Rechtliche Einordnung: Wann ist Graffiti strafbar?
Die Spraydose in der Hand, das Adrenalin pumpt, die Wand ist frei – und wenige Minuten später haben Sie ein Strafverfahren am Hals. Was viele als künstlerischen Ausdruck oder harmlosen Zeitvertreib betrachten, ist aus juristischer Sicht eine eindeutige Straftat. Der Gesetzgeber kennt bei unbefugtem Graffiti keinen Interpretationsspielraum: Wer fremdes Eigentum ohne Erlaubnis besprüht, begeht Sachbeschädigung.
Die rechtliche Grundlage bildet § 303 StGB in seiner erweiterten Fassung. Seit 2005 wurde der Tatbestand der Sachbeschädigung explizit um das Verändern des Erscheinungsbildes einer fremden Sache erweitert. Diese Gesetzesänderung erfolgte gezielt, um Graffiti-Sprühern keine Schlupflöcher mehr zu lassen. Zuvor argumentierten Verteidiger teilweise erfolgreich, dass Graffiti die Substanz einer Sache nicht beschädige, sondern lediglich verändere.
Der Tatbestand der Sachbeschädigung nach § 303 StGB
Der Wortlaut des Gesetzes ist unmissverständlich: Wer rechtswidrig eine fremde Sache beschädigt oder zerstört, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. Absatz 2 ergänzt seit der Gesetzesänderung: Ebenso wird bestraft, wer unbefugt das Erscheinungsbild einer fremden Sache nicht nur unerheblich und nicht nur vorübergehend verändert. Diese Formulierung erfasst Graffiti vollständig – unabhängig davon, ob es sich um ein aufwendiges Kunstwerk oder einen simplen Schriftzug handelt.
Entscheidend für die Strafbarkeit sind mehrere Voraussetzungen: Die Sache muss fremd sein, also im Eigentum eines anderen stehen. Die Veränderung darf nicht unerheblich sein – ein kleiner Punkt würde die Schwelle nicht überschreiten. Zudem muss die Veränderung nicht nur vorübergehend sein, was bei Sprühfarbe regelmäßig der Fall ist. Schließlich darf keine Befugnis des Eigentümers vorliegen.
Gemeinschädliche Sachbeschädigung als Qualifikation
Besonders schwerwiegend wird es bei § 304 StGB, der gemeinschädlichen Sachbeschädigung. Wer Gegenstände der Verehrung einer Religionsgemeinschaft, Grabmäler, öffentliche Denkmäler, Naturdenkmäler, Gegenstände der Kunst oder Wissenschaft in öffentlichen Sammlungen oder öffentlich aufgestellt, oder Gegenstände, die zum öffentlichen Nutzen dienen, beschädigt oder zerstört, muss mit verschärften Konsequenzen rechnen. Hier droht Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren.
Dieser Tatbestand wird relevant, wenn Graffiti an Kirchen, Friedhöfen, historischen Gebäuden, Brücken, Bahnanlagen oder öffentlichen Verkehrsmitteln angebracht wird. Die Rechtsprechung legt den Begriff des öffentlichen Nutzens dabei weit aus. S-Bahnen, Straßenbahnen und Busse fallen ebenso darunter wie Verkehrsschilder, Ampeln oder Parkbänke.
Praxis-Tipp: Unterschied zwischen Ordnungswidrigkeit und Straftat
Selbst kleinste Schmierereien wie ein einzelner Buchstabe oder ein Strich können bereits den Tatbestand erfüllen, wenn sie nicht nur unerheblich sind. Die Grenze verläuft nicht nach künstlerischem Wert, sondern nach dem Aufwand zur Beseitigung. Bereits ein Tag mit Permanentmarker kann als Sachbeschädigung gewertet werden, wenn professionelle Reinigung erforderlich wird.
