Promillegrenzen beim Fahrradfahren
Die Polizeikontrolle kommt unerwartet. Ein gemütlicher Abend mit Freunden, zwei Bier, vielleicht drei – und jetzt stehen Sie mit Ihrem Fahrrad am Straßenrand. Der Beamte hält Ihnen das Alkoholmessgerät hin. Was viele nicht wissen: Auch als Radfahrer bewegen Sie sich im Straßenverkehr nicht in einem rechtsfreien Raum. Die Promillegrenzen für Fahrradfahrer unterscheiden sich zwar von denen für Autofahrer, doch die Konsequenzen können ebenso gravierend sein.
Im deutschen Recht existieren für Radfahrer zwei entscheidende Promillegrenzen, die Sie kennen müssen. Diese Grenzen bestimmen, ob Ihr Verhalten als Ordnungswidrigkeit oder bereits als Straftat gewertet wird. Die Unterscheidung ist fundamental für alle weiteren rechtlichen Konsequenzen, die auf Sie zukommen können.
Die relative Fahruntüchtigkeit ab 0,3 Promille
Bereits ab einem Blutalkoholwert von 0,3 Promille können Sie sich strafbar machen – allerdings nur unter bestimmten Voraussetzungen. Man spricht hier von der sogenannten relativen Fahruntüchtigkeit. Diese liegt vor, wenn Sie trotz des vermeintlich niedrigen Alkoholwertes alkoholbedingte Ausfallerscheinungen zeigen oder in einen Unfall verwickelt werden. Typische Ausfallerscheinungen sind Schlangenlinien fahren, das Übersehen von Verkehrsschildern, verzögerte Reaktionen oder unsicheres Auf- und Absteigen.
Die Beweislast liegt hier bei der Staatsanwaltschaft. Sie muss nachweisen, dass Ihre Fahrfehler tatsächlich auf den Alkoholkonsum zurückzuführen sind. In der Praxis geschieht dies häufig durch Zeugenaussagen von Polizeibeamten oder anderen Verkehrsteilnehmern, die Ihr Fahrverhalten beobachtet haben. Auch Videoaufnahmen oder dokumentierte Fahrfehler können als Beweis dienen.
Die absolute Fahruntüchtigkeit ab 1,6 Promille
Die magische Grenze für Radfahrer liegt bei 1,6 Promille. Ab diesem Wert gilt jeder Radfahrer unwiderleglich als absolut fahruntüchtig – unabhängig davon, ob er Ausfallerscheinungen zeigt oder nicht. Der Gesetzgeber geht davon aus, dass bei einem solchen Alkoholisierungsgrad niemand mehr in der Lage ist, ein Fahrzeug sicher zu führen. Ein Gegenbeweis ist ausgeschlossen.
Diese höhere Grenze im Vergleich zu Kraftfahrern (1,1 Promille) rechtfertigt der Gesetzgeber mit dem geringeren Gefährdungspotenzial eines Fahrrads. Dennoch sollten Sie diese Grenze nicht als Freibrief verstehen. Die Konsequenzen bei Erreichen oder Überschreiten dieser Schwelle sind erheblich und können Ihr gesamtes Leben nachhaltig beeinflussen.
Praxis-Tipp: Alkoholabbau richtig einschätzen
Der menschliche Körper baut Alkohol durchschnittlich mit etwa 0,1 bis 0,15 Promille pro Stunde ab. Nach einer durchzechten Nacht können Sie auch am nächsten Morgen noch deutlich über der Grenze liegen. Verlassen Sie sich niemals auf Ihr subjektives Gefühl – der sogenannte "Restalkohol" wird häufig unterschätzt und führt regelmäßig zu Verfahren wegen Trunkenheit im Verkehr.
