Aktuelle Rechtslage zu befristeten Arbeitsverträgen
Der Brief vom Arbeitgeber liegt auf dem Tisch: ein neuer Arbeitsvertrag, wieder befristet auf zwei Jahre. Zum dritten Mal in Folge. Die Hoffnung auf Planungssicherheit, auf einen Kredit für die Wohnung, auf berufliche Stabilität – erneut aufgeschoben. Diese Situation kennen Millionen Beschäftigte in Deutschland, denn befristete Arbeitsverträge gehören längst zum Alltag des deutschen Arbeitsmarktes.
Die rechtliche Grundlage für Befristungen findet sich im Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG), das seit 2001 die Rahmenbedingungen für zeitlich begrenzte Arbeitsverhältnisse regelt. Dieses Gesetz setzt die europäische Richtlinie 1999/70/EG um und versucht, einen Ausgleich zwischen den Flexibilitätsbedürfnissen der Arbeitgeber und dem Schutzbedürfnis der Arbeitnehmer herzustellen. Dabei gilt der Grundsatz: Der unbefristete Arbeitsvertrag ist der Regelfall, die Befristung die rechtfertigungsbedürftige Ausnahme.
Verbreitung befristeter Arbeitsverhältnisse
In Deutschland arbeiten derzeit etwa acht Prozent aller abhängig Beschäftigten in befristeten Arbeitsverhältnissen. Besonders betroffen sind junge Berufseinsteiger, Beschäftigte im öffentlichen Dienst und Arbeitnehmer in bestimmten Branchen wie der Wissenschaft, dem Kulturbereich oder dem Gesundheitswesen. Für diese Menschen bedeutet die Befristung oft jahrelange Unsicherheit trotz hervorragender Qualifikation und Leistung.
Die Rechtsprechung hat in den vergangenen Jahren wichtige Leitlinien entwickelt, die den Missbrauch von Befristungen eindämmen sollen. Das Bundesarbeitsgericht prüft regelmäßig, ob die gesetzlichen Vorgaben eingehalten werden, und hat dabei durchaus arbeitnehmerfreundliche Entscheidungen getroffen. Dennoch bleibt der rechtliche Rahmen komplex und für Laien schwer durchschaubar.
Formelle Anforderungen an Befristungen
Eine wirksame Befristung setzt zwingend die Schriftform voraus. Der befristete Arbeitsvertrag muss vor Arbeitsantritt von beiden Parteien eigenhändig unterschrieben werden. Fehlt die Schriftform oder wird sie nicht rechtzeitig eingehalten, ist die Befristungsabrede unwirksam – der Arbeitsvertrag gilt dann als unbefristet geschlossen. Dies ist ein häufiger Fehler in der Praxis, der Arbeitnehmern unerwartete Chancen eröffnen kann.
Darüber hinaus muss die Befristung eindeutig sein. Es muss klar erkennbar sein, wann das Arbeitsverhältnis enden soll – entweder durch ein konkretes Datum (kalendermäßige Befristung) oder durch Eintritt eines bestimmten Ereignisses (Zweckbefristung). Unklarheiten gehen dabei zu Lasten des Arbeitgebers und können ebenfalls zur Entfristung führen.
Praxis-Tipp: Arbeitsvertrag vor Unterschrift prüfen lassen
Unterschreiben Sie einen befristeten Arbeitsvertrag niemals unter Zeitdruck. Nehmen Sie sich die Zeit, die Befristungsklausel genau zu prüfen. Achten Sie darauf, dass der schriftliche Vertrag vor Ihrem ersten Arbeitstag vorliegt und von beiden Seiten unterschrieben ist. Eine mündliche Zusage oder ein per E-Mail übersandter Vertrag genügt nicht.
Diskussion um ein Grundrecht auf Entfristung
Immer wieder wird in der politischen und juristischen Debatte die Frage aufgeworfen, ob es ein Grundrecht auf unbefristete Beschäftigung geben sollte oder möglicherweise sogar bereits gibt. Die Antwort des deutschen Verfassungsrechts ist eindeutig: Ein ausdrückliches Grundrecht auf einen unbefristeten Arbeitsvertrag existiert nicht. Weder im Grundgesetz noch in anderen Verfassungsnormen findet sich eine entsprechende Garantie.
