Was ist eine fristlose Kündigung und wann ist sie zulässig?
Der Brief vom Vermieter liegt auf dem Tisch. Fristlose Kündigung. Sofortige Räumung. Der Schock sitzt tief, denn plötzlich steht die gesamte Wohnsituation auf dem Spiel. Doch bevor Panik ausbricht, sollten Sie wissen: Nicht jede fristlose Kündigung ist auch rechtmäßig. Tatsächlich scheitern viele dieser Kündigungen vor Gericht, weil Vermieter formale Fehler machen oder die rechtlichen Voraussetzungen schlicht nicht erfüllt sind.
Die fristlose Kündigung – juristisch auch außerordentliche Kündigung genannt – stellt das schärfste Schwert des Vermieters dar. Anders als bei der ordentlichen Kündigung, die je nach Mietdauer drei bis neun Monate Kündigungsfrist vorsieht, endet das Mietverhältnis bei einer wirksamen fristlosen Kündigung sofort. Der Mieter muss die Wohnung unverzüglich räumen. Diese drastische Konsequenz erklärt, warum der Gesetzgeber hohe Hürden für deren Wirksamkeit aufgestellt hat.
Rechtliche Grundlagen der außerordentlichen Kündigung
Die gesetzliche Basis für fristlose Kündigungen findet sich in § 543 BGB. Demnach kann ein Mietverhältnis aus wichtigem Grund außerordentlich fristlos gekündigt werden. Ein solcher wichtiger Grund liegt vor, wenn dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die Fortsetzung des Mietverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann. Diese abstrakte Formulierung bedeutet in der Praxis: Es muss schon einiges passiert sein, damit eine fristlose Kündigung gerechtfertigt ist.
Zusätzlich konkretisiert § 569 BGB spezifische Kündigungsgründe für Wohnraummietverhältnisse. Der Gesetzgeber wollte damit sicherstellen, dass Mieter nicht willkürlich aus ihrer Wohnung geworfen werden können. Die Wohnung genießt als Lebensmittelpunkt besonderen verfassungsrechtlichen Schutz nach Artikel 13 Grundgesetz.
Voraussetzungen für die Wirksamkeit
Damit eine fristlose Kündigung wirksam ist, müssen mehrere Voraussetzungen kumulativ erfüllt sein. Zunächst muss ein wichtiger Grund vorliegen, der die Fortsetzung des Mietverhältnisses unzumutbar macht. Dieser Grund muss im Kündigungsschreiben konkret benannt werden – pauschale Verweise genügen nicht. Die Kündigung muss schriftlich erfolgen und vom Vermieter oder dessen bevollmächtigtem Vertreter unterschrieben sein.
In den meisten Fällen ist zudem eine vorherige Abmahnung erforderlich. Diese soll dem Mieter die Gelegenheit geben, sein Verhalten zu ändern und die Vertragsverletzung zu beenden. Nur bei besonders schwerwiegenden Pflichtverletzungen, wie erheblichen Mietrückständen, kann die Abmahnung entbehrlich sein. Die Interessenabwägung muss eindeutig zugunsten des Vermieters ausfallen.
Praxis-Tipp: Kündigungsschreiben sofort prüfen
Prüfen Sie das Kündigungsschreiben unmittelbar nach Erhalt auf folgende Punkte: Ist ein konkreter Kündigungsgrund genannt? Liegt eine Unterschrift vor? Wurde zuvor abgemahnt? Notieren Sie das Eingangsdatum – ab diesem Tag laufen wichtige Fristen. Bewahren Sie den Briefumschlag mit Poststempel als Beweismittel auf.
Die häufigsten Gründe für fristlose Kündigungen
In der mietrechtlichen Praxis kristallisieren sich bestimmte Konstellationen heraus, die regelmäßig zu fristlosen Kündigungen führen. Die Kenntnis dieser typischen Kündigungsgründe hilft Ihnen einzuschätzen, ob die gegen Sie ausgesprochene Kündigung überhaupt auf einem tragfähigen rechtlichen Fundament steht oder ob der Vermieter möglicherweise überreagiert hat.