Strafen und Sanktionen bei Graffiti
Die Konsequenzen eines Graffiti-Vergehens reichen weit über eine symbolische Verwarnung hinaus. Gerichte behandeln illegales Sprühen als ernstzunehmendes Delikt, das je nach Umständen empfindliche Strafen nach sich zieht. Dabei spielen zahlreiche Faktoren eine Rolle: die Vorstrafen des Täters, der entstandene Schaden, die Art des besprühten Objekts und das Verhalten nach der Tat.
Der gesetzliche Strafrahmen für einfache Sachbeschädigung nach § 303 StGB sieht Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren vor. Bei gemeinschädlicher Sachbeschädigung nach § 304 StGB erhöht sich der Rahmen auf bis zu drei Jahre Freiheitsstrafe. Diese Maximalstrafen werden zwar selten ausgeschöpft, zeigen aber die Ernsthaftigkeit, mit der der Gesetzgeber das Delikt bewertet.
Berechnung und Höhe der Geldstrafe
Bei Ersttätern ohne Vorstrafen verhängen Gerichte in der Regel Geldstrafen. Diese werden in Tagessätzen berechnet, wobei die Anzahl der Tagessätze die Schwere der Schuld widerspiegelt und die Höhe des einzelnen Tagessatzes sich nach dem Einkommen des Verurteilten richtet. Ein Tagessatz entspricht in der Regel dem Nettoeinkommen geteilt durch 30.
Für ein einzelnes Graffiti ohne besondere Erschwernisgründe bewegen sich die Strafen typischerweise zwischen 20 und 60 Tagessätzen. Bei einem monatlichen Nettoeinkommen von 1.800 Euro entspräche dies einer Geldstrafe zwischen 1.200 und 3.600 Euro. Hinzu kommen Verfahrenskosten und potenzielle Schadensersatzforderungen, die die finanzielle Belastung deutlich erhöhen können.
Wann droht eine Freiheitsstrafe?
Freiheitsstrafen werden bei Graffiti-Delikten vor allem in bestimmten Konstellationen verhängt: Bei Wiederholungstätern mit einschlägigen Vorstrafen, bei besonders hohem Sachschaden, bei gemeinschädlicher Sachbeschädigung oder wenn das Graffiti Teil einer Serie von Straftaten ist. Auch die bandenmäßige Begehung oder die Verbindung mit anderen Delikten wie Hausfriedensbruch können zu einer Freiheitsstrafe führen.
Eine Bewährungsstrafe ist bei Freiheitsstrafen bis zu zwei Jahren möglich, wenn eine günstige Sozialprognose besteht. Das Gericht prüft dabei, ob der Verurteilte auch ohne Strafvollzug keine weiteren Straftaten begehen wird. Faktoren wie feste Arbeit, stabile soziale Verhältnisse und Reue spielen dabei eine zentrale Rolle.
Beispiel: Eskalation bei Wiederholungstäter
Ein 23-Jähriger wurde innerhalb von 18 Monaten dreimal wegen Graffiti verurteilt. Beim ersten Mal erhielt er 30 Tagessätze, beim zweiten Mal 50 Tagessätze. Nach der dritten Tat – einem großflächigen Graffiti an einer S-Bahn – verhängte das Gericht acht Monate Freiheitsstrafe, die zur Bewährung ausgesetzt wurde. Die Bewährungsauflagen umfassten 200 Sozialstunden und die Teilnahme an einem Anti-Gewalt-Training.
Schadensersatzforderungen und Reinigungskosten
Neben der strafrechtlichen Verurteilung trifft Graffiti-Sprüher regelmäßig eine zweite, oft unterschätzte finanzielle Belastung: der zivilrechtliche Schadensersatz. Eigentümer und Geschädigte können unabhängig vom Strafverfahren ihre Ansprüche geltend machen – und diese übersteigen die verhängte Geldstrafe nicht selten um ein Vielfaches.
Die Rechtsgrundlage bildet § 823 BGB, der bei vorsätzlicher oder fahrlässiger Verletzung des Eigentums zum Schadensersatz verpflichtet. Da Graffiti stets vorsätzlich erfolgt, steht die Haftung außer Frage. Lediglich die Höhe des Schadens kann im Einzelfall streitig sein.