Straftaten und Ordnungswidrigkeiten im Überblick
Die rechtliche Einordnung Ihres Verhaltens hängt maßgeblich von Ihrem Alkoholisierungsgrad und den Begleitumständen ab. Das Gesetz unterscheidet dabei streng zwischen Ordnungswidrigkeiten und Straftaten. Diese Unterscheidung ist nicht nur akademischer Natur – sie bestimmt über Geldbuße oder Geldstrafe, über Punkteeintrag oder Eintrag im Führungszeugnis.
Das Führen eines Fahrrads unter Alkoholeinfluss kann verschiedene Tatbestände erfüllen. Je nach Konstellation kommen unterschiedliche Normen zur Anwendung, die von einfachen Bußgeldvorschriften bis hin zu schwerwiegenden Straftatbeständen reichen. Die Kenntnis dieser Unterschiede ist essentiell für die Beurteilung Ihrer rechtlichen Situation.
Trunkenheit im Verkehr nach § 316 StGB
Der zentrale Straftatbestand bei alkoholisiertem Radfahren ist § 316 des Strafgesetzbuches – die Trunkenheit im Verkehr. Diese Norm erfasst jeden, der im Verkehr ein Fahrzeug führt, obwohl er infolge des Genusses alkoholischer Getränke nicht in der Lage ist, das Fahrzeug sicher zu führen. Entscheidend ist: Das Fahrrad gilt rechtlich als Fahrzeug im Sinne dieser Vorschrift.
Der Tatbestand ist bereits mit dem Führen des Fahrrads im fahruntüchtigen Zustand vollendet. Es muss kein Schaden entstanden sein, keine Gefährdung anderer Personen vorliegen. Die abstrakte Gefährlichkeit des Verhaltens reicht aus. Der Gesetzgeber bestraft hier also bereits das riskante Verhalten an sich, nicht erst dessen konkrete Auswirkungen.
Gefährdung des Straßenverkehrs nach § 315c StGB
Kommt es infolge der alkoholbedingten Fahruntüchtigkeit zu einer konkreten Gefährdung von Leib oder Leben anderer Menschen oder fremder Sachen von bedeutendem Wert, greift der schwerere Tatbestand des § 315c StGB. Diese Norm setzt voraus, dass durch das Fahrverhalten eine konkrete Gefahr entstanden ist – etwa ein Beinahe-Unfall mit einem Fußgänger oder einem anderen Fahrzeug.
Der Strafrahmen bei diesem Delikt ist deutlich höher. Das Gesetz sieht Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe vor. Bei vorsätzlicher Begehung kann die Strafe noch höher ausfallen. Die Abgrenzung zwischen den verschiedenen Tatbeständen ist oft komplex und erfordert eine genaue Analyse des Einzelfalls.
Beispiel: Vom Radfahren zur Straftat
Herr M. verlässt nach dem Feierabend eine Betriebsfeier und schwingt sich auf sein Fahrrad. Bei einer Kontrolle wird ein Wert von 1,8 Promille festgestellt. Obwohl er keine Ausfallerscheinungen zeigte und niemanden gefährdete, wurde er wegen Trunkenheit im Verkehr nach § 316 StGB verurteilt. Die absolute Fahruntüchtigkeit war durch den Promillewert unwiderleglich bewiesen. Das Verfahren endete mit einer Geldstrafe und einer MPU-Anordnung.
Strafen und Bußgelder bei Alkohol am Fahrrad
Die Sanktionen für alkoholisiertes Radfahren variieren erheblich je nach Schwere des Verstoßes. Von einer einfachen Ermahnung bei geringen Promillewerten ohne Auffälligkeiten bis hin zu empfindlichen Geldstrafen und weiterreichenden Konsequenzen reicht das Spektrum. Die konkrete Strafhöhe hängt von zahlreichen individuellen Faktoren ab.
Im Gegensatz zu Kraftfahrern existiert für Radfahrer kein eigener Bußgeldkatalog mit festen Regelsätzen für bestimmte Promillewerte. Die Ahndung erfolgt vielmehr nach allgemeinen strafrechtlichen Grundsätzen, was einerseits mehr Flexibilität bedeutet, andererseits aber auch zu größerer Unsicherheit über die zu erwartenden Konsequenzen führt.