Mietrückstand als häufigster Kündigungsgrund
Der Zahlungsverzug bei der Miete stellt den mit Abstand häufigsten Grund für fristlose Kündigungen dar. Nach § 543 Abs. 2 Nr. 3 BGB ist eine fristlose Kündigung zulässig, wenn der Mieter für zwei aufeinanderfolgende Termine mit der Entrichtung der Miete oder eines nicht unerheblichen Teils der Miete in Verzug ist. Alternativ genügt es, wenn sich der Rückstand über einen längeren Zeitraum auf einen Betrag summiert, der zwei Monatsmieten entspricht.
Wichtig zu wissen: Eine Monatsmiete gilt als nicht unerheblich, wenn der Rückstand mehr als eine Monatsmiete beträgt. Bei geringfügigen Rückständen unter einer Monatsmiete ist die fristlose Kündigung in der Regel nicht gerechtfertigt. Zudem kann die Kündigung durch vollständige Nachzahlung der Mietschulden innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung der Räumungsklage geheilt werden – ein wichtiges Rettungsnetz für Mieter in Zahlungsschwierigkeiten.
Störung des Hausfriedens und der Nachbarn
Wiederholte und erhebliche Störungen des Hausfriedens können ebenfalls eine fristlose Kündigung rechtfertigen. Hierunter fallen etwa nächtlicher Lärm, Beleidigungen gegenüber anderen Mietern oder dem Vermieter, Bedrohungen oder tätliche Auseinandersetzungen. Entscheidend ist dabei die Erheblichkeit und Nachhaltigkeit der Störung. Ein einmaliger lauter Streit reicht nicht aus – es bedarf eines Musters von Verhaltensweisen, die das Zusammenleben im Haus unzumutbar machen.
Der Vermieter muss in diesen Fällen die Störungen konkret dokumentieren und in der Regel zunächst abmahnen. Beschwerden anderer Mieter sollten schriftlich festgehalten sein. Als betroffener Mieter haben Sie das Recht, die Vorwürfe zu bestreiten und Gegendarstellungen zu liefern. Häufig stehen Aussage gegen Aussage, was die Durchsetzung einer fristlosen Kündigung für den Vermieter erschwert.
Beispiel: Unwirksame Kündigung wegen Ruhestörung
Ein Vermieter kündigte einem Mieter fristlos wegen angeblicher nächtlicher Ruhestörungen. Als Beweis dienten lediglich zwei Beschwerden von Nachbarn innerhalb eines Jahres. Das Gericht erklärte die Kündigung für unwirksam, da weder die Intensität noch die Häufigkeit der Störungen ausreichten. Zudem hatte der Vermieter keine Abmahnung ausgesprochen. Der Mieter konnte in der Wohnung bleiben.
Vertragswidrige Nutzung und Untervermietung
Die unerlaubte Untervermietung oder eine vertragswidrige Nutzung der Wohnung kann zur fristlosen Kündigung berechtigen. Typische Fälle sind die Aufnahme von Untermietern ohne Genehmigung, die gewerbliche Nutzung einer Wohnung oder die Überlassung an Dritte. Auch hier ist grundsätzlich eine vorherige Abmahnung erforderlich, die dem Mieter die Möglichkeit gibt, den vertragswidrigen Zustand zu beenden.
Allerdings haben Mieter in bestimmten Konstellationen einen Anspruch auf Erteilung der Untervermietungserlaubnis, etwa wenn ein berechtigtes Interesse besteht und der Vermieter keine Einwände erheben kann. Verweigert der Vermieter in solchen Fällen grundlos die Erlaubnis, kann eine darauf gestützte Kündigung unwirksam sein.
Beschädigung der Mietsache
Erhebliche Beschädigungen der Wohnung oder des Gebäudes durch den Mieter rechtfertigen eine fristlose Kündigung, wenn sie vorsätzlich oder grob fahrlässig verursacht wurden. Kleinere Gebrauchsspuren und normale Abnutzung fallen selbstverständlich nicht darunter. Es muss sich um substanzielle Schäden handeln, die den Wert der Immobilie nachhaltig beeinträchtigen.