Allerdings lassen sich aus verschiedenen Grundrechten Schutzpflichten des Staates ableiten, die mittelbar auch befristet Beschäftigte erfassen. Die Berufsfreiheit aus Artikel 12 Grundgesetz schützt das Recht, einen Beruf frei zu wählen und auszuüben. Die Menschenwürde aus Artikel 1 Grundgesetz und das Sozialstaatsprinzip verlangen vom Staat, Rahmenbedingungen zu schaffen, die ein menschenwürdiges Arbeitsleben ermöglichen. Aus diesen Normen folgt zumindest die Pflicht, den Missbrauch von Befristungen zu unterbinden.
Verfassungsrechtliche Einordnung
Das Bundesverfassungsgericht hat in mehreren Entscheidungen betont, dass der Gesetzgeber bei der Ausgestaltung des Arbeitsrechts einen weiten Gestaltungsspielraum hat. Die Zulassung befristeter Arbeitsverträge als solche verstößt nicht gegen das Grundgesetz. Allerdings muss der Gesetzgeber sicherstellen, dass Arbeitnehmer nicht in verfassungswidriger Weise benachteiligt werden.
Die Schutzpflichtdimension der Grundrechte verlangt dabei, dass der Staat aktiv wird, wenn strukturelle Ungleichgewichte zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern bestehen. Das Befristungsrecht des TzBfG ist als Ausfluss dieser Schutzpflicht zu verstehen: Es begrenzt die Möglichkeiten zur Befristung und schützt damit die Interessen der Beschäftigten, ohne die unternehmerische Freiheit vollständig einzuschränken.
Politische Reformdiskussion
In der politischen Arena wird seit Jahren über Reformen des Befristungsrechts gestritten. Gewerkschaften und Arbeitnehmerverbände fordern regelmäßig eine Abschaffung oder zumindest deutliche Einschränkung der sachgrundlosen Befristung. Arbeitgeberverbände betonen hingegen die Notwendigkeit flexibler Beschäftigungsformen für die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft.
Konkrete Gesetzesinitiativen zur Einschränkung sachgrundloser Befristungen wurden mehrfach diskutiert, scheiterten bislang jedoch an politischen Mehrheitsverhältnissen. Die Debatte zeigt: Ein vollständiges Verbot von Befristungen steht nicht zur Debatte, wohl aber eine stärkere Regulierung zum Schutz der Beschäftigten. Bis zu einer gesetzlichen Änderung müssen Arbeitnehmer ihre Rechte im bestehenden System kennen und durchsetzen.
Gesetzliche Grenzen für Befristungen nach TzBfG
Das Teilzeit- und Befristungsgesetz bildet den zentralen rechtlichen Rahmen für alle Befristungsfragen in Deutschland. Es unterscheidet grundlegend zwischen zwei Arten der Befristung: der Befristung mit sachlichem Grund und der sachgrundlosen Befristung. Diese Unterscheidung ist von enormer praktischer Bedeutung, denn sie bestimmt, unter welchen Voraussetzungen ein Arbeitsverhältnis wirksam zeitlich begrenzt werden kann.
Der Gesetzgeber hat mit dem TzBfG einen differenzierten Regelungsrahmen geschaffen, der einerseits den Arbeitgebern gewisse Flexibilität einräumt, andererseits aber klare Grenzen setzt. Diese Grenzen zu kennen ist für jeden Arbeitnehmer essentiell, denn ihre Überschreitung führt zur Unwirksamkeit der Befristung – mit weitreichenden Konsequenzen.
Die Grundnorm des § 14 TzBfG
§ 14 TzBfG ist die zentrale Vorschrift für die Zulässigkeit von Befristungen. Absatz 1 regelt die Sachgrundbefristung und enthält einen Katalog anerkannter Befristungsgründe. Absatz 2 ermöglicht die sachgrundlose Befristung unter bestimmten engen Voraussetzungen. Die Norm ist dabei nicht abschließend, sondern lässt Raum für weitere, nicht ausdrücklich genannte Sachgründe.
Entscheidend ist das Schriftformerfordernis des § 14 Absatz 4 TzBfG: Die Befristung eines Arbeitsvertrags bedarf zu ihrer Wirksamkeit der Schriftform. Diese Formvorschrift ist zwingend und kann nicht abbedungen werden. Ein Verstoß führt nach § 16 TzBfG dazu, dass der Arbeitsvertrag als auf unbestimmte Zeit geschlossen gilt.
