Was ist ein gefährlicher Eingriff in den Straßenverkehr?
Ein Steinwurf von der Autobahnbrücke. Ein absichtlich umgelegtes Verkehrsschild. Öl auf der Fahrbahn. Was wie jugendlicher Leichtsinn oder böser Streich klingt, kann eine schwere Straftat sein – mit Freiheitsstrafe bis zu zehn Jahren. Der gefährliche Eingriff in den Straßenverkehr nach § 315b StGB gehört zu den gravierendsten Verkehrsstraftaten im deutschen Strafrecht und wird von Staatsanwaltschaften und Gerichten entsprechend ernst genommen.
Der Tatbestand des § 315b StGB schützt die Sicherheit des öffentlichen Straßenverkehrs. Anders als bei anderen Verkehrsdelikten geht es hier nicht um Fehlverhalten während der Teilnahme am Verkehr, sondern um Eingriffe von außen in den fließenden Verkehr. Der Gesetzgeber hat diese Norm geschaffen, weil solche Eingriffe besonders heimtückisch sind: Verkehrsteilnehmer können sich gegen plötzlich auftauchende Hindernisse oder manipulierte Verkehrseinrichtungen kaum schützen.
Die Vorschrift unterscheidet drei grundlegende Tathandlungen: das Zerstören, Beschädigen oder Beseitigen von Anlagen oder Fahrzeugen, das Bereiten von Hindernissen und einen ähnlichen, ebenso gefährlichen Eingriff. Allen gemeinsam ist, dass durch die Handlung Leib oder Leben eines anderen Menschen oder fremde Sachen von bedeutendem Wert gefährdet werden müssen. Diese konkrete Gefährdung ist das zentrale Merkmal des Tatbestands.
Das geschützte Rechtsgut und der Schutzzweck
§ 315b StGB ist ein sogenanntes konkretes Gefährdungsdelikt. Das bedeutet, dass nicht erst ein Schaden eintreten muss – bereits die Herbeiführung einer konkreten Gefahrensituation genügt für die Strafbarkeit. Geschützt wird dabei primär die Sicherheit des öffentlichen Straßenverkehrs als Institution. Daneben schützt die Norm auch individuelle Rechtsgüter wie Leben, körperliche Unversehrtheit und Eigentum der Verkehrsteilnehmer.
Der öffentliche Straßenverkehr umfasst dabei alle Verkehrsvorgänge auf öffentlichen Straßen, Wegen und Plätzen. Auch Privatgelände kann erfasst sein, wenn es tatsächlich für den allgemeinen Verkehr freigegeben ist, etwa Kundenparkplätze von Supermärkten oder Tankstellen. Entscheidend ist die faktische Öffentlichkeit, nicht die eigentumsrechtliche Zuordnung der Fläche.
Abgrenzung zum verkehrsinternen Verhalten
Ein wesentliches Merkmal des § 315b StGB ist die Anforderung eines verkehrsfremden Eingriffs. Die Norm erfasst grundsätzlich nur Handlungen, die von außen auf den Verkehr einwirken – nicht das Fehlverhalten von Verkehrsteilnehmern während ihrer Teilnahme am Verkehr. Wer also bei Rot über die Ampel fährt oder mit überhöhter Geschwindigkeit einen Unfall verursacht, begeht keinen gefährlichen Eingriff, sondern möglicherweise eine Gefährdung des Straßenverkehrs nach § 315c StGB.
Eine wichtige Ausnahme besteht jedoch bei der sogenannten Pervertierung des Verkehrsvorgangs. Wenn ein Fahrzeugführer sein Fahrzeug bewusst als Waffe oder Mittel zur Nötigung einsetzt, kann auch dieses verkehrsinterne Verhalten unter § 315b StGB fallen. Dies ist etwa der Fall, wenn jemand absichtlich auf einen Fußgänger zufährt oder sein Fahrzeug gezielt gegen ein anderes Auto lenkt. In diesen Fällen wird das Fahrzeug zweckwidrig eingesetzt – es dient nicht mehr der Fortbewegung, sondern als Tatmittel.
