Über 170.000 Cannabis-Verstöße wurden allein 2023 in Deutschland polizeilich erfasst. Jahr für Jahr ähnlich hohe Zahlen. Die Strafen des Betäubungsmittelgesetzes zeigten wenig abschreckende Wirkung.
Nach jahrzehntelanger Diskussion trat am 1. April 2024 das neue Cannabisgesetz in Kraft. Cannabis ist nun nicht mehr Teil des Betäubungsmittelgesetzes und gilt nicht mehr als illegales Rauschmittel wie Heroin oder Kokain.
In diesem Beitrag erfahren Sie, was genau sich geändert hat, welche Mengen erlaubt sind und was mit laufenden Verfahren geschieht.
Das neue Cannabis-Gesetz
Das Cannabisgesetz verfolgt mehrere Ziele:
Ziele des Cannabisgesetzes:
- Schwarzmarkt reduzieren: Legaler Zugang soll illegalen Handel eindämmen
- Gesundheitsschutz: Sichere Produktqualität statt verunreinigte Straßenware
- Entlastung der Justiz: Weniger Verfahren wegen geringer Mengen
- Schutz Minderjähriger: Besondere Regelungen für Kinder und Jugendliche
Bisherige Rechtslage in Deutschland
Bis zum 31. März 2024 galt Cannabis als illegales Rauschmittel nach dem Betäubungsmittelgesetz. Besitz, Anbau und Handel waren grundsätzlich strafbar.
Die "geringe Menge": In einigen Fällen wurde von einer Strafverfolgung abgesehen, wenn die Menge für den Eigengebrauch bestimmt und als "gering" einzustufen war. Diese Richtwerte variierten stark je nach Bundesland:
| Bundesland | Geringe Menge (ca.) |
|---|---|
| Bayern, Sachsen | Bis 6 Gramm |
| Meiste Bundesländer | Bis 6-10 Gramm |
| Berlin, Bremen | Bis 15 Gramm im Einzelfall |
Trotz dieser Regelungen blieb Cannabis illegal - es gab lediglich ein Ermessen zur Einstellung von Verfahren.
Aktuelle Rechtslage: Teilweise Cannabis-Legalisierung
Das Cannabisgesetz bringt eine kontrollierte Legalisierung - nicht vollständig, aber mit klaren Regeln. Die Änderungen erfolgten in zwei Stufen.
Änderungen ab dem 1. April 2024
Seit dem 1. April 2024 gelten folgende Regelungen für Erwachsene:
Was ist erlaubt?
- 25 Gramm Cannabis in der Öffentlichkeit bei sich führen
- 50 Gramm Cannabis zu Hause aufbewahren
- 3 Cannabispflanzen zu Hause zum Eigenanbau
Achtung bei Überschreitung!
Bis 5 Gramm über der Grenze unterwegs (also bis 30g): Ordnungswidrigkeit → Bußgeld
Bis 10 Gramm über der Grenze zu Hause (also bis 60g): Ordnungswidrigkeit → Bußgeld
Mehr als diese Mengen: Straftat → Freiheitsstrafe oder Geldstrafe
Wichtig: Die Höhe der Bußgelder variiert stark nach Bundesland! In Bayern drohen besonders hohe Bußgelder von bis zu 30.000 Euro, während andere Bundesländer moderater sind.
Änderungen ab dem 1. Juli 2024
Seit dem 1. Juli 2024 sind Cannabis Social Clubs (Anbauvereinigungen) zugelassen:
Cannabis Social Clubs - Die wichtigsten Regeln:
- Nicht-gewerbliche Anbauvereinigungen
- Bis zu 500 Mitglieder pro Club
- Gemeinschaftlicher Cannabis-Anbau
- Abgabe an Mitglieder: Maximal 50 Gramm pro Monat
- Kein freier Verkauf - Finanzierung durch Mitgliedsbeiträge
- Strenge behördliche Kontrollen
Cannabis Social Clubs bieten eine Alternative für alle, die keinen eigenen Anbau betreiben können oder möchten. Die Clubs unterliegen strengen Auflagen und werden regelmäßig kontrolliert.
