Wann ist Lärm ein Mietmangel?
Sie kommen erschöpft von der Arbeit nach Hause, wollen endlich entspannen – und dann dröhnt Musik durch die Wände, hämmern Bauarbeiter auf der Baustelle nebenan, oder die Kneipe im Erdgeschoss feiert bis in die Nacht. Lärm in der Mietwohnung ist nicht nur nervenaufreibend, er kann auch rechtliche Konsequenzen haben. Doch ab wann wird störender Lärm tatsächlich zum Mietmangel, der Sie zur Minderung berechtigt?
Das Bürgerliche Gesetzbuch gibt Ihnen in § 536 BGB die Grundlage für Ihre Rechte bei Lärmbelästigung. Danach liegt ein Mangel vor, wenn die Mietsache einen Fehler aufweist, der ihre Tauglichkeit zum vertragsgemäßen Gebrauch aufhebt oder mindert. Entscheidend ist dabei nicht Ihr subjektives Empfinden, sondern ein objektiver Maßstab: Würde ein verständiger Durchschnittsmieter den Lärm als erhebliche Beeinträchtigung empfinden?
Der vertragsgemäße Gebrauch als Maßstab
Der Mietvertrag bildet die Grundlage für die Beurteilung, ob Lärm einen Mangel darstellt. Was Sie bei Vertragsschluss erwarten durften, bestimmt den Umfang Ihrer Rechte. Wer eine Wohnung über einer Gaststätte anmietet, muss mit gewissen Geräuschen rechnen. Wer hingegen in eine ruhige Wohngegend zieht, darf auch Ruhe erwarten.
Die Gerichte prüfen dabei stets den Einzelfall. Maßgeblich sind die konkreten Umstände bei Vertragsschluss, die Lage der Wohnung, die Bebauung des Gebiets und auch mündliche Zusicherungen des Vermieters. Wurde Ihnen eine "ruhige Wohnung" versprochen, wiegt eine spätere Lärmbelästigung schwerer als ohne diese Zusage.
Erheblichkeit der Beeinträchtigung
Nicht jedes Geräusch rechtfertigt eine Mietminderung. Das Gesetz verlangt eine erhebliche Beeinträchtigung des Mietgebrauchs. Gelegentliche Störungen, kurzzeitiger Lärm oder übliche Wohngeräusche müssen Sie hinnehmen. Die Schwelle zur Erheblichkeit ist überschritten, wenn die Nutzung der Wohnung spürbar eingeschränkt wird.
Dabei spielen Dauer, Intensität und Zeitpunkt des Lärms eine zentrale Rolle. Nächtlicher Lärm wiegt schwerer als Störungen am Tag. Dauerhafter Lärm ist anders zu bewerten als einmalige Ereignisse. Die Rechtsprechung hat hier über Jahrzehnte Maßstäbe entwickelt, an denen sich auch Ihr Fall messen lässt.
Praxis-Tipp: Lärmprotokoll von Anfang an führen
Beginnen Sie sofort mit der Dokumentation, wenn Sie Lärmbelästigungen bemerken. Notieren Sie Datum, Uhrzeit, Dauer und Art des Lärms. Je länger und detaillierter Ihr Protokoll, desto besser stehen Ihre Chancen, Ihre Ansprüche später durchzusetzen. Nutzen Sie auch eine Dezibel-App auf Ihrem Smartphone für grobe Richtwerte.
Objektive Beurteilung statt subjektiver Empfindung
Ihre persönliche Lärmempfindlichkeit spielt rechtlich keine Rolle. Entscheidend ist, wie ein durchschnittlicher Mieter in vergleichbarer Situation den Lärm empfinden würde. Besondere Sensibilität, etwa aufgrund von Schichtarbeit oder gesundheitlichen Einschränkungen, begründet grundsätzlich keine weitergehenden Rechte.
Das bedeutet jedoch nicht, dass Sie schutzlos sind. Wenn Sie dem Vermieter vor Vertragsschluss Ihre besonderen Bedürfnisse mitgeteilt haben und dieser die Wohnung dennoch als geeignet angepriesen hat, kann dies Ihren Rechtsstandpunkt stärken. Dokumentieren Sie solche Gespräche daher möglichst schriftlich.