Beispiel: Fehlende Schriftform bei Vertragsverlängerung
Arbeitnehmerin K. arbeitet seit einem Jahr befristet bei einem Unternehmen. Kurz vor Vertragsende teilt ihr der Vorgesetzte mündlich mit, dass der Vertrag um ein weiteres Jahr verlängert wird. K. arbeitet weiter, erhält aber erst drei Wochen nach Beginn der Verlängerung einen schriftlichen Vertrag. Die Befristung ist unwirksam, da die Schriftform nicht vor Beginn des verlängerten Arbeitsverhältnisses gewahrt wurde. K.s Arbeitsverhältnis gilt als unbefristet.
Rechtsfolgen bei Verstößen
Verstößt eine Befristungsvereinbarung gegen die gesetzlichen Vorgaben, ist nicht der gesamte Arbeitsvertrag unwirksam, sondern nur die Befristungsabrede. Der Vertrag bleibt im Übrigen bestehen und gilt als unbefristet geschlossen. Diese Rechtsfolge ist in § 16 TzBfG ausdrücklich geregelt und stellt einen wichtigen Schutz für Arbeitnehmer dar.
Allerdings müssen Arbeitnehmer aktiv werden, um diese Rechtsfolge auch durchzusetzen. Eine unwirksame Befristung führt nicht automatisch zur Weiterbeschäftigung. Vielmehr muss der Arbeitnehmer die Unwirksamkeit der Befristung gerichtlich feststellen lassen, wenn der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis nicht freiwillig fortsetzt. Hierfür gilt eine wichtige Frist, die unbedingt beachtet werden muss.
Befristung mit und ohne Sachgrund
Die Unterscheidung zwischen Sachgrundbefristung und sachgrundloser Befristung ist fundamental für das Verständnis des deutschen Befristungsrechts. Beide Varianten haben unterschiedliche Voraussetzungen und unterliegen verschiedenen Beschränkungen. Arbeitnehmer sollten genau wissen, welche Art der Befristung in ihrem Fall vorliegt, denn davon hängen ihre Rechte und Handlungsmöglichkeiten ab.
Bei der Sachgrundbefristung liegt ein objektiver Grund vor, der die zeitliche Begrenzung des Arbeitsverhältnisses rechtfertigt. Die sachgrundlose Befristung hingegen bedarf keiner inhaltlichen Rechtfertigung, ist dafür aber an engere zeitliche und formale Grenzen gebunden. In der Praxis verwenden Arbeitgeber häufig beide Varianten, wobei die sachgrundlose Befristung besonders bei Neueinstellungen verbreitet ist.
Anerkannte Sachgründe im Überblick
§ 14 Absatz 1 TzBfG nennt acht typische Sachgründe für eine Befristung. Dazu gehören der vorübergehende betriebliche Bedarf an der Arbeitsleistung, die Befristung im Anschluss an eine Ausbildung oder ein Studium zur Erleichterung des Übergangs in Beschäftigung, die Vertretung eines anderen Arbeitnehmers sowie die Eigenart der Arbeitsleistung. Letzterer Grund spielte auch in der eingangs erwähnten Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts zum Profifußball eine zentrale Rolle.
Weitere anerkannte Sachgründe sind die Erprobung des Arbeitnehmers, in der Person des Arbeitnehmers liegende Gründe, die Vergütung aus Haushaltsmitteln, die für eine befristete Beschäftigung bestimmt sind, sowie eine gerichtliche Vergleichsregelung. Diese Aufzählung ist jedoch nicht abschließend – auch andere vergleichbare Gründe können eine Befristung rechtfertigen.
