Wann ist eine Mietminderung berechtigt?
Der Brief vom Vermieter liegt auf dem Tisch: Kündigung wegen unberechtigter Mietminderung. Sie haben monatelang weniger Miete gezahlt, weil die Heizung nicht richtig funktionierte oder Schimmel an den Wänden wucherte. Jetzt behauptet der Vermieter, die Minderung sei unberechtigt gewesen, und droht mit Räumung. Eine Situation, die viele Mieter in Panik versetzt – doch nicht jede solche Kündigung hält einer rechtlichen Prüfung stand.
Das Recht zur Mietminderung ist in § 536 BGB fest verankert und stellt eines der wichtigsten Mieterrechte dar. Sobald die Mietsache einen Mangel aufweist, der ihre Tauglichkeit zum vertragsgemäßen Gebrauch aufhebt oder mindert, ist die Miete automatisch gemindert. Sie müssen als Mieter nicht erst eine Genehmigung einholen oder einen Antrag stellen. Die Minderung tritt kraft Gesetzes ein – allerdings nur bei tatsächlich vorliegenden Mängeln.
Typische Mängelkategorien im Mietrecht
Zu den anerkannten Mängeln, die eine Mietminderung rechtfertigen, gehören bauliche Defekte wie undichte Fenster, defekte Heizungsanlagen oder eindringende Feuchtigkeit. Auch Lärmbelästigungen durch Baustellen, dauerhafte Geruchsbelästigungen oder der Ausfall von Aufzügen in höheren Stockwerken können Minderungsgründe darstellen. Entscheidend ist immer, dass der Mangel die Nutzung der Wohnung erheblich beeinträchtigt.
Kleinere Unannehmlichkeiten wie ein tropfender Wasserhahn oder kurzzeitige Stromausfälle begründen in der Regel keine Minderung. Die Rechtsprechung verlangt eine spürbare Beeinträchtigung des Wohnkomforts. Ein vorübergehender Heizungsausfall im Sommer wird anders bewertet als derselbe Defekt im tiefsten Winter. Die Gerichte wägen stets die konkreten Umstände des Einzelfalls ab.
Die richtige Minderungshöhe ermitteln
Die größte Fehlerquelle bei Mietminderungen liegt in der Bestimmung der Minderungshöhe. Es existiert keine verbindliche Tabelle, die für jeden Mangel einen festen Prozentsatz vorgibt. Sogenannte Mietminderungstabellen bieten lediglich Orientierungswerte aus vergangenen Gerichtsurteilen. Diese Urteile berücksichtigen jedoch immer die spezifischen Umstände des jeweiligen Falls.
Eine Schimmelbildung kann je nach Ausmaß und Lage zwischen fünf und fünfzig Prozent Minderung rechtfertigen. Ein kleiner Schimmelfleck im Keller wird anders bewertet als großflächiger Befall im Schlafzimmer. Wer die Minderung zu hoch ansetzt, riskiert genau die Situation, die zur Kündigung führen kann: einen Mietrückstand, der formal eine Kündigung rechtfertigt.
Praxis-Tipp: Minderung konservativ ansetzen
Setzen Sie die Mietminderung im Zweifel eher niedriger an als die Mietminderungstabellen suggerieren. Alternativ können Sie die volle Miete unter ausdrücklichem Vorbehalt der Rückforderung zahlen und den Minderungsbetrag später zurückverlangen. So vermeiden Sie das Risiko eines Mietrückstands und behalten dennoch Ihre Ansprüche.
Voraussetzungen für eine Kündigung wegen Mietminderung
Nicht jede zu hoch angesetzte Mietminderung führt automatisch zu einer wirksamen Kündigung. Das Mietrecht stellt hohe Hürden auf, bevor ein Vermieter das Mietverhältnis wegen Zahlungsrückständen beenden kann. Diese Schutzvorschriften gelten auch dann, wenn die Rückstände durch eine fehlerhafte Mietminderung entstanden sind.