Geldstrafe und Tagessätze
Bei einer Verurteilung wegen Trunkenheit im Verkehr droht eine Geldstrafe, die in sogenannten Tagessätzen bemessen wird. Die Anzahl der Tagessätze richtet sich nach der Schwere der Schuld, während die Höhe des einzelnen Tagessatzes von Ihrem Nettoeinkommen abhängt. Das Gericht ermittelt zunächst Ihr durchschnittliches Tageseinkommen und multipliziert dieses mit der festgesetzten Anzahl der Tagessätze.
Bei einer erstmaligen Trunkenheitsfahrt mit dem Fahrrad bewegen sich die Gerichte typischerweise in einem Rahmen von etwa 30 Tagessätzen. Bei erschwerenden Umständen – etwa sehr hohen Promillewerten, Vorstrafen oder einer Gefährdung anderer – kann die Strafe deutlich höher ausfallen. Im Wiederholungsfall oder bei besonders schweren Fällen droht auch eine Freiheitsstrafe.
Nebenfolgen und Punkteeintrag
Neben der eigentlichen Strafe drohen weitere Konsequenzen. Eine Verurteilung wegen Trunkenheit im Verkehr führt zu einem Eintrag im Fahreignungsregister in Flensburg. Je nach Schwere des Verstoßes werden Punkte eingetragen, die sich auf Ihre Fahrerlaubnis auswirken können. Auch ohne Führerschein werden diese Punkte registriert und können bei einer späteren Beantragung einer Fahrerlaubnis relevant werden.
Besonders gravierend ist der Eintrag im Führungszeugnis. Eine Verurteilung wegen Trunkenheit im Verkehr wird dort vermerkt und kann bei Bewerbungen, für bestimmte Berufe oder bei behördlichen Überprüfungen zum Problem werden. Der Eintrag bleibt je nach Strafhöhe mehrere Jahre bestehen und kann Ihre berufliche und persönliche Zukunft nachhaltig beeinträchtigen.
Checkliste: Nach einer Alkoholkontrolle auf dem Fahrrad
- Notieren Sie sofort alle Details der Kontrolle (Uhrzeit, Ort, beteiligte Beamte)
- Dokumentieren Sie, was Sie getrunken haben und wann
- Fordern Sie eine Blutprobe an, wenn Sie den Atemalkoholtest für ungenau halten
- Machen Sie keine Aussagen zur Sache ohne vorherige Beratung
- Bewahren Sie alle Dokumente (Protokoll, Bescheinigungen) sorgfältig auf
- Notieren Sie Namen und Kontaktdaten möglicher Entlastungszeugen
Fahrverbot und Führerscheinentzug für Radfahrer
Viele Radfahrer wiegen sich in falscher Sicherheit: "Ich fahre ja nur Fahrrad, den Führerschein können sie mir nicht wegnehmen." Diese Annahme ist ein gefährlicher Irrtum. Auch als Radfahrer können Sie mit Maßnahmen konfrontiert werden, die Ihre Berechtigung zum Führen von Kraftfahrzeugen unmittelbar betreffen. Die Verknüpfung zwischen alkoholisiertem Radfahren und dem Autoführerschein ist enger, als die meisten Menschen vermuten.
Das Fahrerlaubnisrecht kennt verschiedene Instrumente, um Verkehrsteilnehmer zu sanktionieren, die ihre Fahreignung in Frage gestellt haben. Diese Maßnahmen können unabhängig davon greifen, mit welchem Fahrzeug der Verstoß begangen wurde. Entscheidend ist die Frage der charakterlichen und körperlichen Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen.
Das Fahrverbot für Radfahrer
Das Gericht kann neben der Geldstrafe auch ein Fahrverbot verhängen. Dieses Fahrverbot bezieht sich gemäß § 44 StGB auf Kraftfahrzeuge, nicht auf Fahrräder. Sie dürfen also während eines gerichtlichen Fahrverbots weiterhin Fahrrad fahren – allerdings natürlich nur nüchtern. Das Fahrverbot dauert zwischen einem und sechs Monaten und bedeutet, dass Sie Ihren Führerschein für diese Zeit abgeben müssen.