Besonderer Schutz von Minderjährigen
Der Jugendschutz wird im Cannabisgesetz besonders streng geregelt:
Verschärfung der Strafen
Weitere Schutzmaßnahmen:
- Konsumverbot in Schulen, Kitas, Spielplätzen und deren Umgebung
- Konsumverbot an Orten, wo sich typischerweise Kinder aufhalten
- Mitgliedschaft in Anbauvereinigungen erst ab 18 Jahren
- Besondere Regelungen für junge Erwachsene beim Autofahren
Autofahren unter Cannabis-Einfluss: Neue Grenzwerte
Das Cannabisgesetz bringt wichtige Änderungen für den Straßenverkehr:
| Personengruppe | Alter THC-Grenzwert | Neuer Grenzwert |
|---|---|---|
| Erwachsene (ab 21) | 1,0 ng/ml | 3,5 ng/ml |
| Unter 21 Jahren | 1,0 ng/ml | 1,0 ng/ml (unverändert) |
| Fahranfänger (Probezeit) | 1,0 ng/ml | 1,0 ng/ml (unverändert) |
Zum Vergleich: Der neue Grenzwert von 3,5 ng/ml THC entspricht etwa einem Alkoholgehalt von 0,2 Promille.
Weitere Informationen zum Autofahren mit Cannabis finden Sie in unserem ausführlichen Artikel "Mit Cannabis auf Rezept Auto fahren".
Laufende Cannabis-Verfahren und Amnestie-Regelung
Für Betroffene mit laufenden oder abgeschlossenen Cannabis-Verfahren gibt es gute Nachrichten:
Günstigkeitsprinzip im Strafrecht
Im deutschen Strafrecht gilt: Nach einer Gesetzesänderung wird immer die für den Betroffenen günstigere Regelung angewendet - auch rückwirkend!
Das bedeutet: Handlungen, die nach der neuen Gesetzeslage nicht mehr strafbar sind, werden nicht mehr bestraft - egal ob das Verfahren noch läuft oder bereits abgeschlossen ist.
Laufende Verfahren
Beispiel: Sie wurden mit 15 Gramm Cannabis erwischt und ein Verfahren läuft. Nach alter Rechtslage war dies strafbar. Nach neuer Rechtslage ist der Besitz von bis zu 25 Gramm erlaubt.
Ergebnis: Das Verfahren wird eingestellt - ohne Strafe, ohne Eintrag im Bundeszentralregister!
Abgeschlossene Verfahren - Löschung aus dem Bundeszentralregister
Wurden Sie bereits verurteilt wegen Besitz oder Anbau von Cannabis in Mengen, die jetzt legal sind? Dann können Sie die Löschung des Eintrags aus dem Bundeszentralregister beantragen.
So beantragen Sie die Löschung:
- Antrag stellen: Bei der zuständigen Staatsanwaltschaft
- Prüfung: Staatsanwaltschaft prüft, ob Tat nach neuer Rechtslage legal ist
- Mitteilung: Bei Erfolg informiert Staatsanwaltschaft die Registerbehörde
- Löschung: Registerbehörde veranlasst die Löschung
- Empfehlung: Fachanwalt einschalten für erfolgreichen Antrag
Warum ist die Löschung wichtig? Ein Eintrag im Bundeszentralregister kann sich massiv auf Ihre berufliche Zukunft auswirken - bei Bewerbungen, Beförderungen oder behördlichen Genehmigungen.
Wichtige Ausnahmen
Das Günstigkeitsprinzip gilt nicht umgekehrt: Würde eine neue Gesetzeslage zu höheren Strafen führen, bleibt es bei der milderen alten Regelung zum Tatzeitpunkt.