Grundsätzlich unterscheidet das Gesetz zwischen der fristlosen und der ordentlichen Kündigung wegen Zahlungsverzugs. Für eine fristlose Kündigung nach § 543 Abs. 2 Nr. 3 BGB muss der Mieter entweder mit zwei aufeinanderfolgenden Monatsmieten oder insgesamt mit einem Betrag in Höhe von zwei Monatsmieten im Rückstand sein. Bei der ordentlichen Kündigung genügt bereits ein geringerer Rückstand, wobei zusätzliche Voraussetzungen erfüllt sein müssen.
Grenzen der fristlosen Kündigung
Die fristlose Kündigung stellt den schärfsten Eingriff in das Mietverhältnis dar. Sie setzt voraus, dass der Mietrückstand die gesetzlichen Schwellenwerte überschreitet. Entscheidend ist dabei nicht die ursprünglich vereinbarte Miete, sondern die tatsächlich geschuldete Miete unter Berücksichtigung berechtigter Minderungen. Wenn Sie also berechtigt um zwanzig Prozent mindern, erhöht sich der Rückstand nur um den Betrag, um den Sie zu viel gemindert haben.
Das Amtsgericht Neukölln hat in einem wegweisenden Urteil entschieden, dass eine Kündigung auch bei Überschreiten der Schwellenwerte unwirksam sein kann. Im konkreten Fall hatten Mieter über Jahre fünf Prozent zu viel gemindert, was in Summe knapp über einer Monatsmiete lag. Das Gericht wies die Räumungsklage dennoch ab, weil der Vermieter selbst jahrelang seiner Reparaturpflicht nicht nachgekommen war.
Die ordentliche Kündigung bei Zahlungsverzug
Auch unterhalb der Schwellenwerte für eine fristlose Kündigung kann der Vermieter unter Umständen ordentlich kündigen. Dies setzt jedoch eine nicht unerhebliche Pflichtverletzung voraus. Ein einmaliges Unterschätzen der Minderungshöhe um wenige Prozentpunkte wird regelmäßig nicht ausreichen. Die Gerichte prüfen, ob dem Mieter ein Verschulden zur Last fällt und ob die Pflichtverletzung das Vertrauensverhältnis nachhaltig erschüttert hat.
Besonders relevant ist die Frage des Verschuldens. Wenn Sie als Mieter sorgfältig recherchiert und die Minderung nachvollziehbar berechnet haben, kann selbst eine im Nachhinein als zu hoch eingestufte Minderung entschuldigt sein. Die Rechtsprechung billigt Mietern einen gewissen Beurteilungsspielraum zu. Wer erkennbar ins Blaue hinein eine überhöhte Minderung vornimmt, riskiert hingegen den Vorwurf schuldhaften Verhaltens.
Beispiel: Minderung bei Heizungsausfall im Winter
Familie Müller minderte ihre Miete um dreißig Prozent, nachdem die Heizung im Januar komplett ausgefallen war. Der Vermieter reagierte erst nach sechs Wochen. Im späteren Rechtsstreit stellte ein Sachverständiger fest, dass aufgrund der milden Außentemperaturen in diesem Winter nur eine Minderung von zwanzig Prozent angemessen gewesen wäre. Das Gericht wies die Räumungsklage des Vermieters dennoch ab: Die Müllers hatten nachvollziehbar gehandelt, und der Vermieter hatte den Mangel über Wochen ignoriert.
Abmahnung als Voraussetzung der Kündigung
Bevor ein Vermieter wegen einer unberechtigten Mietminderung kündigen kann, muss er in den meisten Fällen zunächst eine Abmahnung aussprechen. Diese Pflicht ergibt sich aus dem allgemeinen Grundsatz, dass der Mieter die Möglichkeit haben muss, sein Verhalten zu korrigieren, bevor das Mietverhältnis beendet wird. Nur bei besonders schwerwiegenden Pflichtverletzungen kann von einer Abmahnung abgesehen werden.