Welche Handlungen erfüllen den Tatbestand?
Der Gesetzgeber hat in § 315b Absatz 1 StGB drei verschiedene Tathandlungen definiert, die den gefährlichen Eingriff in den Straßenverkehr begründen können. Diese Aufzählung ist abschließend – andere Handlungen, so gefährlich sie auch sein mögen, fallen nicht unter diese Vorschrift. Die praktische Bedeutung der einzelnen Tatvarianten ist unterschiedlich, wobei das Bereiten von Hindernissen in der Rechtsprechung am häufigsten vorkommt.
Zerstören, Beschädigen oder Beseitigen von Anlagen und Fahrzeugen
Die erste Tathandlung nach § 315b Absatz 1 Nummer 1 StGB erfasst das Zerstören, Beschädigen oder Beseitigen von Anlagen oder Fahrzeugen. Unter Anlagen versteht das Gesetz alle dem Verkehr dienenden Einrichtungen wie Straßen, Brücken, Tunnel, Ampeln, Verkehrsschilder, Leitplanken oder Straßenbeleuchtung. Auch Fahrbahnmarkierungen und Verkehrsinseln fallen hierunter.
Das Zerstören bedeutet die vollständige Vernichtung oder das Unbrauchbarmachen der Anlage. Eine Beschädigung liegt vor, wenn die Substanz oder Brauchbarkeit nicht unerheblich beeinträchtigt wird. Das Beseitigen umfasst das Entfernen von Anlagen von ihrem bestimmungsgemäßen Standort – etwa das Herausreißen eines Verkehrsschildes oder das Entfernen von Warnbaken an einer Baustelle. Auch Fahrzeuge können Tatobjekt sein, wenn sie dem öffentlichen Verkehr dienen und ihre Beschädigung eine Verkehrsgefahr begründet.
Bereiten von Hindernissen
Die praktisch bedeutsamste Tathandlung ist das Bereiten von Hindernissen nach § 315b Absatz 1 Nummer 2 StGB. Ein Hindernis ist jeder Gegenstand oder Zustand, der geeignet ist, den reibungslosen Verkehrsablauf zu beeinträchtigen. Die Rechtsprechung fasst diesen Begriff weit: Steine auf der Fahrbahn, gespannte Drähte über Radwege, ausgelaufenes Öl, aber auch geparkte Fahrzeuge an unübersichtlichen Stellen können Hindernisse darstellen.
Beispiel: Steinwurf von der Autobahnbrücke
Jugendliche werfen nachts Steine von einer Autobahnbrücke auf die Fahrbahn. Ein Stein durchschlägt die Windschutzscheibe eines PKW und verfehlt den Fahrer nur knapp. Das Gericht verurteilte wegen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr zu einer Jugendstrafe. Die konkrete Gefahr für Leib und Leben des Fahrers war eindeutig gegeben – nur durch Zufall wurde niemand verletzt.
Besonders häufig sind Fälle, in denen Gegenstände auf Fahrbahnen geworfen oder gelegt werden. Aber auch das Blenden von Autofahrern mit Laserpointer oder starken Taschenlampen kann als Bereiten eines Hindernisses gewertet werden, da hierdurch die Sicht des Fahrers beeinträchtigt wird. Entscheidend ist stets, dass durch das Hindernis eine konkrete Verkehrsgefährdung entsteht.
Ähnlicher, ebenso gefährlicher Eingriff
Die dritte Tathandlung nach § 315b Absatz 1 Nummer 3 StGB ist der ähnliche, ebenso gefährliche Eingriff. Diese Auffangvorschrift erfasst Handlungen, die den ersten beiden Varianten vergleichbar sind, aber nicht exakt darunter fallen. Hierunter fällt insbesondere die bereits erwähnte Pervertierung des Verkehrsvorgangs – also der zweckwidrige Einsatz eines Fahrzeugs als Angriffsmittel.