Checkliste: Häufige Sachgründe für Befristungen
- Vorübergehender betrieblicher Bedarf (z.B. Projektarbeit, Saisongeschäft)
- Vertretung eines anderen Arbeitnehmers (z.B. Elternzeit, Krankheit)
- Eigenart der Arbeitsleistung (z.B. künstlerische Tätigkeit, Profisport)
- Erprobung (in der Regel nur wenige Monate gerechtfertigt)
- Haushaltsmittel sind nur befristet bewilligt (öffentlicher Dienst)
- Anschlussbeschäftigung nach Ausbildung zur Übergangserleichterung
Grenzen der sachgrundlosen Befristung
Die sachgrundlose Befristung nach § 14 Absatz 2 TzBfG ist an strikte Voraussetzungen geknüpft. Die Gesamtdauer darf zwei Jahre nicht überschreiten, und innerhalb dieses Zeitraums ist höchstens eine dreimalige Verlängerung zulässig. Entscheidend ist zudem das sogenannte Vorbeschäftigungsverbot: Eine sachgrundlose Befristung ist ausgeschlossen, wenn mit demselben Arbeitgeber bereits zuvor ein Arbeitsverhältnis bestanden hat.
Das Vorbeschäftigungsverbot wurde vom Bundesverfassungsgericht im Jahr 2018 dahingehend eingeschränkt, dass es nicht für sehr lange zurückliegende Beschäftigungsverhältnisse gilt. Eine starre zeitliche Grenze hat das Gericht jedoch nicht gezogen, sondern auf eine Einzelfallbetrachtung verwiesen. Als Orientierung gelten Vorbeschäftigungen von mehr als acht Jahren als unbeachtlich, bei drei Jahren oder weniger ist die Vorbeschäftigung jedenfalls relevant.
Kettenbefristungen und ihre rechtlichen Grenzen
Von einer Kettenbefristung spricht man, wenn ein Arbeitnehmer über Jahre hinweg immer wieder befristete Verträge beim selben Arbeitgeber erhält, ohne dass jemals eine Übernahme in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis erfolgt. Diese Praxis ist weit verbreitet, insbesondere im öffentlichen Dienst und in der Wissenschaft. Sie führt für die Betroffenen zu einer dauerhaften Prekarisierung trotz langjähriger Betriebszugehörigkeit und stellt einen Missbrauch der Befristungsmöglichkeiten dar.
Das Gesetz verbietet Kettenbefristungen nicht ausdrücklich, aber die Rechtsprechung hat wichtige Schranken entwickelt. Das Bundesarbeitsgericht prüft bei aufeinanderfolgenden Sachgrundbefristungen, ob ein institutioneller Rechtsmissbrauch vorliegt. Je länger die Kette und je häufiger die Verlängerungen, desto strenger wird diese Prüfung. Arbeitnehmer haben durchaus Chancen, gegen missbräuchliche Kettenbefristungen vorzugehen.
Institutionelle Missbrauchskontrolle
Bei der Missbrauchskontrolle prüfen die Gerichte verschiedene Indizien. Dazu gehören die Gesamtdauer des Arbeitsverhältnisses, die Anzahl der aufeinanderfolgenden Befristungen, ob immer derselbe Sachgrund genannt wurde und ob eine Prognose für den Wegfall des Befristungsgrundes jemals realistisch war. Je mehr dieser Faktoren auf einen Missbrauch hindeuten, desto eher wird das Gericht die letzte Befristung für unwirksam erklären.
Das Bundesarbeitsgericht hat Orientierungswerte entwickelt: Bei einer Gesamtdauer von mehr als sechs Jahren und mehr als neun Vertragsverlängerungen liegt regelmäßig ein Missbrauch nahe. Bei kürzerer Dauer oder weniger Verlängerungen muss der Arbeitnehmer konkrete Anhaltspunkte für einen Missbrauch darlegen. Diese Werte sind jedoch keine starren Grenzen, sondern Richtwerte für die Einzelfallprüfung.
Beispiel: Erfolgreiche Klage gegen Kettenbefristung
Wissenschaftliche Mitarbeiterin Dr. M. war über elf Jahre an einer Universität beschäftigt, stets befristet wegen angeblich nur vorübergehend zur Verfügung stehender Drittmittel. Insgesamt schloss sie dreizehn befristete Verträge ab. Das Arbeitsgericht stellte fest, dass ein institutioneller Rechtsmissbrauch vorlag: Die Universität hatte die Befristungsmöglichkeit systematisch genutzt, um dauerhaften Bedarf mit befristeten Kräften zu decken. Das Arbeitsverhältnis gilt seither als unbefristet.