Professionelle Reinigung und ihre Kosten
Die Entfernung von Graffiti erfordert in den meisten Fällen professionelle Hilfe. Fachfirmen setzen je nach Untergrund verschiedene Techniken ein: Hochdruckreinigung, chemische Lösungsmittel, Sandstrahlen oder Heißdampfverfahren. Die Kosten variieren stark nach Größe, Untergrund und verwendeter Farbe.
Bei glatten Oberflächen wie Glas oder Metall ist die Reinigung vergleichsweise einfach und kostengünstig. Poröse Materialien wie Sandstein, Klinker oder unbehandelter Beton stellen dagegen eine Herausforderung dar, da die Farbe tief in die Poren eindringt. Hier kann eine vollständige Entfernung unmöglich sein, sodass Neuanstrich oder sogar Austausch erforderlich wird.
Die Quadratmeterpreise für professionelle Graffiti-Entfernung bewegen sich typischerweise im zweistelligen bis dreistelligen Bereich. Bei einem großflächigen Graffiti an einer Hausfassade summieren sich die Kosten schnell auf vierstellige Beträge. Hinzu kommen Gerüstkosten, wenn höher gelegene Bereiche betroffen sind.
Folgeschäden und dauerhafte Wertminderung
Über die reinen Reinigungskosten hinaus können weitere Schadenspositionen geltend gemacht werden. Wenn trotz professioneller Reinigung Farbschatten zurückbleiben, kann der Eigentümer die Kosten für einen vollständigen Neuanstrich verlangen. Bei historischen Gebäuden oder denkmalgeschützten Fassaden können Restaurierungskosten anfallen, die die eigentlichen Reinigungskosten bei Weitem übersteigen.
Auch Folgeschäden gehören zum ersatzfähigen Schaden: Mietausfälle während der Reinigungsarbeiten, erhöhte Versicherungsprämien oder der Aufwand für Präventivmaßnahmen wie Anti-Graffiti-Beschichtungen. Bei Gewerbeobjekten kann sogar ein Imageschaden geltend gemacht werden, wenn das Graffiti Kunden abschreckt.
Checkliste: Mögliche Schadenspositionen bei Graffiti
- Kosten für professionelle Graffiti-Entfernung
- Gerüst- und Absperrkosten bei Arbeiten in der Höhe
- Neuanstrich bei nicht vollständiger Entfernbarkeit
- Gutachterkosten zur Schadensermittlung
- Mietausfälle während der Reinigungsarbeiten
- Kosten für präventive Schutzschichten
- Anwalts- und Gerichtskosten der Durchsetzung
Besonderheiten im Jugendstrafrecht
Ein erheblicher Anteil der Graffiti-Taten wird von Minderjährigen oder Heranwachsenden begangen. Für diese Altersgruppen gelten besondere Regelungen, die den Erziehungsgedanken in den Vordergrund stellen. Das Jugendgerichtsgesetz (JGG) bietet einen anderen Rahmen als das Erwachsenenstrafrecht – mit anderen Sanktionen, aber auch mit spezifischen Chancen.
Die Unterscheidung erfolgt nach Altersgruppen: Unter 14 Jahren ist man strafunmündig und kann nicht bestraft werden. Jugendliche zwischen 14 und 17 Jahren unterliegen vollständig dem Jugendstrafrecht. Bei Heranwachsenden zwischen 18 und 20 Jahren entscheidet das Gericht, ob Jugend- oder Erwachsenenstrafrecht angewendet wird.
Strafunmündigkeit und zivilrechtliche Haftung
Kinder unter 14 Jahren können strafrechtlich nicht belangt werden – sie sind schuldunfähig. Das bedeutet jedoch nicht, dass keine Konsequenzen drohen. Die zivilrechtliche Haftung beginnt bereits mit Vollendung des siebten Lebensjahres, sofern das Kind die erforderliche Einsichtsfähigkeit besaß. Ab diesem Alter können Kinder persönlich auf Schadensersatz in Anspruch genommen werden.