Verschiedene Arten von Lärmbelästigung
Lärm ist nicht gleich Lärm – zumindest aus rechtlicher Sicht. Die Gerichte unterscheiden verschiedene Lärmquellen und bewerten diese unterschiedlich. Je nachdem, woher der Lärm kommt, stehen Ihnen verschiedene Ansprüche zu und unterschiedliche Voraussetzungen müssen erfüllt sein.
Lärm durch Nachbarn
Der Klassiker unter den Lärmbelästigungen ist der Nachbarschaftslärm. Laute Musik, Streit, Feiern bis in die Nacht oder Trampeln über die Decke – die Bandbreite ist groß. Bei Nachbarschaftslärm trifft den Vermieter eine Handlungspflicht. Er muss auf den störenden Mieter einwirken und notfalls arbeitsrechtliche Maßnahmen bis hin zur Kündigung ergreifen.
Besonderheiten gelten bei Kinderlärm. Spielende Kinder und der damit verbundene Lärm sind grundsätzlich sozialadäquat und müssen hingenommen werden. Der Gesetzgeber hat dies ausdrücklich in § 22 Abs. 1a BImSchG verankert. Allerdings gibt es Grenzen: Das regelmäßige Basketballspielen von Kindern im Hausflur oder exzessives Toben zu Ruhezeiten kann durchaus einen Mangel begründen.
Beispiel: Nächtliche Lärmbelästigung durch Nachbarn
Ein Mieter leidet unter regelmäßigen nächtlichen Ruhestörungen durch den Nachbarn in der Wohnung darüber. Mehrmals wöchentlich wird bis 2 oder 3 Uhr nachts laut Musik gehört, es finden Partys statt. Der Mieter dokumentiert die Vorfälle über drei Monate hinweg und meldet sie dem Vermieter schriftlich. Als dieser nicht reagiert, mindert der Mieter die Miete. Das Gericht bestätigt später die Berechtigung zur Minderung, da der Vermieter seiner Pflicht zur Unterbindung der Störungen nicht nachgekommen ist.
Baulärm und Baustellen
Baustellenlärm stellt einen besonders häufigen Grund für Mietminderungen dar. Dabei ist zu unterscheiden: Baulärm innerhalb des Mietobjekts, etwa bei Sanierungsarbeiten, begründet regelmäßig einen Mangel. Der Vermieter ist hier unmittelbar verantwortlich und muss die Beeinträchtigung hinnehmen.
Komplizierter wird es bei Baulärm von außerhalb. Entsteht auf dem Nachbargrundstück eine Baustelle, war diese bei Vertragsschluss aber nicht vorhersehbar, kann dennoch ein Mangel vorliegen. Die Rechtsprechung wendet hier die Grundsätze der sogenannten "Umweltmängel" an. Entscheidend ist, ob der Vermieter die Störung bei Vertragsschluss kannte oder kennen musste.
Straßen- und Verkehrslärm
Bei Straßenlärm sind Mieter oft enttäuscht: Eine Mietminderung ist hier nur selten möglich. Der Grund liegt darin, dass die Verkehrssituation bei Vertragsschluss regelmäßig erkennbar war. Wer an einer Hauptstraße wohnt, muss mit entsprechendem Lärm rechnen.
Anders kann es aussehen, wenn sich die Verkehrssituation nach Vertragsschluss wesentlich verschlechtert. Die Umwidmung einer Nebenstraße zur Hauptverkehrsstraße oder der Bau einer neuen Schnellstraße können einen nachträglichen Mangel begründen. Auch wenn der Vermieter falsche Angaben zur Lärmbelastung gemacht hat, stehen Ihnen Rechte zu.
Gewerblicher Lärm
Gaststätten, Diskotheken, Werkstätten oder Gewerbebetriebe können erhebliche Lärmbelästigungen verursachen. Hier gilt zunächst der gleiche Grundsatz: Wer bei Vertragsschluss wusste oder wissen konnte, dass sich ein lärmintensiver Betrieb im oder am Haus befindet, kann sich später nur eingeschränkt beschweren.
Allerdings sind Gewerbebetriebe an strenge Auflagen gebunden. Werden diese überschritten, etwa durch Öffnungszeiten bis in die Nacht oder übermäßige Lärmentwicklung, liegt regelmäßig ein Mangel vor. Dies gilt auch, wenn der Vermieter einem Gewerbemieter die störende Nutzung erlaubt, obwohl diese die Wohnnutzung beeinträchtigt.