Die Verhängung eines Fahrverbots liegt im Ermessen des Gerichts. Es wird typischerweise dann angeordnet, wenn eine erzieherische Wirkung erreicht werden soll oder wenn die Geldstrafe allein nicht als ausreichende Sanktion erscheint. Bei besonders hohen Promillewerten oder Wiederholungstätern ist ein Fahrverbot die Regel.
Entzug der Fahrerlaubnis
Gravierender als das zeitlich befristete Fahrverbot ist der Entzug der Fahrerlaubnis. Die Fahrerlaubnisbehörde kann Ihnen den Führerschein dauerhaft entziehen, wenn sie Zweifel an Ihrer Fahreignung hat. Eine Trunkenheitsfahrt mit hohem Promillewert begründet regelmäßig solche Zweifel – unabhängig davon, ob Sie mit dem Auto oder dem Fahrrad unterwegs waren.
Die Behörde prüft in solchen Fällen, ob Sie charakterlich geeignet sind, ein Kraftfahrzeug zu führen. Wer sich betrunken in den Straßenverkehr begibt, zeigt aus behördlicher Sicht eine mangelnde Verantwortungsbereitschaft. Diese Einschätzung kann zur Entziehung der Fahrerlaubnis führen. Um diese wiederzuerlangen, müssen Sie in aller Regel eine MPU bestehen.
MPU bei alkoholisiertem Fahrradfahren
Die medizinisch-psychologische Untersuchung, im Volksmund als "Idiotentest" bekannt, ist für viele Betroffene die schwerwiegendste Konsequenz einer Trunkenheitsfahrt. Was viele unterschätzen: Auch eine Alkoholfahrt mit dem Fahrrad kann zur Anordnung einer MPU führen. Die Fahrerlaubnisbehörden ordnen diese Begutachtung regelmäßig an, wenn bestimmte Voraussetzungen erfüllt sind.
Die MPU dient der Feststellung, ob Sie trotz des Vorfalls als geeignet angesehen werden können, ein Kraftfahrzeug zu führen. Sie müssen nachweisen, dass Sie Ihr Trinkverhalten reflektiert haben, die Ursachen für die Trunkenheitsfahrt verstanden haben und künftig zuverlässig zwischen Trinken und Fahren trennen werden. Diese Anforderungen sind unabhängig davon, ob Sie mit Auto oder Fahrrad gefahren sind.
Voraussetzungen für eine MPU-Anordnung
Die Fahrerlaubnisbehörde ordnet eine MPU regelmäßig dann an, wenn bei Ihnen ein Blutalkoholwert von 1,6 Promille oder mehr festgestellt wurde – unabhängig vom genutzten Fahrzeug. Auch bei wiederholten Alkoholverstößen im Straßenverkehr oder bei Hinweisen auf ein chronisches Alkoholproblem kann eine MPU verlangt werden.
Entscheidend ist, dass die Behörde Zweifel an Ihrer Fahreignung haben muss. Diese Zweifel können durch den hohen Promillewert, durch Vorerkenntnisse oder durch besondere Umstände der Tat begründet werden. Die Anordnung erfolgt unabhängig von einer strafrechtlichen Verurteilung – sie ist eine verwaltungsrechtliche Maßnahme zur Überprüfung der Fahreignung.
Ablauf und Vorbereitung der MPU
Die MPU besteht aus mehreren Teilen: einer medizinischen Untersuchung, einem Leistungstest und einem psychologischen Gespräch. Im psychologischen Teil müssen Sie überzeugend darlegen, dass Sie Ihr Verhalten reflektiert haben und künftig keine Gefahr mehr für den Straßenverkehr darstellen. Die Gutachter sind geschult darin, oberflächliche oder unglaubwürdige Aussagen zu erkennen.