Die Abmahnung muss das beanstandete Verhalten konkret bezeichnen und den Mieter auffordern, die volle Miete zu zahlen. Eine pauschale Aufforderung ohne Bezugnahme auf die konkrete Minderung genügt nicht. Der Vermieter muss klarstellen, dass er die Minderung für unberechtigt hält und bei Fortsetzung des Verhaltens mietrechtliche Konsequenzen drohen.
Formelle Anforderungen an die Abmahnung
Eine wirksame Abmahnung muss schriftlich erfolgen und dem Mieter nachweisbar zugehen. Der Vermieter sollte den Zugang dokumentieren können, etwa durch Einschreiben mit Rückschein oder persönliche Übergabe mit Zeugen. Eine mündliche Abmahnung am Telefon genügt nicht den formellen Anforderungen und kann im Streitfall kaum bewiesen werden.
Inhaltlich muss die Abmahnung das gerügte Verhalten präzise beschreiben. Der bloße Hinweis auf eine zu geringe Mietzahlung reicht nicht aus. Der Vermieter muss darlegen, welchen Betrag er für geschuldet hält und warum er die vorgenommene Minderung für unberechtigt hält. Fehlt diese Konkretisierung, ist die Abmahnung unwirksam und kann eine spätere Kündigung nicht tragen.
Richtig auf eine Abmahnung reagieren
Erhalten Sie eine Abmahnung wegen Ihrer Mietminderung, sollten Sie diese nicht ignorieren. Prüfen Sie zunächst, ob die Vorwürfe berechtigt sind. Haben Sie möglicherweise die Minderungshöhe tatsächlich zu optimistisch angesetzt? Liegen die von Ihnen geltend gemachten Mängel noch vor, oder wurden sie zwischenzeitlich behoben?
Auch wenn Sie Ihre Minderung für berechtigt halten, kann es sinnvoll sein, auf die Abmahnung schriftlich zu reagieren. Legen Sie dar, warum Sie die Minderung für gerechtfertigt halten, und dokumentieren Sie die vorliegenden Mängel erneut. Diese Reaktion kann später vor Gericht belegen, dass Sie nicht leichtfertig gehandelt haben, sondern Ihre Rechte in gutem Glauben wahrgenommen haben.
Checkliste: Reaktion auf Abmahnung wegen Mietminderung
- Abmahnung auf formelle Richtigkeit prüfen (Schriftform, konkreter Vorwurf)
- Eigene Mietminderung kritisch überprüfen und neu berechnen
- Mängeldokumentation aktualisieren (Fotos, Zeugenaussagen)
- Schriftliche Stellungnahme an den Vermieter verfassen
- Gegebenenfalls Minderungshöhe anpassen oder unter Vorbehalt vollständig zahlen
- Alle Schriftwechsel sorgfältig aufbewahren
Folgen einer unberechtigten Mietminderung
Wenn sich herausstellt, dass Ihre Mietminderung ganz oder teilweise unberechtigt war, entstehen Ihnen verschiedene rechtliche Nachteile. Der offensichtlichste ist die Nachzahlungspflicht: Sie schulden dem Vermieter die Differenz zwischen der gezahlten und der tatsächlich geschuldeten Miete. Diese Nachforderung kann sich über Monate oder sogar Jahre summieren und erhebliche Beträge erreichen.
Neben der reinen Nachzahlung können Verzugszinsen anfallen. Ab dem Zeitpunkt, zu dem Sie mit der Zahlung in Verzug geraten sind, schulden Sie dem Vermieter Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz. Bei langjährigen Streitigkeiten können diese Zinsen einen beachtlichen Teil der Gesamtforderung ausmachen.