Praktisch bedeutet dies: Ein 12-Jähriger kann zwar nicht bestraft werden, aber der Geschädigte kann Schadensersatz verlangen. Da Kinder typischerweise kein Vermögen haben, richten sich die Ansprüche oft gegen die Eltern. Deren Haftung hängt davon ab, ob sie ihre Aufsichtspflicht verletzt haben – was im Einzelfall zu prüfen ist.
Sanktionen für Jugendliche
Das Jugendstrafrecht kennt ein dreistufiges Sanktionssystem: Erziehungsmaßregeln, Zuchtmittel und Jugendstrafe. Bei Graffiti-Delikten kommen typischerweise die beiden erstgenannten Kategorien zur Anwendung. Erziehungsmaßregeln umfassen Weisungen wie die Teilnahme an einem sozialen Trainingskurs oder die Erbringung von Arbeitsleistungen. Zuchtmittel sind Verwarnungen, Auflagen oder Jugendarrest.
Besonders häufig werden Arbeitsauflagen verhängt: Der Jugendliche muss eine bestimmte Anzahl von Stunden gemeinnützige Arbeit leisten. Diese kann auch in Form von Graffiti-Beseitigung erfolgen – ein pädagogisch sinnvoller Ansatz, der die Konsequenzen des eigenen Handelns verdeutlicht. Die Stundenzahl richtet sich nach der Schwere der Tat und kann von 20 bis zu 150 Stunden reichen.
Ablauf des Strafverfahrens
Vom Moment der Entdeckung bis zur rechtskräftigen Verurteilung durchläuft ein Graffiti-Fall mehrere Verfahrensstadien. Jede Phase bietet unterschiedliche Möglichkeiten zur Einflussnahme auf den Ausgang. Wer den Ablauf kennt, kann seine Verteidigungsrechte gezielt wahrnehmen und Fehler vermeiden, die später kaum noch korrigierbar sind.
Das Verfahren beginnt typischerweise mit der Anzeige durch den Geschädigten oder die Polizei. Da Sachbeschädigung ein Antragsdelikt ist, muss der Geschädigte grundsätzlich einen Strafantrag stellen. Hierfür gilt eine Frist von drei Monaten ab Kenntnis von Tat und Täter. Bei gemeinschädlicher Sachbeschädigung nach § 304 StGB ist kein Antrag erforderlich – hier wird von Amts wegen verfolgt.
Das Ermittlungsverfahren
Nach Eingang der Anzeige nimmt die Staatsanwaltschaft Ermittlungen auf. Die Polizei wird beauftragt, Beweise zu sichern und den Sachverhalt aufzuklären. Bei Graffiti umfasst dies typischerweise die Dokumentation der Tat durch Fotos, die Sicherung von Spuren am Tatort und die Vernehmung von Zeugen. Wenn der Täter auf frischer Tat ertappt wurde, erfolgt eine erste Beschuldigtenvernehmung.
In dieser Phase haben Beschuldigte das Recht zu schweigen. Von diesem Recht sollte zunächst Gebrauch gemacht werden, bis die Aktenlage bekannt ist. Aussagen bei der Polizei können später nicht mehr zurückgenommen werden und bilden oft die Grundlage der Verurteilung. Das Recht auf Akteneinsicht ermöglicht es, die Beweislage zu prüfen, bevor eine Einlassung erfolgt.
Hauptverhandlung oder Strafbefehl
Nach Abschluss der Ermittlungen entscheidet die Staatsanwaltschaft über das weitere Vorgehen. Bei einfach gelagerten Fällen und geständigen Ersttätern wird häufig ein Strafbefehl beantragt. Dieses schriftliche Verfahren ermöglicht eine Verurteilung ohne mündliche Verhandlung – der Beschuldigte erhält den Strafbefehl per Post und hat zwei Wochen Zeit, Einspruch einzulegen.