Eine gründliche Vorbereitung auf die MPU ist unerlässlich. Viele Betroffene unterschätzen den Aufwand und fallen bei der ersten Untersuchung durch. Eine Vorbereitung sollte eine ehrliche Auseinandersetzung mit dem eigenen Trinkverhalten beinhalten, gegebenenfalls den Nachweis einer Alkoholabstinenz über einen längeren Zeitraum und das Verstehen der Mechanismen, die zur Trunkenheitsfahrt geführt haben.
Praxis-Tipp: MPU-Vorbereitung ernst nehmen
Beginnen Sie mit der MPU-Vorbereitung frühzeitig – idealerweise unmittelbar nach dem Vorfall. Dokumentieren Sie Ihre Abstinenz durch regelmäßige Leberwertkontrollen oder Haaranalysen. Diese Nachweise erhöhen Ihre Chancen, die MPU zu bestehen, erheblich. Eine professionelle Vorbereitung durch erfahrene Verkehrspsychologen kann die Erfolgsaussichten deutlich verbessern.
Versicherungsschutz und Schadenersatz
Ein Unfall unter Alkoholeinfluss hat nicht nur strafrechtliche Konsequenzen. Auch im Bereich der Versicherung und des zivilrechtlichen Schadensersatzes drohen erhebliche finanzielle Nachteile. Viele Betroffene erleben hier böse Überraschungen, wenn sie feststellen müssen, dass ihre Versicherung die Regulierung verweigert oder Regressforderungen stellt.
Das deutsche Versicherungsrecht kennt verschiedene Mechanismen, die bei grob fahrlässigem oder vorsätzlichem Verhalten greifen. Alkoholisiertes Fahren wird regelmäßig als grob fahrlässig eingestuft, was weitreichende Auswirkungen auf den Versicherungsschutz haben kann. Die Kenntnis dieser Zusammenhänge ist für jeden Radfahrer wichtig.
Private Haftpflichtversicherung
Die private Haftpflichtversicherung deckt grundsätzlich auch Schäden ab, die Sie als Radfahrer anderen zufügen. Allerdings können Versicherer bei grob fahrlässiger Herbeiführung des Versicherungsfalls ihre Leistung kürzen. Die Kürzung richtet sich nach der Schwere des Verschuldens und kann im Extremfall bis zum vollständigen Leistungsausschluss führen.
Bei einer Alkoholisierung über 1,1 Promille gehen Gerichte regelmäßig von grober Fahrlässigkeit aus. Dies bedeutet, dass Ihre Haftpflichtversicherung zwar gegenüber dem Geschädigten leistet, aber anschließend Regress bei Ihnen nehmen kann. Sie müssen dann die von der Versicherung gezahlten Beträge ganz oder teilweise zurückerstatten.
Unfall- und Krankenversicherung
Auch bei Eigenschäden kann der Versicherungsschutz eingeschränkt sein. Private Unfallversicherungen schließen in ihren Bedingungen häufig Unfälle aus, die unter erheblichem Alkoholeinfluss verursacht wurden. Die genauen Grenzen variieren je nach Versicherer und Tarif. Ein Blick in die Versicherungsbedingungen lohnt sich.
Die gesetzliche Krankenversicherung darf ihre Leistungen nicht verweigern, auch wenn der Unfall selbstverschuldet war. Allerdings kann die Krankenkasse bei einem Verschulden Dritter Regressansprüche gegen den Verursacher geltend machen. Waren Sie selbst der alkoholisierte Verursacher, können Sie mit Regressforderungen der Krankenkasse des Verletzten konfrontiert werden.
Beispiel: Versicherungsfolgen eines Fahrradunfalls
Frau K. fuhr mit 1,4 Promille vom Biergarten nach Hause und kollidierte dabei mit einem geparkten Fahrzeug. Der Schaden am fremden PKW betrug mehrere tausend Euro. Ihre Haftpflichtversicherung regulierte den Schaden gegenüber dem Fahrzeughalter, nahm aber anschließend Regress bei Frau K. Wegen grober Fahrlässigkeit musste sie den gesamten Betrag an ihre eigene Versicherung zurückzahlen.