Berechnung des tatsächlichen Mietrückstands
Die Berechnung des Mietrückstands erfolgt anhand der tatsächlich geschuldeten Miete. Wenn Sie einen Mangel geltend gemacht haben, der tatsächlich vorlag, aber die Minderung zu hoch angesetzt haben, schulden Sie nur die Differenz. Lag gar kein Mangel vor, müssen Sie die gesamte einbehaltene Miete nachzahlen.
Ein Beispiel zur Verdeutlichung: Bei einer Monatsmiete von eintausend Euro und einer vorgenommenen Minderung von dreißig Prozent über zwölf Monate ergibt sich ein einbehaltener Betrag von dreitausendsechshundert Euro. Stellt ein Gericht fest, dass nur eine Minderung von zwanzig Prozent berechtigt war, beträgt der Rückstand eintausendzweihundert Euro zuzüglich Zinsen. Die berechtigten zweitausendvierhundert Euro dürfen Sie behalten.
Verjährung von Nachforderungen
Nachforderungen des Vermieters wegen unberechtigter Mietminderung unterliegen der regelmäßigen Verjährungsfrist von drei Jahren. Die Frist beginnt am Ende des Jahres, in dem die Miete fällig wurde und der Vermieter Kenntnis von den anspruchsbegründenden Umständen erlangt hat oder ohne grobe Fahrlässigkeit hätte erlangen müssen.
In der Praxis bedeutet dies, dass Vermieter ihre Ansprüche nicht unbegrenzt ansammeln können. Wer jahrelang die Minderung akzeptiert und erst später Nachforderungen stellt, riskiert die teilweise Verjährung seiner Ansprüche. Für Mieter bedeutet dies umgekehrt, dass sehr alte Forderungen möglicherweise nicht mehr durchsetzbar sind.
Widerspruch gegen die Kündigung einlegen
Erhalten Sie eine Kündigung wegen unberechtigter Mietminderung, ist schnelles Handeln gefragt. Das Gesetz räumt Ihnen verschiedene Möglichkeiten ein, sich gegen die Beendigung des Mietverhältnisses zu wehren. Die wichtigste Frist, die Sie beachten müssen, ist die Widerspruchsfrist nach § 574 BGB.
Der Widerspruch gegen die Kündigung muss spätestens zwei Monate vor dem Ablauf der Kündigungsfrist beim Vermieter eingehen. Bei einer fristlosen Kündigung gibt es diese Frist nicht, da das Mietverhältnis sofort enden soll. Hier müssen Sie im Räumungsprozess Ihre Einwendungen vorbringen. In beiden Fällen gilt: Wer schweigt, riskiert die Wirksamkeit der Kündigung.
Anerkannte Widerspruchsgründe
Der Widerspruch nach § 574 BGB stützt sich auf die sogenannte Sozialklausel. Sie können geltend machen, dass die Beendigung des Mietverhältnisses für Sie, Ihre Familie oder andere Haushaltsangehörige eine nicht zu rechtfertigende Härte bedeuten würde. Typische Härtegründe sind hohes Alter, Krankheit, Schwangerschaft oder die drohende Obdachlosigkeit.
Daneben können Sie im Widerspruch auch die Unwirksamkeit der Kündigung rügen. Dies ist insbesondere dann erfolgversprechend, wenn die Voraussetzungen für eine Kündigung nicht vorlagen. Fehlte beispielsweise die erforderliche Abmahnung oder lag der Mietrückstand unter den gesetzlichen Schwellenwerten, ist die Kündigung unwirksam und Sie müssen nicht ausziehen.
Form und Inhalt des Widerspruchs
Der Widerspruch muss schriftlich erfolgen. Eine einfache E-Mail genügt nicht den formellen Anforderungen. Verwenden Sie einen Brief, den Sie per Einschreiben mit Rückschein versenden, um den fristgerechten Zugang beweisen zu können. Bewahren Sie den Einlieferungsbeleg und den Rückschein sorgfältig auf.