Auch hier ist eine Abmahnung in der Regel erforderlich, es sei denn, der Schaden ist so gravierend, dass eine Abmahnung als bloße Förmelei erschiene. Der Vermieter muss den Schaden und dessen Verursachung durch den Mieter beweisen können. Gutachten und Fotodokumentation spielen dabei eine wichtige Rolle.
Formvorschriften und Fristen bei fristlosen Kündigungen
Die fristlose Kündigung ist an strenge Formvorschriften gebunden. Verstöße gegen diese Vorschriften führen zur Unwirksamkeit der Kündigung – unabhängig davon, ob ein Kündigungsgrund tatsächlich vorliegt. Als Mieter sollten Sie jede Kündigung daher zunächst auf formale Fehler überprüfen, bevor Sie sich mit den inhaltlichen Vorwürfen auseinandersetzen.
Das zwingende Schriftformerfordernis
Nach § 568 Abs. 1 BGB bedarf die Kündigung eines Mietverhältnisses über Wohnraum der schriftlichen Form. Dies bedeutet, dass die Kündigungserklärung eigenhändig vom Vermieter oder seinem Bevollmächtigten unterschrieben sein muss. Eine Kündigung per E-Mail, SMS, WhatsApp oder mündlich ist unwirksam – selbst wenn der Kündigungsgrund noch so berechtigt wäre.
Bei mehreren Vermietern müssen grundsätzlich alle unterschreiben. Handelt ein Bevollmächtigter, muss dem Kündigungsschreiben eine Originalvollmacht beigefügt sein, andernfalls kann der Mieter die Kündigung unverzüglich zurückweisen. Diese Zurückweisung muss ebenfalls unverzüglich erfolgen – warten Sie hier nicht zu lange.
Begründungspflicht und Kündigungsinhalt
Das Kündigungsschreiben muss den Kündigungsgrund konkret benennen. Pauschale Formulierungen wie "wegen Vertragsverletzung" oder "wegen Ihres Verhaltens" genügen nicht. Der Vermieter muss konkret darlegen, welches Verhalten des Mieters wann zu welchen Beeinträchtigungen geführt hat. Bei Mietrückständen muss die genaue Höhe des Rückstands und der Zeitraum angegeben werden.
Fehlt eine ausreichende Begründung, ist die Kündigung formell unwirksam. Der Vermieter kann die Begründung zwar im späteren Prozess ergänzen, doch gibt Ihnen ein formell fehlerhaftes Kündigungsschreiben wertvolle Zeit und eine bessere Verhandlungsposition.
Checkliste: Formelle Prüfung der Kündigung
- Liegt die Kündigung in Schriftform mit Originalunterschrift vor?
- Haben alle Vermieter unterschrieben oder liegt eine Vollmacht bei?
- Ist ein konkreter Kündigungsgrund genannt und begründet?
- Wurde bei abmahnungspflichtigen Gründen zuvor abgemahnt?
- Ist das Datum des Kündigungsschreibens vermerkt?
- Enthält die Kündigung eine Aufforderung zur Räumung?
Wichtige Fristen für Ihre Reaktion
Eine gesetzliche Widerspruchsfrist gegen fristlose Kündigungen existiert nicht. Dennoch sollten Sie schnell handeln. Je länger Sie untätig bleiben, desto schwieriger wird Ihre Position. Der Vermieter kann nach Ausspruch der Kündigung unmittelbar Räumungsklage erheben. Zwischen Kündigung und Räumungsurteil vergehen zwar in der Regel mehrere Monate, doch diese Zeit sollten Sie aktiv nutzen.
Besonders relevant ist die Schonfrist bei Mietrückständen: Zahlen Sie die ausstehenden Beträge innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung der Räumungsklage vollständig nach, wird die fristlose Kündigung unwirksam. Diese Heilungsmöglichkeit besteht allerdings nur einmal innerhalb von zwei Jahren und greift nicht, wenn zusätzlich ordentlich gekündigt wurde.