Wird kein Strafbefehl erlassen oder Einspruch eingelegt, kommt es zur Hauptverhandlung vor dem Amtsgericht. Hier werden Beweise erhoben, Zeugen vernommen und der Angeklagte hat Gelegenheit zur Stellungnahme. Das Urteil ergeht am Ende der Hauptverhandlung und wird in der Regel sofort rechtskräftig, wenn kein Rechtsmittel eingelegt wird.
Praxis-Tipp: Strafbefehl nicht ignorieren
Ein zugestellter Strafbefehl wird nach zwei Wochen automatisch rechtskräftig und entspricht dann einem vollwertigen Urteil. Die Frist beginnt mit der Zustellung – nicht mit dem Lesen. Prüfen Sie daher Ihre Post regelmäßig und reagieren Sie innerhalb der Frist, wenn Sie die Strafe für unangemessen halten oder sich verteidigen möchten.
Verteidigungsstrategien und Strafmilderung
Auch wenn die Beweislage auf den ersten Blick erdrückend erscheint, gibt es zahlreiche Ansatzpunkte für eine wirksame Verteidigung. Diese reichen von der Anfechtung der Beweismittel über die Herbeiführung einer Verfahrenseinstellung bis hin zur Minimierung des Strafmaßes bei erwiesener Schuld.
Eine erfolgreiche Verteidigung beginnt mit der sorgfältigen Analyse der Beweislage. Wurde der Beschuldigte auf frischer Tat ertappt? Gibt es Zeugen, und wie zuverlässig sind deren Aussagen? Existieren Videoaufnahmen, und sind diese verwertbar? Können Fingerabdrücke oder DNA-Spuren dem Beschuldigten eindeutig zugeordnet werden? Jede Schwäche in der Beweiskette kann zur Entlastung genutzt werden.
Verfahrenseinstellung und Diversion
Nicht jedes Graffiti-Verfahren endet mit einer Verurteilung. Das Strafprozessrecht bietet verschiedene Möglichkeiten der Verfahrenseinstellung, die zu keinem Eintrag im Führungszeugnis führen. Bei geringer Schuld kann die Staatsanwaltschaft nach § 153 StPO von der Verfolgung absehen. Bei Auflagenerfüllung ist eine Einstellung nach § 153a StPO möglich – hier wird das Verfahren gegen Zahlung einer Geldauflage oder Erbringung gemeinnütziger Arbeit beendet.
Im Jugendstrafrecht sind die Möglichkeiten noch weitreichender. Die Diversion ermöglicht eine erzieherische Reaktion ohne förmliche Verurteilung. Der Jugendliche kann beispielsweise an einem Täter-Opfer-Ausgleich teilnehmen, Schadenswiedergutmachung leisten oder an einem sozialen Trainingskurs teilnehmen. Bei erfolgreichem Abschluss wird das Verfahren eingestellt.
Strafmildernde Umstände nutzen
Wenn eine Verurteilung unvermeidlich erscheint, rückt die Strafmilderung in den Fokus. Das Strafrecht kennt zahlreiche Faktoren, die sich positiv auf das Strafmaß auswirken. Ein glaubhaftes Geständnis wird regelmäßig strafmildernd berücksichtigt, ebenso wie Reue und die Bereitschaft zur Schadenswiedergutmachung.
Besonders wirksam ist die freiwillige Schadensregulierung vor dem Hauptverfahren. Wer den Reinigungskosten nachkommt oder sich um einen Täter-Opfer-Ausgleich bemüht, demonstriert Verantwortungsübernahme. Gerichte honorieren dieses Verhalten mit spürbar milderen Strafen. Auch persönliche Umstände wie Ausbildung, familiäre Situation oder gesundheitliche Probleme fließen in die Strafzumessung ein.