Sonderregelungen im Wissenschaftsbereich
Für den Wissenschaftsbereich gelten Sonderregelungen nach dem Wissenschaftszeitvertragsgesetz (WissZeitVG). Dieses erlaubt deutlich längere Befristungen als das TzBfG – bis zu sechs Jahre vor und weitere sechs Jahre nach der Promotion. Diese Regelung soll die Besonderheiten wissenschaftlicher Karrierewege berücksichtigen, wird aber von Betroffenen und Gewerkschaften heftig kritisiert.
Auch im Wissenschaftsbereich gibt es jedoch Grenzen. Die Befristung muss der wissenschaftlichen Qualifizierung dienen, und auch hier gilt das Verbot des institutionellen Rechtsmissbrauchs. Wissenschaftliche Mitarbeiter sollten genau prüfen, ob ihre Befristung tatsächlich unter das WissZeitVG fällt oder ob das allgemeine Befristungsrecht des TzBfG Anwendung findet, das ihnen möglicherweise besseren Schutz bietet.
Entfristungsklage bei rechtswidriger Befristung
Die Entfristungsklage ist das zentrale Instrument für Arbeitnehmer, die sich gegen eine unwirksame Befristung wehren wollen. Mit dieser Klage wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis nicht durch die vereinbarte Befristung beendet wurde, sondern unbefristet fortbesteht. Die Klage muss beim zuständigen Arbeitsgericht eingereicht werden und richtet sich gegen den Arbeitgeber.
Der Erfolg einer Entfristungsklage hängt entscheidend von der rechtlichen Beurteilung der konkreten Befristungsabrede ab. War die Befristung von Anfang an unwirksam – etwa wegen fehlender Schriftform oder eines nicht tragfähigen Sachgrundes – stehen die Chancen gut. Das Gericht prüft dabei umfassend, ob alle gesetzlichen Voraussetzungen für die Befristung erfüllt waren. Die Beweislast für das Vorliegen eines Sachgrundes trägt der Arbeitgeber.
Die kritische Dreiwochenfrist
Absolut entscheidend für jede Entfristungsklage ist die Einhaltung der Klagefrist. Nach § 17 TzBfG muss der Arbeitnehmer innerhalb von drei Wochen nach dem vereinbarten Ende des befristeten Arbeitsvertrags Klage erheben. Wird diese Frist versäumt, gilt die Befristung als von Anfang an wirksam – selbst wenn sie objektiv rechtswidrig war. Diese Regelung entspricht der Systematik des Kündigungsschutzrechts und dient der Rechtssicherheit.
Die Dreiwochenfrist beginnt mit dem im Vertrag vorgesehenen Beendigungsdatum, nicht etwa mit dem Tag der Mitteilung, dass keine Weiterbeschäftigung erfolgt. Bei einer Zweckbefristung beginnt die Frist mit Erreichen des Zwecks. Arbeitnehmer sollten den Fristbeginn genau im Blick haben und rechtzeitig handeln – eine Fristverlängerung ist nur in engen Ausnahmefällen möglich.
Praxis-Tipp: Fristen im Kalender notieren und früh handeln
Notieren Sie sich das Ende Ihres befristeten Vertrags sofort im Kalender – und zwar mit einem Vorlauf von mindestens vier Wochen. Wenn Sie Zweifel an der Wirksamkeit der Befristung haben, lassen Sie diese spätestens zwei Wochen vor Vertragsende rechtlich prüfen. So bleibt genug Zeit, um eine Klage fristgerecht einzureichen.
Ablauf des Klageverfahrens
Nach Einreichung der Klage setzt das Arbeitsgericht einen Gütetermin an, der in der Regel innerhalb weniger Wochen stattfindet. In diesem Termin wird versucht, eine gütliche Einigung zwischen den Parteien zu erzielen. Scheitert die Güteverhandlung, folgt ein Kammertermin, in dem das Gericht nach mündlicher Verhandlung ein Urteil spricht.
Im Verfahren muss der Arbeitnehmer darlegen, warum er die Befristung für unwirksam hält. Der Arbeitgeber muss dann beweisen, dass ein wirksamer Befristungsgrund vorlag und alle formellen Anforderungen eingehalten wurden. Diese Beweislastverteilung ist für Arbeitnehmer vorteilhaft, da der Arbeitgeber die Rechtmäßigkeit der Befristung nachweisen muss, nicht umgekehrt.