So legen Sie Widerspruch gegen die Kündigung ein
Der Erhalt einer fristlosen Kündigung bedeutet nicht, dass Sie sofort ausziehen müssen. Im Gegenteil: Solange kein rechtskräftiges Räumungsurteil vorliegt, haben Sie das Recht, in Ihrer Wohnung zu bleiben. Ein strukturiertes Vorgehen gegen die Kündigung erhöht Ihre Chancen, das Mietverhältnis zu retten oder zumindest Zeit für die Wohnungssuche zu gewinnen.
Das Widerspruchsschreiben verfassen
Obwohl kein formeller Widerspruch vorgeschrieben ist, sollten Sie der Kündigung schriftlich widersprechen. Dieses Schreiben dokumentiert Ihren Standpunkt und kann im späteren Verfahren wichtig werden. Formulieren Sie klar, dass Sie die Kündigung für unwirksam halten und nicht beabsichtigen, die Wohnung zu räumen. Begründen Sie kurz, warum Sie die Kündigung für unberechtigt halten.
Senden Sie den Widerspruch per Einschreiben mit Rückschein oder übergeben Sie ihn persönlich gegen Quittung. So können Sie den Zugang beim Vermieter nachweisen. Bewahren Sie eine Kopie für Ihre Unterlagen auf. Eine Frist für den Widerspruch gibt es nicht, aber je schneller Sie reagieren, desto besser.
Praxis-Tipp: Widerspruch richtig formulieren
Ihr Widerspruch sollte folgende Elemente enthalten: Ihr Name und Adresse, das Datum, eine eindeutige Bezugnahme auf das Kündigungsschreiben mit Datum, die klare Aussage "Hiermit widerspreche ich der fristlosen Kündigung vom [Datum]", eine kurze Begründung Ihres Widerspruchs sowie die Aufforderung, von weiteren Maßnahmen abzusehen. Halten Sie den Text sachlich und vermeiden Sie emotionale Ausbrüche.
Die Sozialklausel als Schutzinstrument
Bei ordentlichen Kündigungen können Mieter gemäß § 574 BGB der Kündigung widersprechen, wenn die Beendigung des Mietverhältnisses eine unzumutbare Härte darstellen würde. Diese Sozialklausel greift bei fristlosen Kündigungen wegen erheblicher Pflichtverletzungen grundsätzlich nicht. Allerdings kann sie relevant werden, wenn der Vermieter hilfsweise auch ordentlich gekündigt hat.
Härtefälle können vorliegen bei Schwangerschaft, hohem Alter mit Verwurzelung in der Umgebung, schwerer Krankheit, bevorstehenden Prüfungen bei Studierenden oder wenn keine Ersatzwohnung gefunden werden kann. Diese Umstände müssen Sie darlegen und nachweisen. Ein ärztliches Attest oder ähnliche Dokumente sollten Sie frühzeitig besorgen.
Gerichtliches Vorgehen - Räumungsklage abwehren
Bleibt der Mieter trotz Kündigung in der Wohnung, muss der Vermieter den Rechtsweg beschreiten. Eine eigenmächtige Räumung durch den Vermieter – etwa durch Austauschen der Schlösser oder Entfernen der Möbel – ist verboten und strafbar. Der Vermieter muss Räumungsklage beim zuständigen Amtsgericht erheben und ein Räumungsurteil erwirken.
Ablauf des Räumungsklageverfahrens
Nach Einreichung der Räumungsklage stellt das Gericht Ihnen die Klageschrift zu. Sie erhalten eine Frist zur Stellungnahme, die Sie unbedingt einhalten müssen. In Ihrer Klageerwiderung können Sie alle Einwände gegen die Kündigung vorbringen: formelle Mängel, fehlende Abmahnung, Bestreiten der Kündigungsgründe oder Härteeinwände.
Das Gericht bestimmt einen Verhandlungstermin, in dem beide Seiten ihre Positionen darlegen. Räumungsverfahren werden als dringlich eingestuft und vorrangig bearbeitet, dennoch dauert ein solches Verfahren in der ersten Instanz mehrere Monate. In dieser Zeit dürfen Sie in der Wohnung bleiben. Wird die Klage abgewiesen, behalten Sie Ihre Wohnung – wird ihr stattgegeben, erhalten Sie eine Räumungsfrist.