Beispiel: Erfolgreiche Schadenswiedergutmachung
Ein 19-jähriger Auszubildender wurde beim Sprühen an einer Lagerhalle erwischt. Vor dem Gerichtstermin nahm er Kontakt zum Geschädigten auf, entschuldigte sich persönlich und übernahm die Reinigungskosten in Höhe von 1.200 Euro durch Ratenzahlung. Das Gericht würdigte diese Bemühungen und stellte das Verfahren gegen eine geringe Geldauflage ein. Ein Eintrag im Führungszeugnis konnte vermieden werden.
Legale Alternativen und Präventionsmaßnahmen
Graffiti als Kunstform muss nicht zwangsläufig illegal sein. In vielen Städten existieren legale Möglichkeiten, die kreative Ausdrucksform auszuleben, ohne strafrechtliche Konsequenzen befürchten zu müssen. Diese Alternativen bieten nicht nur Rechtssicherheit, sondern oft auch bessere Bedingungen für die künstlerische Arbeit.
Die Graffiti-Szene selbst unterscheidet zwischen verschiedenen Formen: Während illegales Sprühen als "Bombing" bezeichnet wird, gibt es eine wachsende Bewegung legaler Künstler, die an offiziellen Projekten arbeiten. Diese Entwicklung wird von vielen Kommunen gefördert, da legale Graffiti-Flächen nachweislich illegale Schmierereien in der Umgebung reduzieren.
Legale Graffiti-Flächen und Halls of Fame
Zahlreiche Städte haben offiziell freigegebene Flächen für Graffiti eingerichtet. Diese sogenannten "Halls of Fame" oder "Legal Walls" befinden sich oft an Brückenpfeilern, Unterführungen oder eigens errichteten Wänden. Die Nutzung ist kostenlos und legal – einzige Voraussetzung ist meist die Einhaltung gewisser Grundregeln wie dem Verbot von verfassungsfeindlichen oder beleidigenden Inhalten.
Informationen über legale Flächen in der Nähe bieten kommunale Jugendzentren, Kulturämter oder spezialisierte Websites. Einige Städte führen offizielle Listen und Karten mit allen freigegebenen Bereichen. Die Qualität der Arbeiten an legalen Wänden ist oft deutlich höher als bei illegalen Aktionen, da Künstler ohne Zeitdruck und Entdeckungsrisiko arbeiten können.
Auftragsarbeiten und Kunstprojekte
Professionelle Graffiti-Künstler werden zunehmend für legale Projekte gebucht. Hauseigentümer, Unternehmen und Kommunen vergeben Aufträge für Fassadengestaltung, Wandmalereien oder Kunstinstallationen. Diese Arbeiten werden vergütet und schaffen eine Win-Win-Situation: Der Künstler kann sein Talent legal einsetzen und der Auftraggeber erhält ein individuelles Kunstwerk.
Der Weg vom illegalen Sprüher zum Auftragskünstler ist möglich, erfordert aber den Aufbau eines Portfolios und professioneller Strukturen. Viele erfolgreiche Street-Art-Künstler haben ihre Karriere mit illegalen Aktionen begonnen, sich aber bewusst für den legalen Weg entschieden. Die künstlerische Anerkennung und die wirtschaftlichen Möglichkeiten überwiegen dabei die Risiken des illegalen Sprühens.
Checkliste: Legale Alternativen zum illegalen Graffiti
- Informieren Sie sich über legale Wände in Ihrer Stadt beim Kulturamt oder Jugendzentrum
- Fragen Sie Eigentümer direkt um Erlaubnis – viele sind aufgeschlossener als vermutet
- Dokumentieren Sie Ihre Arbeiten für ein Portfolio
- Vernetzen Sie sich mit lokalen Kunstinitiativen und Kulturvereinen
- Bewerben Sie sich bei Ausschreibungen für Kunst im öffentlichen Raum
- Nutzen Sie Social Media, um auf Ihre legalen Werke aufmerksam zu machen
Zivilrechtliche Konsequenzen und Durchsetzung
Die zivilrechtlichen Folgen eines Graffiti-Vorfalls laufen parallel zum Strafverfahren und können dieses an finanzieller Tragweite deutlich übertreffen. Während das Strafverfahren mit der Verurteilung endet, können zivilrechtliche Ansprüche noch Jahre später geltend gemacht werden. Die Verjährungsfrist für Schadensersatzansprüche beträgt in der Regel drei Jahre ab Kenntnis von Schaden und Schädiger.