Mietminderung wegen Lärm durchsetzen
Sie haben festgestellt, dass der Lärm in Ihrer Wohnung einen Mangel darstellt. Nun stellt sich die Frage: Wie setzen Sie Ihre Mietminderung praktisch durch? Der Weg zur erfolgreichen Minderung erfordert strategisches Vorgehen und die Beachtung wichtiger formaler Anforderungen.
Die Mängelanzeige als zwingende Voraussetzung
Ohne Mängelanzeige keine Mietminderung – dieser Grundsatz ist absolut zentral. Sie müssen Ihren Vermieter unverzüglich über die Lärmbelästigung informieren. Die Anzeige dient dazu, dem Vermieter die Möglichkeit zur Abhilfe zu geben. Unterlassen Sie die Anzeige, verlieren Sie nicht nur das Minderungsrecht, sondern können sogar schadensersatzpflichtig werden.
Die Mängelanzeige sollte schriftlich erfolgen. Beschreiben Sie den Lärm möglichst konkret: Wann tritt er auf, wie stark ist er, wie lange dauert er an? Fordern Sie den Vermieter zur Abhilfe auf und setzen Sie eine angemessene Frist. Senden Sie das Schreiben per Einschreiben mit Rückschein oder übergeben Sie es gegen Empfangsbestätigung.
Checkliste: Mängelanzeige bei Lärmbelästigung
- Datum und Absender vollständig angeben
- Lärmquelle möglichst genau beschreiben
- Zeitpunkt, Dauer und Intensität des Lärms dokumentieren
- Bisherige Beeinträchtigungen schildern
- Aufforderung zur Abhilfe mit angemessener Frist
- Hinweis auf Mietminderung bei Nichtabhilfe
- Versand per Einschreiben oder persönliche Übergabe gegen Quittung
Höhe der Mietminderung bestimmen
Die Frage nach der richtigen Minderungsquote ist oft die schwierigste. Es gibt keine gesetzlich festgelegten Prozentsätze. Stattdessen muss die Minderung dem Ausmaß der Beeinträchtigung entsprechen. Die Rechtsprechung hat über die Jahre Richtwerte entwickelt, die als Orientierung dienen können.
Bei der Bestimmung der Quote spielen mehrere Faktoren eine Rolle: Wie stark ist der Lärm? Zu welchen Zeiten tritt er auf? Wie viele Räume sind betroffen? Können Sie die Wohnung noch nutzen? Bei extremen Beeinträchtigungen wurden bereits Minderungen von 50 Prozent und mehr anerkannt, bei leichteren Störungen liegen die Quoten deutlich niedriger.
Praxis-Tipp: Minderung zunächst vorsichtig ansetzen
Wählen Sie die Minderungsquote lieber etwas niedriger als zu hoch. Mindern Sie zu viel, geraten Sie in Zahlungsverzug, was zur Kündigung führen kann. Im Zweifel zahlen Sie unter Vorbehalt und lassen die korrekte Höhe später klären. So schützen Sie Ihr Mietverhältnis und wahren gleichzeitig Ihre Rechte.
Ab wann dürfen Sie mindern?
Die Mietminderung tritt kraft Gesetzes ein, sobald ein Mangel vorliegt. Sie müssen nicht erst auf eine Genehmigung des Vermieters warten. Allerdings setzt die Minderung voraus, dass der Mangel tatsächlich besteht und Sie ihn angezeigt haben. Die Minderung gilt für die Zeiträume, in denen die Beeinträchtigung bestand.
Sie können die Minderung auch rückwirkend geltend machen. Wenn Sie während der Lärmbelästigung die volle Miete gezahlt haben, können Sie die Differenz später zurückfordern. Beachten Sie dabei die Verjährungsfristen: Der Anspruch verjährt nach drei Jahren zum Jahresende.
Nachweis und Dokumentation von Lärm
Im Streitfall tragen Sie als Mieter die Beweislast für den Mangel und dessen Umfang. Eine sorgfältige Dokumentation ist daher nicht nur hilfreich, sondern oft entscheidend für den Erfolg Ihrer Ansprüche. Je besser Ihre Beweise, desto größer Ihre Chancen vor Gericht.