Erfolgreiche Verteidigungsstrategien
Ihre Verteidigung sollte auf mehreren Ebenen ansetzen. Zunächst prüfen Sie die formelle Wirksamkeit der Kündigung: Schriftform, Unterschrift, Begründung, Vollmacht. Dann hinterfragen Sie die materiellen Kündigungsvoraussetzungen: Liegt überhaupt ein wichtiger Grund vor? War eine Abmahnung erforderlich und wurde sie erteilt? Ist die Fortsetzung des Mietverhältnisses wirklich unzumutbar?
Bestreiten Sie Tatsachenbehauptungen des Vermieters, soweit Sie diese widerlegen können. Legen Sie Beweise für Ihre Version der Ereignisse vor. Bei Mietrückständen können Sie die Schonfristzahlung nutzen oder Ratenzahlungen anbieten. Machen Sie Härtegründe geltend, die gegen eine Räumung sprechen. Je mehr Angriffspunkte Sie finden, desto besser stehen Ihre Chancen.
Beispiel: Erfolgreiche Abwehr einer Räumungsklage
Eine Mieterin erhielt eine fristlose Kündigung wegen angeblicher Mietrückstände. Im Gerichtsverfahren konnte sie nachweisen, dass sie die Miete stets pünktlich überwiesen hatte – der Vermieter hatte lediglich das falsche Konto geprüft. Zusätzlich war die Kündigung von nur einem von zwei Vermietern unterschrieben worden. Das Gericht wies die Räumungsklage ab, die Mieterin behielt ihre Wohnung.
Berufung und weitere Rechtsmittel
Gegen ein Räumungsurteil des Amtsgerichts können Sie Berufung beim Landgericht einlegen. Die Berufungsfrist beträgt einen Monat nach Zustellung des vollständigen Urteils. Die Berufung muss begründet werden und aufzeigen, welche Rechtsfehler das erstinstanzliche Gericht begangen hat oder welche neuen Tatsachen vorliegen.
Die Berufung hat grundsätzlich keine aufschiebende Wirkung – der Vermieter kann aus dem erstinstanzlichen Urteil vollstrecken. Sie können jedoch einen Antrag auf Einstellung der Zwangsvollstreckung stellen, wenn die Vollstreckung eine unbillige Härte bedeuten würde und die Berufung Aussicht auf Erfolg hat. Diese Entscheidung trifft das Berufungsgericht.
Besonderer Mieterschutz in Sonderfällen
Das deutsche Mietrecht kennt besondere Schutzvorschriften für bestimmte Mietergruppen und Situationen. Diese können dazu führen, dass eine fristlose Kündigung unwirksam ist oder ihre Durchsetzung erheblich erschwert wird. Prüfen Sie, ob einer dieser Sonderfälle auf Ihre Situation zutrifft.
Schutz bei Schwangerschaft und Familie
Schwangere und Familien mit Kindern genießen einen erhöhten Schutz. Eine Räumung kann eine unzumutbare Härte darstellen, wenn sie die Gesundheit der Schwangeren oder die Entwicklung der Kinder gefährdet. Gerichte berücksichtigen bei der Interessenabwägung das Kindeswohl und die besonderen Bedürfnisse von Familien besonders stark.
Legen Sie bei Schwangerschaft ein ärztliches Attest vor, das die Schwangerschaft bestätigt und gegebenenfalls medizinische Bedenken gegen einen Umzug darlegt. Bei Familien können Sie auf die Verwurzelung der Kinder in Schule und sozialem Umfeld hinweisen. Allerdings schützt auch dieser Status nicht vor jeder Kündigung – bei schwerwiegenden Pflichtverletzungen kann die Räumung dennoch durchgesetzt werden.
Alter und Krankheit als Härtegründe
Hohes Alter in Verbindung mit langer Wohndauer und Verwurzelung im Wohnumfeld kann einen Härtegrund darstellen. Ebenso können schwere Erkrankungen, die durch einen Umzug verschlimmert werden könnten, gegen eine Räumung sprechen. Psychische Erkrankungen werden von Gerichten zunehmend anerkannt, erfordern aber aussagekräftige fachärztliche Atteste.