Die Rechtsprechung verlangt für diese Variante, dass der Eingriff von außen in den Verkehr erfolgt oder dass bei verkehrsinternem Verhalten eine bewusste Zweckentfremdung des Fahrzeugs vorliegt. Das bloße Fahren unter Alkoholeinfluss oder das Überfahren einer roten Ampel genügt nicht. Erforderlich ist vielmehr ein gezieltes, verkehrsfremdes Verhalten, das die Sicherheit des Straßenverkehrs in besonderer Weise beeinträchtigt.
Praxis-Tipp: Dokumentation bei Zeugenschaft
Werden Sie Zeuge eines gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr, notieren Sie sofort Ort, Zeit und Umstände. Fotografieren Sie wenn möglich das Hindernis oder die Beschädigung, bevor Sie es aus Sicherheitsgründen entfernen. Diese Dokumentation kann für spätere Ermittlungen entscheidend sein. Rufen Sie umgehend die Polizei unter 110 an.
Wann liegt eine konkrete Gefahr vor?
Die konkrete Gefährdung ist das zentrale Tatbestandsmerkmal des § 315b StGB und unterscheidet dieses Delikt von abstrakten Gefährdungsdelikten. Während bei letzteren bereits die typische Gefährlichkeit einer Handlung für die Strafbarkeit genügt, muss beim gefährlichen Eingriff tatsächlich eine konkrete Gefahrensituation eingetreten sein. Die Gerichte sprechen hier vom sogenannten Beinahe-Unfall – einer Situation, in der es nur noch vom Zufall abhing, ob ein Schaden eintrat oder nicht.
Nach der Definition des Bundesgerichtshofs liegt eine konkrete Gefahr vor, wenn die Sicherheit einer bestimmten Person oder Sache so stark beeinträchtigt wurde, dass es nur noch vom Zufall abhing, ob das Rechtsgut verletzt wurde oder nicht. Der Eintritt des Schadens muss naheliegend gewesen sein – eine bloß abstrakte oder entfernte Möglichkeit der Rechtsgutsverletzung genügt nicht. Die Gefahr muss sich zu einem kritischen Zustand verdichtet haben.
Die Gefährdungsobjekte: Leben, Gesundheit und Sachen
§ 315b StGB nennt drei Kategorien von Gefährdungsobjekten: Leib und Leben eines anderen Menschen sowie fremde Sachen von bedeutendem Wert. Wichtig ist dabei das Wort "fremd" – der Täter selbst ist kein taugliches Gefährdungsobjekt. Auch Sachen des Täters oder Mittäters fallen nicht unter den Schutzbereich. Bei einer Gefährdung nur eigener Rechtsgüter scheidet eine Strafbarkeit aus.
Der Begriff der fremden Sache von bedeutendem Wert erfordert einen wirtschaftlichen Wert, der die Bagatellgrenze überschreitet. Die Rechtsprechung zieht diese Grenze bei etwa 750 bis 1.500 Euro. Ein gewöhnlicher PKW erfüllt diese Voraussetzung regelmäßig, ein Fahrrad je nach Zustand und Alter möglicherweise nicht. Bei der Bewertung ist auf den Verkehrswert zum Tatzeitpunkt abzustellen.
Kausalität zwischen Eingriff und Gefahr
Zwischen der Tathandlung und der konkreten Gefahr muss ein Kausalzusammenhang bestehen. Die Gefahr muss gerade durch den Eingriff in den Straßenverkehr verursacht worden sein. Dies kann im Einzelfall schwierige Abgrenzungsfragen aufwerfen – etwa wenn ein Autofahrer einem Hindernis ausweicht und dabei aufgrund überhöhter Geschwindigkeit die Kontrolle verliert. Hier stellt sich die Frage, ob die Gefahr primär durch das Hindernis oder durch das Fehlverhalten des Fahrers verursacht wurde.