Das Lärmprotokoll als wichtigstes Beweismittel
Ein detailliertes Lärmprotokoll ist das Herzstück Ihrer Dokumentation. Führen Sie es über einen längeren Zeitraum, mindestens über mehrere Wochen. Notieren Sie für jeden Vorfall: Datum, Uhrzeit von Beginn und Ende, Art des Lärms, geschätzte Lautstärke und Auswirkungen auf Sie.
Das Protokoll sollte möglichst objektiv sein. Beschreiben Sie, was Sie hören, nicht wie Sie sich fühlen. "Laute Musik mit Bässen, die durch die Wand dringen" ist aussagekräftiger als "unerträglicher Krach". Unterschreiben Sie jeden Eintrag und lassen Sie das Protokoll wenn möglich von Zeugen bestätigen.
Beispiel: Aufbau eines gerichtsfesten Lärmprotokolls
Ein Mieter dokumentiert Baustellenlärm über sechs Wochen. Jeder Eintrag enthält: "Dienstag, 15.03., 7:15 Uhr bis 18:30 Uhr. Bohren und Hämmern von Baustelle Nachbargrundstück. Messung mit App: 65-78 dB in Wohnzimmer bei geschlossenen Fenstern. Telefonate und Homeoffice nicht möglich. Zeuge: Ehefrau." Das Gericht erkennt später eine Mietminderung an, da das Protokoll die erhebliche Beeinträchtigung überzeugend belegt.
Dezibelmessungen durchführen
Messungen der Lautstärke in Dezibel können Ihre Dokumentation erheblich stärken. Smartphone-Apps bieten einen ersten Anhaltspunkt, sind vor Gericht aber nur bedingt verwertbar. Für eine rechtssichere Messung empfiehlt sich ein geeichtes Messgerät oder die Beauftragung eines Sachverständigen.
Bei den Messungen sollten Sie bestimmte Standards einhalten: Messen Sie im betroffenen Raum bei geschlossenen Fenstern. Halten Sie das Gerät in Kopfhöhe, etwa einen Meter von der Wand entfernt. Dokumentieren Sie die Messbedingungen und speichern Sie die Ergebnisse nachvollziehbar.
Weitere Beweismittel
Zeugen können Ihre Darstellung entscheidend unterstützen. Bitten Sie Familienangehörige, Freunde oder Nachbarn, die Lärmbelästigung zu bestätigen. Achten Sie darauf, dass die Zeugen konkrete Wahrnehmungen schildern können, nicht nur allgemeine Eindrücke.
Weitere Beweismittel können Fotos und Videos sein, etwa von der Baustelle oder lärmenden Nachbarn. Auch ärztliche Atteste über lärmbedingte Gesundheitsbeschwerden oder Beschwerden bei der Polizei und dem Ordnungsamt können Ihre Position stärken. Sammeln Sie alle Unterlagen sorgfältig in einer Akte.
Richtiges Vorgehen bei Lärmbelästigung
Zwischen dem ersten störenden Geräusch und einer erfolgreichen Mietminderung liegen mehrere Schritte. Das richtige Vorgehen erhöht Ihre Erfolgschancen erheblich und schützt Sie vor rechtlichen Fallstricken. Handeln Sie strukturiert und besonnen, auch wenn der Lärm Sie belastet.
Erste Schritte bei Lärmbelästigung
Bevor Sie rechtliche Schritte einleiten, sollten Sie das Gespräch suchen. Bei Nachbarschaftslärm sprechen Sie den Verursacher höflich an. Oft ist den Menschen nicht bewusst, wie laut sie sind. Viele Konflikte lassen sich so ohne Eskalation lösen.
Parallel beginnen Sie mit der Dokumentation. Auch wenn Sie noch keine rechtlichen Schritte planen, ist ein frühzeitiges Lärmprotokoll Gold wert. Sollte sich der Konflikt verschärfen, haben Sie bereits eine solide Grundlage. Sammeln Sie zudem Informationen über die Ursache des Lärms und mögliche Verantwortliche.