Ein ärztliches Attest sollte konkret darlegen, welche gesundheitlichen Folgen ein erzwungener Umzug hätte. Pauschale Aussagen wie "Patient sollte nicht umziehen" genügen nicht. Der Arzt sollte eine Prognose abgeben und die Kausalität zwischen Umzug und Gesundheitsverschlechterung begründen.
Besonderheiten bei Insolvenz und Überschuldung
Befindet sich der Mieter in einem Insolvenzverfahren, gelten besondere Regeln. Die Kündigung wegen Mietrückständen, die vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstanden sind, wird erschwert. Der Insolvenzverwalter kann in den Mietvertrag eintreten oder ihn kündigen. Während des Verfahrens genießt der Mieter einen gewissen Schutz.
Auch ohne formelle Insolvenz können Sie bei Überschuldung eine Schuldnerberatung aufsuchen. Diese kann mit dem Vermieter Ratenzahlungsvereinbarungen aushandeln und so eine Kündigung abwenden. Viele Vermieter sind zu Kompromissen bereit, wenn sie sehen, dass der Mieter aktiv an einer Lösung arbeitet.
Praxis-Tipp: Härtefall dokumentieren
Sammeln Sie alle Unterlagen, die Ihren Härtefall belegen: ärztliche Atteste, Bescheinigungen über lange Wohndauer, Nachweise über Verwurzelung im Umfeld (Vereinsmitgliedschaften, Ehrenämter), Schulbescheinigungen der Kinder. Je umfassender Ihre Dokumentation, desto überzeugender Ihr Härtevortrag vor Gericht.
Schadensersatz und weitere Folgen unrechtmäßiger Kündigungen
Stellt sich heraus, dass eine fristlose Kündigung unrechtmäßig war, stehen Ihnen unter Umständen Schadensersatzansprüche gegen den Vermieter zu. Darüber hinaus kann eine unwirksame Kündigung weitere rechtliche Konsequenzen haben, die Sie kennen sollten.
Ihre Schadensersatzansprüche
Bei einer unrechtmäßigen Kündigung können Sie Ersatz aller Schäden verlangen, die Ihnen durch die Kündigung entstanden sind. Dazu gehören Kosten für die Rechtsverteidigung, Aufwendungen für eine vorsorglich gesuchte Ersatzwohnung, entgangene Nutzung der Wohnung bei einer Räumung sowie immaterielle Schäden in Extremfällen.
Haben Sie aufgrund der unwirksamen Kündigung bereits ausgezogen und eine teurere Wohnung angemietet, können Sie die Mietdifferenz als Schaden geltend machen. Umzugskosten, Maklergebühren und ähnliche Aufwendungen sind ebenfalls erstattungsfähig. Dokumentieren Sie alle Ausgaben sorgfältig und bewahren Sie Belege auf.
Anspruch auf Wiedereinzug
Wurde die Wohnung bereits geräumt und stellt sich später die Unwirksamkeit der Kündigung heraus, haben Sie grundsätzlich einen Anspruch auf Wiedereinräumung der Wohnung. Dieser Anspruch kann jedoch praktisch schwer durchzusetzen sein, insbesondere wenn der Vermieter die Wohnung bereits neu vermietet hat.
In solchen Fällen tritt an die Stelle des Wiedereinzugsanspruchs ein Schadensersatzanspruch. Sie können dann die Differenz zwischen der alten und einer vergleichbaren neuen Miete verlangen sowie alle Kosten, die mit dem erzwungenen Auszug verbunden waren.
Fortbestehende Mietzahlungspflicht
Während des Kündigungsstreits bleibt Ihre Mietzahlungspflicht bestehen. Zahlen Sie die Miete weiterhin pünktlich und vollständig, um dem Vermieter keinen weiteren Kündigungsgrund zu liefern. Bei berechtigter Mietminderung wegen Mängeln sollten Sie dies dokumentieren und den Vermieter zur Mängelbeseitigung auffordern.
Behalten Sie Mietzahlungen nicht eigenmächtig ein, um Druck auf den Vermieter auszuüben. Dies kann zu einer neuen, diesmal berechtigten Kündigung führen und Ihre Rechtsposition erheblich verschlechtern.