Die Rechtsprechung nimmt den Kausalzusammenhang an, wenn das Hindernis oder der Eingriff für die Gefahrensituation mitursächlich war. Ein überwiegendes Mitverschulden des Gefährdeten kann allerdings den Zurechnungszusammenhang unterbrechen. Fährt etwa ein Autofahrer trotz deutlich sichtbarem Hindernis ungebremst weiter, kann dies die Strafbarkeit des Hindernisbereiter ausschließen oder zumindest mildern.
Vorsatz und Fahrlässigkeit bei § 315b StGB
Das Strafgesetzbuch differenziert beim gefährlichen Eingriff in den Straßenverkehr zwischen vorsätzlichem und fahrlässigem Handeln. Diese Unterscheidung ist von erheblicher praktischer Bedeutung, da sie das Strafmaß maßgeblich beeinflusst. Während die vorsätzliche Begehung mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren bedroht ist, sieht das Gesetz für fahrlässiges Handeln einen deutlich milderen Strafrahmen vor.
Der Vorsatz muss sich auf alle objektiven Tatbestandsmerkmale beziehen. Der Täter muss also wissen und wollen, dass er einen Eingriff in den Straßenverkehr vornimmt und dadurch eine konkrete Gefahr für andere Verkehrsteilnehmer schafft. Dabei genügt bereits bedingter Vorsatz – es reicht aus, wenn der Täter die Gefährdung billigend in Kauf nimmt. Wer also einen Stein von einer Brücke wirft und dabei denkt "wird schon nichts passieren", handelt regelmäßig mit bedingtem Vorsatz.
Die verschiedenen Vorsatzformen im Detail
Die Rechtsprechung unterscheidet drei Vorsatzformen: Absicht, direkter Vorsatz und bedingter Vorsatz (dolus eventualis). Bei der Absicht will der Täter den Erfolg geradezu herbeiführen – etwa wenn jemand gezielt einen Stein auf ein herannahendes Fahrzeug wirft, um es zu beschädigen. Beim direkten Vorsatz weiß der Täter sicher, dass sein Handeln zur Gefährdung führen wird, auch wenn er dies nicht anstrebt.
Am häufigsten liegt in der Praxis bedingter Vorsatz vor. Der Täter erkennt die Möglichkeit einer Gefährdung und findet sich mit ihr ab. Die Abgrenzung zur bewussten Fahrlässigkeit – bei der der Täter auf das Ausbleiben des Erfolgs vertraut – ist oft schwierig. Die Gerichte orientieren sich dabei an objektiven Umständen wie der Gefährlichkeit der Handlung, dem Tatort und der Tageszeit. Wer nachts einen schweren Gegenstand auf eine Autobahn wirft, wird kaum glaubhaft machen können, er habe auf das Ausbleiben einer Gefährdung vertraut.
Fahrlässige Begehung nach § 315b Absatz 5 StGB
§ 315b Absatz 5 StGB stellt auch die fahrlässige Begehung unter Strafe. Dabei sind zwei Konstellationen zu unterscheiden: die fahrlässige Tathandlung bei fahrlässiger Gefährdung und die vorsätzliche Tathandlung bei fahrlässiger Gefährdung. In beiden Fällen ist der Strafrahmen gegenüber der vorsätzlichen Begehung erheblich reduziert.
Fahrlässig handelt, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht lässt. Ein typisches Beispiel ist der Autofahrer, der seine nicht ausreichend gesicherte Ladung verliert, die dann zum Hindernis auf der Fahrbahn wird. Hier liegt eine fahrlässige Tathandlung vor. Wenn der Täter hingegen bewusst ein Hindernis schafft, aber nicht erkennt, dass dadurch eine konkrete Gefahr entsteht, handelt er mit vorsätzlichem Eingriff bei fahrlässiger Gefährdung.
