel hängt von Ihrer individuellen Situation ab. Sind Sie überzeugt, dass die Beitragserhöhung unwirksam ist, sollten Sie widersprechen. Wollen Sie schnell und ohne Risiko Beiträge sparen, kann ein Tarifwechsel der bessere Weg sein. Ein Versichererwechsel kommt nur in Ausnahmefällen in Betracht.
Bedenken Sie auch die Möglichkeit, mehrere Strategien zu kombinieren. Sie können gegen vergangene Erhöhungen widersprechen und gleichzeitig für die Zukunft einen günstigeren Tarif wählen. Diese Kombination maximiert Ihre Handlungsoptionen und sichert Ihnen die bestmögliche Position gegenüber Ihrer Versicherung.
Rückforderung zu viel gezahlter Beiträge
War eine Beitragserhöhung unwirksam, können Sie die überzahlten Beiträge zurückfordern. Dieser Anspruch kann erhebliche Summen umfassen, insbesondere wenn mehrere Jahre betroffen sind. Die Rückforderung ist rechtlich als Bereicherungsanspruch nach § 812 BGB einzuordnen – der Versicherer hat etwas ohne rechtlichen Grund erhalten.
Der Rückforderungsanspruch umfasst nicht nur die Differenz zwischen dem alten und dem erhöhten Beitrag. Hinzu kommen Nutzungszinsen, die der Versicherer für das zu Unrecht einbehaltene Geld zahlen muss. Bei längeren Zeiträumen kann dies den Rückforderungsbetrag deutlich erhöhen.
Berechnung des Rückforderungsanspruchs
Die Berechnung des Rückforderungsanspruchs beginnt mit der Ermittlung der überzahlten Beiträge. Für jeden Monat, in dem eine unwirksame Erhöhung gezahlt wurde, besteht ein Erstattungsanspruch in Höhe der Differenz zum ursprünglichen Beitrag. War der ursprüngliche Beitrag 400 Euro und wurde auf 480 Euro erhöht, beträgt die monatliche Überzahlung 80 Euro.
Über mehrere Jahre summieren sich diese Beträge schnell zu fünfstelligen Summen. Hinzu kommen die Nutzungszinsen, die üblicherweise mit fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz angesetzt werden. Bei einem Rückforderungszeitraum von mehreren Jahren können diese Zinsen einen erheblichen Anteil des Gesamtanspruchs ausmachen.
Praxis-Tipp: Alle Erhöhungen der letzten Jahre dokumentieren
Sammeln Sie alle Beitragserhöhungen, die Sie in den letzten Jahren erhalten haben. Listen Sie für jede Erhöhung auf, ab wann sie galt und wie hoch die Differenz zum vorherigen Beitrag war. Diese Dokumentation ist die Grundlage für die Berechnung Ihres Rückforderungsanspruchs und sollte alle verfügbaren Unterlagen umfassen.
Praktische Durchsetzung der Rückforderung
Die Durchsetzung eines Rückforderungsanspruchs beginnt mit einem Schreiben an die Versicherung, in dem die Rückzahlung gefordert wird. Dieses Schreiben sollte die betroffenen Erhöhungen konkret benennen, die Unwirksamkeitsgründe darlegen und eine Frist zur Zahlung setzen. Eine Frist von drei bis vier Wochen ist angemessen.
In den meisten Fällen werden Versicherer die Forderung zunächst ablehnen oder ignorieren. Dies ist Teil der üblichen Vorgehensweise und sollte Sie nicht entmutigen. Der nächste Schritt ist dann die Einschaltung des Ombudsmanns oder – bei größeren Beträgen – die Erhebung einer Klage. Erfahrungsgemäß zeigen sich viele Versicherer erst verhandlungsbereit, wenn ein gerichtliches Verfahren unmittelbar bevorsteht.
Gerichtliche Durchsetzung Ihrer Rechte
Wenn außergerichtliche Bemühungen scheitern, bleibt der Weg zu Gericht. Die gerichtliche Durchsetzung von Ansprüchen aus unwirksamen Beitragserhöhungen hat in den letzten Jahren stark zugenommen. Zahlreiche Urteile haben die Position der Versicherten gestärkt und wichtige Rechtsfragen geklärt. Die Erfolgsaussichten sind in vielen Fällen gut.
Das zuständige Gericht richtet sich nach dem Streitwert und dem Wohnsitz der Parteien. Bei Streitwerten bis 5.000 Euro ist das Amtsgericht zuständig, darüber das Landgericht. Da Rückforderungsansprüche oft fünfstellige Beträge erreichen, landen die meisten Verfahren vor dem Landgericht, wo Anwaltszwang besteht.
Aktuelle Rechtsprechung zu PKV-Beitragserhöhungen
Der Bundesgerichtshof hat in mehreren Grundsatzentscheidungen die Rechte der Versicherten gestärkt. Besonders bedeutsam sind die Urteile zur Unabhängigkeit des Treuhänders. Der BGH hat klargestellt, dass die Unabhängigkeit des Treuhänders eine echte Wirksamkeitsvoraussetzung ist. Fehlt sie, ist die Erhöhung unwirksam – unabhängig davon, ob die rechnerischen Grundlagen stimmen.
Auch die Anforderungen an die Begründungspflicht wurden konkretisiert. Versicherer müssen die wesentlichen Gründe für eine Erhöhung mitteilen. Eine pauschale Bezugnahme auf allgemeine Kostenentwicklungen genügt nicht. Die Rechtsprechung entwickelt sich kontinuierlich weiter, und neue Entscheidungen können zusätzliche Argumentationslinien eröffnen.