Prävention - Wie Sie Kündigungen von vornherein vermeiden
Die beste Strategie gegen fristlose Kündigungen ist deren Vermeidung. Mit dem richtigen Verhalten und vorausschauendem Handeln können Sie das Risiko einer außerordentlichen Kündigung erheblich reduzieren. Die folgenden Empfehlungen helfen Ihnen, ein stabiles und konfliktfreies Mietverhältnis zu führen.
Mietzahlungen sicherstellen
Richten Sie einen Dauerauftrag für die Miete ein, der rechtzeitig vor dem Fälligkeitstermin ausgeführt wird. So vermeiden Sie versehentliche Verzögerungen. Überprüfen Sie regelmäßig, ob die Zahlungen ordnungsgemäß gebucht wurden. Bei vorübergehenden finanziellen Engpässen suchen Sie umgehend das Gespräch mit dem Vermieter – die meisten Vermieter sind zu Lösungen bereit, bevor sie kündigen.
Beantragen Sie bei Bedarf Wohngeld oder andere staatliche Unterstützungsleistungen. Auch eine Mietschuldenübernahme durch das Jobcenter oder Sozialamt ist in bestimmten Fällen möglich. Warten Sie nicht, bis Rückstände auflaufen, sondern handeln Sie präventiv.
Checkliste: Kündigung vermeiden
- Dauerauftrag für pünktliche Mietzahlung einrichten
- Bei Zahlungsschwierigkeiten sofort den Vermieter kontaktieren
- Mängel schriftlich melden statt eigenmächtig die Miete zu kürzen
- Vor Untervermietung oder Umbaumaßnahmen Erlaubnis einholen
- Bei Nachbarstreitigkeiten deeskalieren und dokumentieren
- Schriftverkehr mit dem Vermieter sorgfältig aufbewahren
- Abmahnungen ernst nehmen und beanstandetes Verhalten abstellen
Kommunikation mit dem Vermieter
Eine offene und respektvolle Kommunikation mit dem Vermieter kann viele Konflikte im Vorfeld entschärfen. Melden Sie Mängel an der Wohnung zeitnah und schriftlich. Holen Sie bei geplanten Veränderungen – Untervermietung, Haustierhaltung, bauliche Maßnahmen – die erforderliche Genehmigung ein. Informieren Sie den Vermieter über längere Abwesenheiten.
Bewahren Sie den gesamten Schriftverkehr mit dem Vermieter auf. Wichtige Mitteilungen sollten Sie per Einschreiben oder zumindest per E-Mail mit Lesebestätigung versenden. So haben Sie im Streitfall Nachweise über Ihre Kommunikation und können belegen, dass Sie Ihren Pflichten nachgekommen sind.
Abmahnungen ernst nehmen
Eine Abmahnung ist ein Warnsignal, das Sie nicht ignorieren sollten. Sie zeigt, dass der Vermieter ein bestimmtes Verhalten als Vertragsverstoß ansieht und bei Wiederholung härtere Maßnahmen ergreifen wird. Prüfen Sie die Abmahnung sachlich: Ist der Vorwurf berechtigt? Können Sie Ihr Verhalten ändern?
Wenn Sie die Abmahnung für unberechtigt halten, sollten Sie schriftlich widersprechen und Ihre Sicht der Dinge darlegen. So dokumentieren Sie Ihren Standpunkt für einen möglichen späteren Rechtsstreit. Unabhängig davon sollten Sie das beanstandete Verhalten – soweit möglich – abstellen, um einer fristlosen Kündigung vorzubeugen.
Beispiel: Durch Kommunikation Kündigung verhindert
Ein Mieter geriet durch Arbeitslosigkeit in Zahlungsschwierigkeiten und konnte zwei Monatsmieten nicht zahlen. Statt abzuwarten, kontaktierte er sofort den Vermieter, erklärte die Situation und bot eine Ratenzahlungsvereinbarung an. Der Vermieter stimmte zu, der Mieter zahlte die Rückstände innerhalb von sechs Monaten ab. Eine Kündigung wurde nie ausgesprochen.