Beispiel: Ungesicherte Ladung führt zu Unfall
Ein Handwerker transportiert Baumaterial auf seinem Anhänger, ohne es ordnungsgemäß zu sichern. Auf der Bundesstraße löst sich eine Holzpalette und fällt auf die Fahrbahn. Der nachfolgende Verkehr muss stark bremsen, ein Auffahrunfall mit Sachschaden ist die Folge. Der Handwerker wurde wegen fahrlässigen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr verurteilt – er hatte die Sorgfaltspflicht zur Ladungssicherung verletzt.
Welche Strafen drohen bei gefährlichem Eingriff?
Der Strafrahmen des § 315b StGB ist abgestuft und richtet sich nach der Schwere der Tat sowie den eingetretenen Folgen. Im Grundtatbestand droht eine Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe. Bei besonders schweren Fällen – etwa wenn der Täter absichtlich einen Unfall herbeiführt oder eine Gesundheitsschädigung verursacht – erhöht sich der Strafrahmen auf Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren. Diese Differenzierung zeigt, dass der Gesetzgeber den gefährlichen Eingriff als schwerwiegendes Delikt einstuft.
Die konkrete Strafe im Einzelfall hängt von zahlreichen Faktoren ab. Neben der Art und Schwere des Eingriffs berücksichtigen die Gerichte die Motivation des Täters, etwaige Vorstrafen, das Verhalten nach der Tat und die persönlichen Verhältnisse. Auch ob und in welchem Ausmaß ein Schaden tatsächlich eingetreten ist, beeinflusst die Strafzumessung erheblich. Bei Ersttätern und geringem Schaden ist eine Bewährungsstrafe möglich, bei schweren Folgen hingegen kaum zu erreichen.
Die Qualifikationstatbestände nach Absatz 3
§ 315b Absatz 3 StGB enthält Qualifikationstatbestände mit erhöhtem Strafrahmen. Eine Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr droht, wenn der Täter die Gefahr absichtlich herbeiführt und dabei die körperliche Unversehrtheit eines anderen Menschen gefährdet, wenn er bei der Tat eine schwere Gesundheitsschädigung oder den Tod eines Menschen verursacht, oder wenn er wiederholt handelt.
Besonders gravierend ist die Strafe, wenn durch den gefährlichen Eingriff ein Mensch zu Tode kommt. In diesem Fall droht eine Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren. Diese hohen Strafen reflektieren das erhebliche Gefährdungspotential, das mit Eingriffen in den Straßenverkehr verbunden ist. Gerade bei Hochgeschwindigkeitsverkehr auf Autobahnen können bereits kleine Hindernisse zu tödlichen Unfällen führen.
Checkliste: Faktoren für das Strafmaß
- Art und Gefährlichkeit des Eingriffs (Hindernis, Beschädigung, Manipulation)
- Tatort und Verkehrsaufkommen zum Tatzeitpunkt
- Eingetretene Schäden an Personen oder Sachen
- Vorsatzform (Absicht, direkter Vorsatz, bedingter Vorsatz, Fahrlässigkeit)
- Motivation des Täters (Böswilligkeit, Leichtsinn, Unachtsamkeit)
- Vorstrafen und strafrechtliche Vorbelastung
- Verhalten nach der Tat (Flucht, Hilfeleistung, Geständnis)
- Persönliche Verhältnisse und Resozialisierungsprognose
Nebenfolgen: Führerscheinentzug und Fahrverbot
Neben der eigentlichen Strafe drohen bei einer Verurteilung nach § 315b StGB erhebliche Nebenfolgen. Das Gericht kann die Fahrerlaubnis entziehen, wenn sich aus der Tat ergibt, dass der Täter zum Führen von Kraftfahrzeugen ungeeignet ist. Zusätzlich wird regelmäßig eine Sperrfrist für die Neuerteilung angeordnet, die zwischen sechs Monaten und fünf Jahren liegen kann – in Ausnahmefällen auch lebenslang.