Europarechtliche Entwicklungen und Auswirkungen
Das deutsche Befristungsrecht ist maßgeblich durch europäisches Recht geprägt. Die Richtlinie 1999/70/EG über befristete Arbeitsverträge verpflichtet die Mitgliedstaaten, Maßnahmen gegen den Missbrauch aufeinanderfolgender befristeter Arbeitsverträge zu ergreifen. Diese Richtlinie wurde mit dem TzBfG in deutsches Recht umgesetzt und bildet bis heute den europarechtlichen Rahmen für das nationale Befristungsrecht.
Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat in zahlreichen Entscheidungen das europäische Befristungsrecht konkretisiert und dabei oft arbeitnehmerfreundliche Positionen eingenommen. Deutsche Gerichte sind verpflichtet, das nationale Recht im Lichte dieser EuGH-Rechtsprechung auszulegen. Dies führt dazu, dass europarechtliche Entwicklungen unmittelbare Auswirkungen auf die Rechtslage in Deutschland haben können.
Wichtige EuGH-Entscheidungen
Der EuGH hat mehrfach betont, dass befristete Arbeitnehmer nicht allein wegen ihrer Befristung schlechter behandelt werden dürfen als vergleichbare unbefristet Beschäftigte. Dieses Diskriminierungsverbot erfasst alle Arbeitsbedingungen, von der Vergütung über Urlaubsansprüche bis hin zu Kündigungsfristen. Verstöße gegen dieses Gleichbehandlungsgebot können Arbeitnehmer vor deutschen Gerichten geltend machen.
Besondere Bedeutung hat die Rechtsprechung des EuGH zur Missbrauchskontrolle bei Kettenbefristungen. Der Gerichtshof verlangt von den Mitgliedstaaten wirksame Maßnahmen, um den Missbrauch aufeinanderfolgender Befristungen zu verhindern. Das deutsche Recht mit seiner Missbrauchskontrolle durch die Arbeitsgerichte entspricht diesen Anforderungen grundsätzlich, steht aber unter ständiger europarechtlicher Beobachtung.
Zukunftsperspektiven und mögliche Änderungen
Die europäische Ebene könnte in Zukunft weitere Impulse für eine Stärkung der Rechte befristet Beschäftigter geben. Diskutiert wird etwa eine Verschärfung der Anforderungen an Sachgrundbefristungen oder eine Begrenzung der Gesamtdauer von Befristungsketten. Auch die Einführung europäischer Mindeststandards für die sachgrundlose Befristung ist Gegenstand politischer Debatten.
Für Arbeitnehmer in Deutschland bedeutet dies, dass sich die Rechtslage in den kommenden Jahren durchaus verbessern könnte. Unabhängig davon sollten Betroffene ihre bestehenden Rechte kennen und nutzen. Das geltende deutsche und europäische Recht bietet bereits heute wirksame Instrumente gegen den Missbrauch von Befristungen – sie müssen nur aktiv eingefordert werden.
Praktische Durchsetzung von Entfristungsansprüchen
Die Durchsetzung eines Anspruchs auf Entfristung erfordert von Arbeitnehmern ein strategisches Vorgehen. Es genügt nicht, auf die Unwirksamkeit einer Befristung zu hoffen – aktives Handeln ist gefragt. Der erste Schritt ist stets die genaue Analyse des eigenen Arbeitsvertrags und der Umstände, unter denen er geschlossen und gegebenenfalls verlängert wurde.
Arbeitnehmer sollten alle relevanten Dokumente sichern: den Arbeitsvertrag selbst, alle Verlängerungsvereinbarungen, Korrespondenz mit dem Arbeitgeber zum Thema Befristung sowie Nachweise über den tatsächlichen Beginn der Tätigkeit. Diese Unterlagen sind im Streitfall entscheidend und sollten sorgfältig aufbewahrt werden. Auch E-Mails oder andere Schriftstücke, die Aufschluss über den wahren Befristungsgrund geben, können wertvoll sein.