Strafverfahren und Verteidigungsstrategien
Wenn gegen Sie ein Ermittlungsverfahren wegen Trunkenheit im Verkehr eingeleitet wird, beginnt ein komplexer rechtlicher Prozess. Das Verfahren durchläuft verschiedene Stadien, in denen jeweils unterschiedliche Handlungsmöglichkeiten bestehen. Die Kenntnis des Verfahrensablaufs ist essentiell, um Ihre Rechte effektiv wahrzunehmen.
Das Strafverfahren bietet an verschiedenen Stellen Ansatzpunkte für eine Verteidigung. Von der Überprüfung der Beweismittel über Verfahrensfehler bis hin zur Strafzumessung gibt es zahlreiche Aspekte, die das Ergebnis beeinflussen können. Eine passive Haltung ist in den meisten Fällen nicht ratsam.
Ablauf des Ermittlungsverfahrens
Nach der Kontrolle erstellt die Polizei eine Anzeige, die an die Staatsanwaltschaft weitergeleitet wird. Diese prüft, ob ein hinreichender Tatverdacht besteht und ob öffentliches Interesse an der Strafverfolgung besteht. Bei Trunkenheitsfahrten wird dies regelmäßig bejaht. Sie erhalten dann eine Vorladung oder werden schriftlich als Beschuldigter belehrt.
Im Ermittlungsverfahren haben Sie das Recht zu schweigen. Von diesem Recht sollten Sie Gebrauch machen, bis Sie die Aktenlage kennen. Eine vorschnelle Aussage kann Ihre Verteidigungsmöglichkeiten erheblich einschränken. Beantragen Sie Akteneinsicht, um die gegen Sie vorliegenden Beweismittel zu kennen.
Strafbefehl und Einspruch
In vielen Fällen wird bei einer Trunkenheitsfahrt ein Strafbefehl erlassen. Dies ist ein schriftlicher Strafvorschlag des Gerichts, der ohne mündliche Verhandlung ergeht. Gegen den Strafbefehl können Sie innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung Einspruch einlegen. Die Frist ist strikt – wird sie versäumt, wird der Strafbefehl rechtskräftig.
Der Einspruch führt zu einer Hauptverhandlung vor dem Strafgericht. Dies bietet Chancen, aber auch Risiken. Das Gericht ist bei der Hauptverhandlung nicht an die im Strafbefehl festgesetzte Strafe gebunden – es kann milder, aber auch strenger urteilen. Die Entscheidung für oder gegen einen Einspruch sollte daher sorgfältig abgewogen werden.
Checkliste: Nach Erhalt eines Strafbefehls
- Notieren Sie das Zustelldatum – die Zweiwochenfrist beginnt am Folgetag
- Beantragen Sie umgehend Akteneinsicht bei der Staatsanwaltschaft
- Prüfen Sie die Beweismittel auf Verwertbarkeit und Vollständigkeit
- Überprüfen Sie das Messprotokoll auf Fehler bei der Blutentnahme
- Entscheiden Sie innerhalb der Frist, ob Einspruch sinnvoll ist
- Ein Einspruch kann auch auf das Strafmaß beschränkt werden
Besondere Fälle und Jugendstrafrecht
Nicht alle Fälle von alkoholisiertem Radfahren sind gleich gelagert. Das Gesetz sieht für bestimmte Personengruppen besondere Regelungen vor, die sowohl strenger als auch milder ausfallen können. Insbesondere junge Menschen und Fahranfänger unterliegen speziellen Vorschriften, die bei der rechtlichen Bewertung zu berücksichtigen sind.
Auch besondere Tatumstände können die rechtliche Bewertung beeinflussen. Von der Trunkenheitsfahrt auf einem E-Bike über den Unfall mit Personenschaden bis hin zur Wiederholungstat reicht das Spektrum der Konstellationen, die einer differenzierten Betrachtung bedürfen.