Auch wenn der Täter selbst gar kein Fahrzeug geführt hat, kann ein Fahrverbot verhängt werden. Die Rechtsprechung sieht in schweren Verkehrsstraftaten regelmäßig ein Indiz dafür, dass der Täter auch als Kraftfahrzeugführer eine Gefahr darstellt. Diese Nebenfolgen können die berufliche Existenz massiv beeinträchtigen – insbesondere bei Berufskraftfahrern oder Außendienstmitarbeitern kann der Führerscheinentzug faktisch das Ende der Beschäftigung bedeuten.
Versuch und Vollendung der Straftat
Der Versuch des gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr ist nach § 315b Absatz 2 StGB strafbar. Dies bedeutet, dass bereits das unmittelbare Ansetzen zur Tatbegehung unter Strafe steht – auch wenn letztlich keine konkrete Gefahr eintritt. Diese Versuchsstrafbarkeit erweitert den Anwendungsbereich der Norm erheblich und ermöglicht eine Bestrafung auch in Fällen, in denen die Tat letztlich fehlschlägt oder rechtzeitig entdeckt wird.
Die Vollendung des Delikts tritt ein, sobald eine konkrete Gefahr für Leib, Leben oder bedeutende Sachwerte entstanden ist. Dabei muss die Gefahr nicht in einem Schaden münden – der Beinahe-Unfall genügt. Tritt tatsächlich ein Schaden ein, spricht man von Beendigung der Tat. Diese Unterscheidung ist für die Strafzumessung relevant, da eingetretene Schäden regelmäßig strafschärfend berücksichtigt werden.
Wann beginnt der strafbare Versuch?
Der Versuch beginnt, wenn der Täter unmittelbar zur Tatausführung ansetzt. Bei § 315b StGB ist dies der Fall, wenn der Täter nach seiner Vorstellung von der Tat Handlungen vornimmt, die ohne wesentliche Zwischenschritte in die Tatbestandsverwirklichung münden. Wer also einen Stein in der Hand hält und auf ein herannahendes Fahrzeug zielt, hat bereits unmittelbar angesetzt – auch wenn er den Stein noch nicht geworfen hat.
Bloße Vorbereitungshandlungen sind hingegen nicht strafbar. Das Sammeln von Steinen oder das Begehen einer Autobahnbrücke mit entsprechender Absicht genügt noch nicht. Die Grenze zwischen strafloser Vorbereitung und strafbarem Versuch ist im Einzelfall oft schwer zu ziehen. Entscheidend ist die subjektive Vorstellung des Täters darüber, wann die eigentliche Tatausführung beginnt.
Rücktritt vom Versuch
Tritt der Täter freiwillig von der Tat zurück, bleibt er straffrei. Voraussetzung ist, dass er die weitere Tatausführung aus eigenem Antrieb aufgibt – nicht etwa weil er entdeckt wird oder die Ausführung objektiv unmöglich geworden ist. Bei einem unbeendeten Versuch genügt das bloße Aufhören; bei einem beendeten Versuch muss der Täter aktiv den Erfolgseintritt verhindern.
Im Kontext des § 315b StGB bedeutet dies: Wer einen Stein bereits geworfen hat und diesen nicht mehr aufhalten kann, ist vom Versuch abgeschnitten. Er kann allenfalls noch durch aktives Gegensteuern – etwa das Warnen herannahender Fahrzeuge – die Vollendung verhindern. Praktisch relevant ist dies vor allem bei Hindernissen auf der Fahrbahn, die der Täter noch rechtzeitig entfernen kann, bevor ein Fahrzeug gefährdet wird.
Praxis-Tipp: Freiwilliger Rücktritt als Verteidigungsstrategie
Hat ein Beschuldigter nach eigener Einschätzung einen gefährlichen Eingriff begangen, aber rechtzeitig Gegenmaßnahmen ergriffen, sollte dies im Ermittlungsverfahren unbedingt vorgetragen werden. Der freiwillige Rücktritt führt zur Straffreiheit beim Versuch. Dokumentieren Sie daher genau, welche Maßnahmen zur Gefahrenabwendung unternommen wurden und warum.