Inhaltlich sollte der Widerspruch Ihre persönlichen Härtegründe darlegen und die Unwirksamkeit der Kündigung substantiiert rügen. Legen Sie dar, warum Sie die Mietminderung für berechtigt halten und welche Mängel Sie zur Minderung veranlasst haben. Fügen Sie Belege bei, soweit vorhanden. Je ausführlicher und fundierter Ihr Widerspruch, desto besser stehen Ihre Aussichten in einem späteren Gerichtsverfahren.
Praxis-Tipp: Fristen im Kalender notieren
Tragen Sie sofort nach Erhalt der Kündigung alle relevanten Fristen in Ihren Kalender ein. Berechnen Sie das Ende der Kündigungsfrist und zählen Sie zwei Monate zurück für den spätestmöglichen Widerspruchstermin. Planen Sie zusätzlich eine Woche Puffer für die Postlaufzeit ein. Versäumte Fristen können nicht nachgeholt werden und führen zum Verlust Ihrer Rechte.
Beweislast und Sachverständigengutachten
Im Streit um die Berechtigung einer Mietminderung kommt der Beweislast entscheidende Bedeutung zu. Grundsätzlich muss der Mieter beweisen, dass ein Mangel vorliegt, der die Mietminderung rechtfertigt. Der Vermieter hingegen trägt die Beweislast dafür, dass der Mangel beseitigt wurde oder von Anfang an nicht existierte. Diese Verteilung kann im Prozess über Sieg oder Niederlage entscheiden.
Die Dokumentation der Mängel ist daher von überragender Bedeutung. Fotos, Videos und Zeugenaussagen können im Rechtsstreit den Unterschied machen. Je besser Sie die Mängel dokumentiert haben, desto leichter fällt es Ihnen, Ihre Minderungsberechtigung zu beweisen. Mündliche Beteuerungen allein überzeugen Gerichte selten.
Die Rolle des Sachverständigen
Bei komplexen technischen Fragen beauftragt das Gericht regelmäßig einen Sachverständigen. Dieser prüft, ob die behaupteten Mängel tatsächlich vorliegen und in welchem Ausmaß sie die Wohnnutzung beeinträchtigen. Das Gutachten bildet häufig die Grundlage für die gerichtliche Entscheidung über die Minderungshöhe.
Sachverständigengutachten sind allerdings teuer. Die Kosten können mehrere tausend Euro betragen und müssen zunächst von derjenigen Partei vorgeschossen werden, die den Beweis angetreten hat. Im Urteil werden die Kosten dann der unterlegenen Partei auferlegt. Dieses Kostenrisiko sollten Sie bei Ihrer Entscheidung über das weitere Vorgehen berücksichtigen.
Beweissicherung vor Mängelbeseitigung
Besonders kritisch wird die Beweislage, wenn der Mangel zwischenzeitlich beseitigt wurde. Was nicht mehr da ist, kann nicht mehr begutachtet werden. Deshalb ist es wichtig, Mängel vor ihrer Beseitigung umfassend zu dokumentieren. Im Zweifelsfall können Sie auch ein selbstständiges Beweisverfahren beim Amtsgericht beantragen.
Das selbstständige Beweisverfahren dient der gerichtlichen Beweissicherung, bevor der eigentliche Rechtsstreit beginnt. Ein vom Gericht bestellter Sachverständiger dokumentiert den Zustand der Mietsache und die vorhandenen Mängel. Dieses Gutachten kann später in einem Hauptsacheverfahren verwendet werden und hat hohe Beweiskraft.
Beispiel: Feuchtigkeitsschaden und Beweissicherung
Herr Schmidt bemerkte Wasserflecken an der Decke und minderte die Miete um fünfzehn Prozent. Er fotografierte die Flecken, maß mit einem einfachen Messgerät die Feuchtigkeit und bat seine Nachbarin als Zeugin, den Zustand zu bestätigen. Als der Vermieter die Minderung bestritt und kündigte, konnte Herr Schmidt vor Gericht seine Dokumentation vorlegen. Der Sachverständige bestätigte anhand der Fotos und Messwerte, dass die Minderung berechtigt war. Die Kündigung wurde für unwirksam erklärt.