Den Vermieter einschalten
Bringt das persönliche Gespräch keinen Erfolg, wenden Sie sich an Ihren Vermieter. Dies ist ohnehin Pflicht, wenn Sie später Ihre Miete mindern wollen. Schildern Sie die Situation sachlich und vollständig. Fügen Sie Ihr Lärmprotokoll bei und fordern Sie den Vermieter zur Abhilfe auf.
Geben Sie dem Vermieter eine angemessene Frist zur Reaktion. Bei Nachbarschaftslärm muss er auf den störenden Mieter einwirken, bei baulichen Mängeln Reparaturen veranlassen, bei externen Lärmquellen prüfen, welche Maßnahmen möglich sind. Dokumentieren Sie alle Kommunikation und Reaktionen des Vermieters.
Weitere Eskalationsstufen
Reagiert der Vermieter nicht oder bleiben seine Maßnahmen erfolglos, können Sie die Miete mindern. Informieren Sie den Vermieter schriftlich über die Minderung und deren Höhe. Begründen Sie Ihre Entscheidung und verweisen Sie auf Ihre bisherige Dokumentation.
Parallel können Sie bei nächtlicher Ruhestörung die Polizei rufen. Bei gewerblichem Lärm ist das Ordnungsamt zuständig. Diese Einsätze werden protokolliert und können als zusätzliche Beweise dienen. In extremen Fällen kommt auch eine einstweilige Verfügung gegen den Lärmverursacher in Betracht.
Praxis-Tipp: Schriftverkehr immer aufbewahren
Bewahren Sie sämtliche Korrespondenz mit dem Vermieter auf – E-Mails, Briefe, auch Notizen zu Telefonaten mit Datum und Inhalt. Im Streitfall müssen Sie nachweisen können, dass Sie den Vermieter informiert und zur Abhilfe aufgefordert haben. Ohne diese Nachweise können Sie Ihre Ansprüche möglicherweise nicht durchsetzen.
Grenzen der Zumutbarkeit und Ruhezeiten
Nicht jeder Lärm ist unzulässig. Das Zusammenleben in Mehrfamilienhäusern erfordert gegenseitige Rücksichtnahme, aber auch eine gewisse Toleranz. Die Rechtsprechung hat Maßstäbe entwickelt, die das Zumutbare vom Unzumutbaren abgrenzen. Diese Grenzen zu kennen, hilft Ihnen bei der Einschätzung Ihrer Situation.
Gesetzliche und vertragliche Ruhezeiten
Ruhezeiten bilden einen wichtigen Orientierungsrahmen. Die Nachtruhe gilt bundesweit von 22 Uhr bis 6 Uhr. In dieser Zeit sind alle Tätigkeiten zu unterlassen, die die Nachtruhe stören können. Verstöße wiegen besonders schwer und können auch ohne Mietminderung ordnungsrechtliche Konsequenzen haben.
Darüber hinaus kennen viele Hausordnungen eine Mittagsruhe, typischerweise von 13 bis 15 Uhr. Ob diese verbindlich ist, hängt von ihrer wirksamen Einbeziehung in den Mietvertrag ab. Ähnliches gilt für Ruhezeiten an Sonn- und Feiertagen. Prüfen Sie Ihren Mietvertrag und die Hausordnung auf entsprechende Regelungen.
Sozialadäquater Lärm
Bestimmte Geräusche müssen Sie als Teil des normalen Zusammenlebens hinnehmen. Dazu gehören übliche Wohngeräusche wie Duschen, Staubsaugen zu angemessenen Zeiten, normale Unterhaltungen oder das Spielen von Kindern. Diese Geräusche sind sozialadäquat und begründen keinen Mangel.
Auch Lärm im Zusammenhang mit der Berufsausübung kann hinzunehmen sein. Wer Musiker zum Nachbarn hat, muss mit Übungszeiten rechnen – allerdings nur in angemessenem Umfang. Die Gerichte haben hier Grenzen von etwa zwei Stunden täglich außerhalb der Ruhezeiten entwickelt.
Wann ist die Grenze überschritten?
Die Grenze zur unzumutbaren Belästigung ist überschritten, wenn normales Wohnen nicht mehr möglich ist. Können Sie nicht mehr schlafen, sich nicht mehr unterhalten oder konzentriert arbeiten, liegt in der Regel ein Mangel vor. Auch gesundheitliche Beeinträchtigungen durch Dauerlärm überschreiten die Zumutbarkeitsgrenze.