Abgrenzung zu anderen Verkehrsstraftaten
Das Strafgesetzbuch kennt mehrere Verkehrsdelikte, die teilweise ähnliche Sachverhalte erfassen. Die korrekte Abgrenzung zwischen diesen Tatbeständen ist von erheblicher praktischer Bedeutung, da die Strafrahmen und Rechtsfolgen unterschiedlich sind. Die wichtigste Abgrenzung besteht zur Gefährdung des Straßenverkehrs nach § 315c StGB, die verkehrsinternes Fehlverhalten erfasst, während § 315b StGB verkehrsfremde Eingriffe unter Strafe stellt.
Weitere relevante Abgrenzungen bestehen zum Nötigungstatbestand des § 240 StGB, zur Sachbeschädigung nach § 303 StGB und bei eingetretenen Personenschäden zu den Körperverletzungsdelikten. In vielen Fällen wird Tateinheit zwischen mehreren Delikten angenommen – der Täter verwirklicht also durch eine Handlung mehrere Straftatbestände gleichzeitig. Die schwerste Strafe bildet dann den Rahmen, innerhalb dessen die Gesamtstrafe festgesetzt wird.
Abgrenzung zu § 315c StGB (Gefährdung des Straßenverkehrs)
§ 315c StGB erfasst die Gefährdung des Straßenverkehrs durch Verkehrsteilnehmer während ihrer Teilnahme am Verkehr. Typische Fälle sind Trunkenheitsfahrten, grob verkehrswidriges Überholen oder zu schnelles Fahren. Der wesentliche Unterschied zu § 315b StGB liegt darin, dass bei § 315c StGB der Täter selbst am Verkehr teilnimmt, während § 315b StGB grundsätzlich Eingriffe von außen erfasst.
Die Abgrenzung kann im Einzelfall schwierig sein, insbesondere bei der Pervertierung des Verkehrsvorgangs. Wer sein Fahrzeug als Waffe einsetzt, unterfällt § 315b StGB, obwohl er formal am Verkehr teilnimmt. Entscheidend ist, ob das Fahrzeug bestimmungsgemäß zur Fortbewegung oder zweckwidrig als Nötigungs- oder Verletzungsmittel eingesetzt wird. Die Rechtsprechung hat hierzu differenzierte Kriterien entwickelt.
Verhältnis zu Nötigung, Sachbeschädigung und Körperverletzung
Häufig verwirklicht ein gefährlicher Eingriff in den Straßenverkehr zugleich weitere Straftatbestände. Wer etwa einen anderen Verkehrsteilnehmer durch sein Fahrverhalten zum Anhalten zwingt, kann neben § 315b StGB auch wegen Nötigung nach § 240 StGB strafbar sein. Bei Beschädigung von Verkehrseinrichtungen kommt zusätzlich Sachbeschädigung in Betracht.
Werden durch den Eingriff Menschen verletzt, treten die Körperverletzungsdelikte hinzu. Bei tödlichem Ausgang kann neben § 315b Absatz 3 StGB auch fahrlässige Tötung nach § 222 StGB oder – bei entsprechendem Vorsatz – sogar Totschlag nach § 212 StGB verwirklicht sein. In diesen Fällen der Tateinheit wird aus dem schwersten Strafrahmen verurteilt, wobei die weiteren verwirklichten Delikte bei der Strafzumessung berücksichtigt werden.
Verteidigungsmöglichkeiten und rechtliche Schritte
Bei einem Ermittlungsverfahren wegen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr bestehen verschiedene Verteidigungsansätze. Die konkrete Strategie hängt stark vom Einzelfall ab – insbesondere von der Beweislage, den konkreten Tatumständen und der Person des Beschuldigten. Eine pauschale Empfehlung verbietet sich; jeder Fall erfordert eine individuelle Analyse und Bewertung.