Schadensersatzforderungen des Vermieters
Neben der Nachzahlung der Mietrückstände kann der Vermieter unter Umständen auch Schadensersatz verlangen. Diese Ansprüche setzen voraus, dass dem Vermieter durch die unberechtigte Mietminderung ein über den reinen Mietausfall hinausgehender Schaden entstanden ist. In der Praxis sind solche Ansprüche selten, aber nicht ausgeschlossen.
Ein typischer Schadensersatzanspruch kann entstehen, wenn der Vermieter wegen des Mietausfalls einen Kredit aufnehmen musste oder fällige Rechnungen nicht bezahlen konnte. Auch Anwaltskosten für die außergerichtliche Rechtsverfolgung können erstattungsfähig sein, wenn die Mietminderung schuldhaft unberechtigt war.
Verschuldensmaßstab bei der Mietminderung
Schadensersatzansprüche setzen ein Verschulden des Mieters voraus. Wer sorgfältig recherchiert und die Minderung nachvollziehbar berechnet hat, handelt nicht schuldhaft, selbst wenn die Minderung im Nachhinein als zu hoch eingestuft wird. Das Risiko einer Fehleinschätzung allein begründet keine Schadensersatzpflicht.
Anders liegt es, wenn Sie erkennbar ins Blaue hinein eine völlig überhöhte Minderung vorgenommen haben oder überhaupt keinen Mangel belegen können. In solchen Fällen kann der Vermieter argumentieren, dass Sie fahrlässig gehandelt haben und für die entstandenen Schäden haften. Die Grenze zwischen zulässiger Rechtsausübung und schuldhafter Pflichtverletzung ist fließend und wird im Einzelfall bestimmt.
Abwehr von Schadensersatzforderungen
Wenn der Vermieter Schadensersatz fordert, sollten Sie zunächst prüfen, ob überhaupt ein ersatzfähiger Schaden vorliegt. Der bloße Mietausfall ist kein Schaden im schadensersatzrechtlichen Sinn, sondern wird durch die Nachzahlung ausgeglichen. Der Vermieter muss einen darüber hinausgehenden konkreten Vermögensnachteil darlegen und beweisen.
Prüfen Sie außerdem, ob den Vermieter ein Mitverschulden trifft. Hat er etwa durch die Nichtbeseitigung von Mängeln zur Entstehung des Streits beigetragen, kann dies seinen Schadensersatzanspruch mindern oder ganz ausschließen. Das Amtsgericht Neukölln hat in seinem wegweisenden Urteil genau diesen Aspekt betont: Wer jahrelang seiner Reparaturpflicht nicht nachkommt, kann sich nicht auf eine geringfügig überhöhte Minderung berufen.
Vorbeugende Maßnahmen für Mieter
Die beste Strategie gegen eine Kündigung wegen unberechtigter Mietminderung ist die Vermeidung von Fehlern von Anfang an. Mit sorgfältiger Vorbereitung und Dokumentation können Sie das Risiko einer unwirksamen oder zu hohen Minderung erheblich reduzieren. Die folgenden Maßnahmen haben sich in der Praxis bewährt.
Bevor Sie die Miete mindern, sollten Sie den Vermieter immer schriftlich über den Mangel informieren und ihm eine angemessene Frist zur Beseitigung setzen. Diese Mängelanzeige ist zwar keine zwingende Voraussetzung für die Minderung, dokumentiert aber Ihr korrektes Vorgehen und gibt dem Vermieter die Chance, den Mangel zu beheben, bevor es zum Streit kommt.
Systematische Mängeldokumentation
Dokumentieren Sie jeden Mangel umfassend, bevor Sie die Miete mindern. Machen Sie Fotos mit Datumsstempel, führen Sie ein Mängelprotokoll mit genauen Zeitangaben und bitten Sie Nachbarn oder Besucher, den Zustand als Zeugen zu bestätigen. Diese Dokumentation ist Ihre Versicherung für den Fall eines späteren Rechtsstreits.