Beweissicherung und Dokumentation
Die Beweislage ist häufig entscheidend für den Ausgang eines Entfristungsverfahrens. Arbeitnehmer sollten dokumentieren, welche Aufgaben sie tatsächlich ausführen und ob diese dem angegebenen Befristungsgrund entsprechen. Wenn etwa eine Befristung mit einem vorübergehenden Projekt begründet wird, der Arbeitnehmer aber dauerhaft Regelaufgaben erledigt, spricht dies gegen die Wirksamkeit der Befristung.
Auch Äußerungen von Vorgesetzten oder Personalverantwortlichen können relevant sein. Wenn etwa der Vorgesetzte mitteilt, man würde den Arbeitnehmer gerne unbefristet übernehmen, aber die Personalabteilung erlaube nur befristete Verträge, deutet dies auf einen Missbrauch hin. Solche Aussagen sollten mit Datum und Zeugen dokumentiert werden.
Praxis-Tipp: Aussagekräftige Dokumentation anlegen
Führen Sie ab Vertragsschluss ein kurzes Protokoll relevanter Ereignisse: Wann haben Sie welche Aufgaben übernommen? Gab es Gespräche über eine Entfristung? Wurden Gründe für die Befristung genannt? Diese Aufzeichnungen können Monate oder Jahre später den Unterschied zwischen Erfolg und Misserfolg Ihrer Klage ausmachen.
Strategien in Vergleichsverhandlungen
Nicht jede Entfristungsklage endet mit einem Urteil. Viele Verfahren werden durch einen Vergleich beendet, in dem sich die Parteien auf eine Lösung einigen. Ein typischer Vergleich kann die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses als unbefristetes regeln, alternativ eine Abfindungszahlung bei Beendigung oder eine befristete Weiterbeschäftigung mit anschließender Entfristungszusage.
In Vergleichsverhandlungen sollten Arbeitnehmer ihre Ziele klar definieren. Wollen sie tatsächlich weiter beim Arbeitgeber arbeiten, oder geht es primär um eine finanzielle Kompensation? Die Antwort auf diese Frage bestimmt die Verhandlungsstrategie. Eine realistische Einschätzung der eigenen Rechtsposition ist dabei ebenso wichtig wie das Wissen um die Interessen des Arbeitgebers.
Konsequenzen einer erfolgreichen Klage
Ist die Entfristungsklage erfolgreich, gilt das Arbeitsverhältnis als von Anfang an unbefristet geschlossen. Der Arbeitnehmer hat dann einen Anspruch auf Weiterbeschäftigung zu den bisherigen Bedingungen. Hat der Arbeitgeber den Arbeitnehmer nach dem vermeintlichen Vertragsende nicht weiterbeschäftigt, schuldet er für diese Zeit Annahmeverzugslohn – also die Vergütung, die der Arbeitnehmer bei fortgesetzter Beschäftigung verdient hätte.
Die praktische Umsetzung eines Entfristungsurteils kann gleichwohl schwierig sein. Manche Arbeitgeber versuchen, erfolgreiche Kläger durch Versetzungen oder andere Maßnahmen zu benachteiligen. Dagegen können sich Arbeitnehmer wehren, denn das Urteil begründet einen vollwertigen Anspruch auf Beschäftigung. Im Zweifel kann die Weiterbeschäftigung gerichtlich durchgesetzt werden.
Checkliste: Schritte bei Zweifeln an der Befristung
- Arbeitsvertrag und alle Verlängerungen auf formelle Fehler prüfen
- Genannten Sachgrund auf Plausibilität und tatsächliche Grundlage prüfen
- Bei sachgrundloser Befristung: Vorbeschäftigung und Gesamtdauer kontrollieren
- Alle relevanten Dokumente und Korrespondenz sichern
- Dreiwochenfrist nach Vertragsende im Kalender vormerken
- Rechtzeitig rechtliche Beratung in Anspruch nehmen
- Klage fristgerecht beim zuständigen Arbeitsgericht einreichen
Das Befristungsrecht mag komplex erscheinen, bietet aber Arbeitnehmern durchaus wirksame Schutzmechanismen. Ein Grundrecht auf unbefristete Beschäftigung existiert zwar nicht, doch die gesetzlichen Grenzen für Befristungen sind eng gezogen. Wer seine Rechte kennt und die Fristen beachtet, kann sich erfolgreich gegen unrechtmäßige Befristungen zur Wehr setzen und so die berufliche Sicherheit erlangen, die befristete Verträge oft vermissen lassen.