Prozessrisiken und Kostenüberlegungen
Ein gerichtliches Verfahren ist mit Kosten und Risiken verbunden. Die Gerichtskosten richten sich nach dem Streitwert und können bei höheren Rückforderungsbeträgen mehrere tausend Euro betragen. Hinzu kommen die Anwaltskosten beider Seiten, die die unterlegene Partei tragen muss.
Diese Risiken müssen gegen die Erfolgsaussichten und die Höhe des Rückforderungsanspruchs abgewogen werden. Bei gut begründeten Fällen mit erheblichen Rückforderungssummen kann sich das Risiko lohnen. Viele Versicherte verfügen zudem über eine Rechtsschutzversicherung, die die Kosten eines Rechtsstreits übernimmt. Klären Sie vor Einleitung eines Verfahrens, ob Ihr Rechtsschutz den Bereich Versicherungsrecht abdeckt.
Checkliste: Vor Einleitung eines Gerichtsverfahrens
- Alle relevanten Unterlagen zusammenstellen (Erhöhungsschreiben, Versicherungsschein, Zahlungsbelege)
- Rückforderungssumme berechnen und dokumentieren
- Rechtsschutzversicherung auf Deckung prüfen
- Verjährungsfristen kontrollieren
- Außergerichtliche Einigungsversuche dokumentieren
- Erfolgsaussichten realistisch einschätzen
Musterschreiben und praktische Vorlagen
Für die Geltendmachung Ihrer Rechte benötigen Sie aussagekräftige Schreiben an Ihre Versicherung. Ein gut formuliertes Widerspruchsschreiben erhöht Ihre Chancen auf eine ernsthafte Prüfung Ihres Anliegens. Dabei kommt es auf die richtige Struktur und die wesentlichen Inhalte an.
Im Folgenden finden Sie Hinweise zur Gestaltung der wichtigsten Schreiben. Diese können als Orientierung dienen, sollten aber an Ihre konkrete Situation angepasst werden. Jeder Fall ist anders, und pauschale Musterschreiben können die individuellen Besonderheiten nicht berücksichtigen.
Aufbau eines Widerspruchsschreibens
Ein Widerspruchsschreiben sollte zunächst Ihre Versicherungsnummer und den betroffenen Tarif nennen. Beziehen Sie sich konkret auf die Erhöhungsmitteilung mit Datum. Erklären Sie eindeutig, dass Sie der Beitragserhöhung widersprechen und diese nicht akzeptieren. Kündigen Sie an, die Beiträge unter Vorbehalt zu zahlen oder nur den bisherigen Beitrag zu überweisen.
Im Hauptteil können Sie Ihre Gründe für den Widerspruch darlegen, müssen dies aber nicht sofort umfassend tun. Es genügt, auf formelle oder materielle Mängel hinzuweisen und sich weitere Ausführungen vorzubehalten. Fordern Sie die Versicherung auf, Ihnen die Kalkulationsgrundlagen und Informationen zum Treuhänder mitzuteilen. Setzen Sie eine Frist für die Beantwortung.
Auskunftsverlangen an die Versicherung
Neben dem Widerspruch sollten Sie ein Auskunftsverlangen an Ihre Versicherung richten. Fordern Sie Auskunft über die der Erhöhung zugrunde liegenden Faktoren, die Veränderung der Versicherungsleistungen und Sterbewahrscheinlichkeiten sowie den Namen und die Vergütung des zuständigen Treuhänders.
Das Auskunftsverlangen hat mehrere Funktionen. Es dokumentiert Ihr ernsthaftes Interesse an einer Klärung, verschafft Ihnen Informationen für eine weitere Prüfung und setzt die Versicherung unter Zugzwang. Verweigert die Versicherung die Auskunft, kann dies im späteren Verfahren zu ihren Lasten gewertet werden.
Beispiel: Kernpunkte eines wirksamen Widerspruchsschreibens
Herr S. erhielt eine Beitragserhöhung und formulierte seinen Widerspruch wie folgt: Er benannte die konkrete Erhöhung mit Datum und Betrag, erklärte seinen Widerspruch ausdrücklich, forderte Auskunft über den Treuhänder und die Kalkulationsgrundlagen, kündigte Zahlung unter Vorbehalt an und setzte eine dreiwöchige Frist zur Stellungnahme. Dieses strukturierte Vorgehen führte dazu, dass die Versicherung seinen Widerspruch ernst nahm und innerhalb der Frist antwortete.
Dokumentation der Kommunikation
Eine sorgfältige Dokumentation ist für den Erfolg Ihrer Bemühungen entscheidend. Bewahren Sie alle Schreiben der Versicherung auf, insbesondere die Erhöhungsmitteilungen mit Datum des Zugangs. Versenden Sie Ihre eigenen Schreiben per Einschreiben mit Rückschein oder zumindest als Einwurfeinschreiben, um den Zugang beweisen zu können.
Führen Sie ein Protokoll aller Telefonate mit der Versicherung. Notieren Sie Datum, Uhrzeit, Namen des Gesprächspartners und die wesentlichen Inhalte des Gesprächs. Diese Dokumentation kann später wichtig werden, wenn es um Fristen oder mündliche Zusagen geht. Bestätigen Sie wichtige telefonische Vereinbarungen zusätzlich schriftlich.