Bei technischen Mängeln wie Feuchtigkeitsschäden oder Heizungsausfällen können einfache Messprotokolle hilfreich sein. Notieren Sie regelmäßig die Raumtemperatur oder die Luftfeuchtigkeit und halten Sie die Messergebnisse schriftlich fest. Solche Aufzeichnungen können später im Prozess als Beweismittel dienen.
Checkliste: Vor der Mietminderung
- Mangel schriftlich dem Vermieter anzeigen mit Fristsetzung zur Beseitigung
- Mangel mit Fotos, Videos und schriftlichem Protokoll dokumentieren
- Zeugen für den Mangel gewinnen (Nachbarn, Besucher)
- Minderungsquote anhand von Gerichtsurteilen zu vergleichbaren Fällen recherchieren
- Minderungshöhe eher konservativ ansetzen
- Minderung schriftlich ankündigen mit Begründung
- Alternative: Volle Miete unter Vorbehalt zahlen und Rückforderung ankündigen
Die Zahlung unter Vorbehalt als sichere Alternative
Die sicherste Methode, Ihre Rechte zu wahren, ohne das Risiko einer Kündigung einzugehen, ist die Zahlung unter Vorbehalt. Sie zahlen die volle Miete, erklären aber gleichzeitig schriftlich, dass Sie sich die Rückforderung des Minderungsbetrags vorbehalten. So entsteht kein Mietrückstand, und Sie können Ihre Ansprüche später gerichtlich geltend machen.
Diese Vorgehensweise empfiehlt sich besonders bei strittigen Mängeln oder unklarer Minderungshöhe. Sie vermeiden das Prozessrisiko einer Räumungsklage und können in Ruhe klären lassen, ob und in welcher Höhe eine Minderung berechtigt ist. Der Nachteil: Sie müssen zunächst in Vorleistung gehen und den Minderungsbetrag aktiv zurückfordern.
Praxis-Tipp: Vorbehaltserklärung richtig formulieren
Formulieren Sie die Vorbehaltserklärung klar und eindeutig: "Die Zahlung der vollen Miete für [Monat] erfolgt unter dem ausdrücklichen Vorbehalt der Rückforderung eines Betrages in Höhe von [Prozentsatz/Betrag] wegen [konkrete Mängelbezeichnung]. Ich behalte mir vor, diesen Betrag nach Klärung der Rechtslage zurückzufordern." Senden Sie diese Erklärung mit jeder Mietzahlung an den Vermieter.
Frühzeitige Klärung strittiger Fragen
Wenn der Vermieter Ihre Minderung bestreitet, sollten Sie nicht abwarten, bis er zur Kündigung greift. Suchen Sie aktiv das Gespräch und versuchen Sie, eine einvernehmliche Lösung zu finden. Viele Streitigkeiten lassen sich durch Kommunikation beilegen, bevor sie eskalieren.
Kommt keine Einigung zustande, können Sie selbst die Initiative ergreifen und eine Feststellungsklage erheben. Das Gericht stellt dann verbindlich fest, ob und in welcher Höhe die Minderung berechtigt war. Diese offensive Strategie nimmt dem Vermieter die Möglichkeit, Sie mit einer Räumungsklage unter Druck zu setzen, und verschafft Ihnen Rechtssicherheit.
Bedenken Sie auch, dass eine gütliche Einigung oft für beide Seiten vorteilhafter ist als ein langwieriger Rechtsstreit. Der Vermieter spart sich die Kosten eines Räumungsprozesses, Sie behalten Ihre Wohnung. Ein Vergleich, bei dem Sie einen Teil der Minderung nachzahlen und der Vermieter im Gegenzug die Kündigung zurücknimmt, kann für alle Beteiligten die beste Lösung sein.