Jugendliche und Heranwachsende
Für Jugendliche zwischen 14 und 17 Jahren gilt das Jugendstrafrecht. Hier steht der Erziehungsgedanke im Vordergrund, nicht die Bestrafung. Die Sanktionen unterscheiden sich grundlegend von denen des Erwachsenenstrafrechts. Möglich sind Erziehungsmaßregeln, Zuchtmittel wie Verwarnungen oder Auflagen, aber auch Jugendstrafe in schweren Fällen.
Bei Heranwachsenden zwischen 18 und 20 Jahren prüft das Gericht, ob nach Jugend- oder Erwachsenenstrafrecht zu verfahren ist. Entscheidend ist die Reife des Täters und die Art der Tat. Eine jugendtypische Verfehlung – etwa die Mutprobe nach einer Party – kann zur Anwendung des milderen Jugendstrafrechts führen.
E-Bikes und Pedelecs
Bei E-Bikes und Pedelecs ist die rechtliche Einordnung differenziert zu betrachten. Normale Pedelecs mit Tretunterstützung bis 25 km/h gelten als Fahrräder – hier gilt die 1,6-Promille-Grenze für absolute Fahruntüchtigkeit. Anders sieht es bei S-Pedelecs und E-Bikes mit höherer Leistung aus, die als Kraftfahrzeuge eingestuft werden.
Für diese schnelleren Elektrofahrzeuge gelten die strengeren Promillegrenzen für Kraftfahrer. Bereits ab 0,5 Promille liegt eine Ordnungswidrigkeit vor, ab 1,1 Promille die absolute Fahruntüchtigkeit. Die Unterscheidung ist in der Praxis oft nicht bekannt und führt zu bösen Überraschungen, wenn Betroffene davon ausgingen, mit dem "Fahrrad" unterwegs gewesen zu sein.
Praxis-Tipp: E-Bike richtig einordnen
Prüfen Sie vor der Fahrt, in welche Kategorie Ihr Elektrofahrrad fällt. Entscheidend sind die maximale Motorleistung und die Höchstgeschwindigkeit mit Motorunterstützung. Pedelecs bis 250 Watt und 25 km/h gelten als Fahrräder, alles darüber als Kraftfahrzeug. Im Zweifel sollten Sie von der strengeren Einordnung ausgehen – die Konsequenzen einer falschen Einschätzung können erheblich sein.
Unfall mit Personenschaden
Kommt es bei einer Trunkenheitsfahrt zu einem Unfall mit Verletzten, verschärft sich die rechtliche Situation erheblich. Neben der Trunkenheit im Verkehr kommen dann weitere Straftatbestände in Betracht: fahrlässige Körperverletzung nach § 229 StGB, bei schweren Verletzungen möglicherweise sogar gefährliche Körperverletzung. Im schlimmsten Fall – bei Todesfolge – droht eine Verurteilung wegen fahrlässiger Tötung.
Die Alkoholisierung wirkt sich dabei strafschärfend aus. Sie begründet häufig den Vorwurf der Rücksichtslosigkeit oder der groben Fahrlässigkeit. Auch die zivilrechtlichen Konsequenzen sind bei Personenschäden erheblich. Schmerzensgeld, Behandlungskosten, Verdienstausfall und mögliche Rentenzahlungen können sich zu beträchtlichen Summen addieren, für die Sie als Verursacher haften.
Die rechtlichen Folgen einer alkoholisierten Fahrradfahrt sind weitreichender, als die meisten Menschen vermuten. Von der Geldstrafe über den Führerscheinentzug bis zur MPU, von Versicherungsproblemen bis zu zivilrechtlichen Schadensersatzforderungen – die Konsequenzen können das gesamte Leben nachhaltig beeinflussen. Wer nach Alkoholkonsum das Fahrrad stehen lässt, schützt nicht nur sich und andere, sondern auch seine finanzielle und berufliche Zukunft.