Der Geschädigte hat verschiedene Möglichkeiten, seine Ansprüche durchzusetzen. Er kann den Täter außergerichtlich zur Zahlung auffordern, ein Mahnverfahren einleiten oder direkt Klage erheben. Im Strafverfahren besteht zudem die Möglichkeit, sich als Nebenkläger zu beteiligen und den Schadensersatzanspruch im sogenannten Adhäsionsverfahren geltend zu machen.
Haftung bei mehreren Tätern
Graffiti wird häufig nicht allein, sondern in Gruppen begangen. Zivilrechtlich haften alle Beteiligten als Gesamtschuldner – der Geschädigte kann von jedem einzelnen den vollen Schaden verlangen. Der in Anspruch genommene Täter muss sich dann intern mit den anderen Beteiligten auseinandersetzen.
Diese Gesamtschuld hat praktische Konsequenzen: Auch wer "nur" Schmiere gestanden hat oder "nur" einen kleinen Teil des Graffitis gesprüht hat, kann für den gesamten Schaden herangezogen werden. Selbst wenn ein Mittäter nicht ermittelt wird oder zahlungsunfähig ist, bleibt die Haftung der anderen bestehen. Diese Regelung macht deutlich, dass bereits die Beteiligung an einer Gruppe erhebliche finanzielle Risiken birgt.
Versicherungsschutz und Deckung
Eine private Haftpflichtversicherung deckt Graffiti-Schäden in der Regel nicht ab. Die meisten Versicherungsbedingungen schließen vorsätzlich verursachte Schäden ausdrücklich aus – und Graffiti ist stets vorsätzlich. Der Täter muss daher aus eigener Tasche zahlen, was gerade bei jungen Menschen ohne Vermögen zu langfristigen finanziellen Belastungen führen kann.
Auf Seiten der Geschädigten sieht es anders aus: Gebäudeversicherungen oder spezielle Graffiti-Policen können die Reinigungskosten übernehmen. Der Versicherer wird dann jedoch versuchen, den Schaden vom Verursacher zurückzufordern – der sogenannte Regress. Die Versicherungsleistung schützt also zunächst den Eigentümer, nicht aber den Täter, der letztlich dennoch zahlen muss.
Praxis-Tipp: Frühzeitige Regulierung lohnt sich
Wer als Täter feststeht, sollte eine frühzeitige Schadenregulierung in Betracht ziehen. Eine außergerichtliche Einigung vermeidet zusätzliche Gerichts- und Anwaltskosten, die bei einem Rechtsstreit hinzukommen würden. Zudem wirkt sich die Wiedergutmachung positiv auf das parallele Strafverfahren aus und kann dort zu einer milderen Strafe oder sogar Verfahrenseinstellung führen.
Die zivilrechtliche Durchsetzung von Schadensersatzansprüchen kann sich über Jahre hinziehen. Wenn der Täter nicht freiwillig zahlt, muss der Geschädigte einen Vollstreckungstitel erwirken und die Zwangsvollstreckung betreiben. Bei zahlungsunfähigen Tätern bleibt der Anspruch zwar bestehen und kann später erneut geltend gemacht werden, eine sofortige Durchsetzung ist jedoch nicht möglich.
Für Täter bedeutet dies: Ein unbezahlter Schadensersatzanspruch verschwindet nicht einfach. Er kann noch Jahre später das Gehalt pfändbar machen oder bei Vermögenserwerb durchgesetzt werden. Die frühzeitige Auseinandersetzung mit den zivilrechtlichen Folgen und die Suche nach Lösungen – etwa Ratenzahlung oder Vergleich – ist daher auch im eigenen Interesse dringend empfehlenswert.