Zentrale Verteidigungsansätze betreffen regelmäßig das Vorliegen einer konkreten Gefahr, den subjektiven Tatbestand (Vorsatz oder Fahrlässigkeit) und mögliche Rechtfertigungs- oder Entschuldigungsgründe. Auch verfahrensrechtliche Aspekte wie Beweisverwertungsverbote oder Verfahrenshindernisse können im Einzelfall relevant werden. Die frühe Einschaltung eines Verteidigers ermöglicht es, von Anfang an die Weichen richtig zu stellen.
Typische Angriffspunkte der Verteidigung
Ein häufiger Verteidigungsansatz zielt auf das Fehlen einer konkreten Gefahr. Wenn durch den Eingriff zwar eine abstrakte Gefährlichkeit bestand, aber keine konkrete Gefahrensituation im Sinne eines Beinahe-Unfalls eintrat, ist der Tatbestand nicht erfüllt. Dies kann etwa der Fall sein, wenn ein Hindernis rechtzeitig erkannt wurde und die Verkehrsteilnehmer problemlos ausweichen konnten.
Auch der subjektive Tatbestand bietet Angriffspunkte. Die Staatsanwaltschaft muss nachweisen, dass der Täter zumindest mit bedingtem Vorsatz handelte – also die Gefährdung billigend in Kauf nahm. Gelingt es, glaubhaft darzulegen, dass der Beschuldigte fest auf das Ausbleiben einer Gefährdung vertraute, kommt allenfalls eine Bestrafung wegen fahrlässiger Begehung in Betracht. Dies kann das Strafmaß erheblich reduzieren.
Praxis-Tipp: Verhalten im Ermittlungsverfahren
Machen Sie als Beschuldigter zunächst keine Aussage zur Sache – dies ist Ihr gutes Recht. Fordern Sie Akteneinsicht an, um die Beweislage zu kennen, bevor Sie sich einlassen. Vorschnelle Äußerungen gegenüber der Polizei können Ihre Verteidigungsmöglichkeiten erheblich einschränken. Schweigen kann nicht negativ gewertet werden, unbedachte Aussagen hingegen schon.
Der typische Verfahrensablauf und wichtige Fristen
Nach Einleitung eines Ermittlungsverfahrens ermittelt zunächst die Polizei im Auftrag der Staatsanwaltschaft. Typische Ermittlungsmaßnahmen umfassen Zeugenbefragungen, Spurensicherung am Tatort und gegebenenfalls Durchsuchungen. Der Beschuldigte hat das Recht, zu den Vorwürfen angehört zu werden – kann aber auch von seinem Schweigerecht Gebrauch machen.
Nach Abschluss der Ermittlungen entscheidet die Staatsanwaltschaft über das weitere Vorgehen: Einstellung des Verfahrens, Beantragung eines Strafbefehls oder Anklageerhebung. Bei schweren Fällen des § 315b StGB wird regelmäßig Anklage erhoben, da Strafbefehle nur bei Geldstrafen oder Freiheitsstrafen bis zu einem Jahr auf Bewährung zulässig sind. Gegen einen Strafbefehl kann binnen zwei Wochen Einspruch eingelegt werden – dann kommt es zur Hauptverhandlung vor dem Strafgericht.
Checkliste: Erste Schritte nach Vorladung oder Anzeige
- Keine Aussage bei der Polizei ohne vorherige rechtliche Beratung
- Akteneinsicht beantragen, um Beweislage zu prüfen
- Alle eigenen Unterlagen und Dokumente zum Vorfall sichern
- Zeugen identifizieren, die entlastend aussagen könnten
- Fristen notieren (insbesondere Einspruchsfrist bei Strafbefehl: 2 Wochen)
- Keine Gespräche über den Fall mit Dritten führen
- Bei Führerscheinbezug: berufliche Konsequenzen prüfen