Besonders schwer wiegen vorsätzliche Störungen. Wer absichtlich Lärm macht, um Nachbarn zu schikanieren, handelt rechtswidrig. Hier kommen neben mietrechtlichen Ansprüchen auch Unterlassungs- und Schadensersatzansprüche nach dem Nachbarrecht in Betracht. In extremen Fällen kann das Verhalten sogar strafrechtlich relevant sein.
Checkliste: Zumutbarkeit von Lärm einschätzen
- Tritt der Lärm während der Ruhezeiten auf?
- Handelt es sich um übliche Wohngeräusche oder außergewöhnlichen Lärm?
- Wie lange dauert die Belästigung an?
- Wie oft wiederholt sich der Lärm?
- Sind mehrere Räume oder nur ein Raum betroffen?
- Können Sie die Wohnung noch normal nutzen?
- Haben Sie gesundheitliche Beschwerden durch den Lärm?
Außerordentliche Kündigung bei extremem Lärm
Wenn alle anderen Maßnahmen scheitern und der Lärm unerträglich wird, denken viele Mieter an die Kündigung. Doch kann man wegen Lärm fristlos kündigen? Die Antwort ist differenziert: Ja, aber nur unter strengen Voraussetzungen. Die außerordentliche Kündigung ist das letzte Mittel und erfordert eine sorgfältige Abwägung.
Voraussetzungen für die fristlose Kündigung
Die fristlose Kündigung nach § 543 BGB setzt einen wichtigen Grund voraus. Dieser liegt vor, wenn die Fortsetzung des Mietverhältnisses bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist unzumutbar ist. Bei Lärmbelästigung bedeutet das: Die Wohnung muss praktisch unbewohnbar sein oder Ihre Gesundheit muss ernsthaft gefährdet sein.
Vor der fristlosen Kündigung müssen Sie dem Vermieter grundsätzlich eine Frist zur Abhilfe setzen. Nur wenn der Vermieter trotz Aufforderung und angemessener Frist den Mangel nicht beseitigt, kommt die fristlose Kündigung in Betracht. In extremen Fällen, etwa bei akuter Gesundheitsgefährdung, kann die Fristsetzung ausnahmsweise entbehrlich sein.
Risiken der fristlosen Kündigung
Die fristlose Kündigung birgt erhebliche Risiken. Erweist sich die Kündigung später als unwirksam, bleiben Sie an den Mietvertrag gebunden. Sie schulden dann weiterhin die Miete und müssen möglicherweise Schadensersatz leisten. Die Gerichte prüfen die Voraussetzungen für eine fristlose Kündigung streng.
Besonders riskant ist eine fristlose Kündigung, wenn der Vermieter den Lärm nicht zu vertreten hat. Bei externem Baulärm oder Verkehrslärm fehlt es oft am Verschulden des Vermieters. Hier kommt eine fristlose Kündigung nur ausnahmsweise in Betracht, etwa wenn der Vermieter bei Vertragsschluss falsche Angaben gemacht hat.
Beispiel: Erfolgreiche fristlose Kündigung wegen Lärmbelästigung
Eine Mieterin leidet seit Monaten unter extremem Lärm aus der darüberliegenden Wohnung. Trotz mehrfacher Beschwerden und Aufforderungen an den Vermieter ändert sich nichts. Sie dokumentiert den Lärm detailliert, legt ärztliche Atteste über Schlafstörungen und Erschöpfungszustände vor. Nach einer letzten Fristsetzung mit Kündigungsandrohung und weiterem Untätigbleiben des Vermieters kündigt sie fristlos. Das Gericht bestätigt die Wirksamkeit der Kündigung, da das weitere Wohnen unter diesen Umständen unzumutbar war und der Vermieter seiner Pflicht zum Einschreiten nicht nachgekommen ist.
Ordentliche Kündigung als Alternative
In vielen Fällen ist die ordentliche Kündigung die sicherere Wahl. Als Mieter können Sie ohne Angabe von Gründen mit einer Frist von drei Monaten kündigen. Das gibt Ihnen Zeit, eine neue Wohnung zu suchen, ohne das Risiko einer unwirksamen fristlosen Kündigung einzugehen.
Auch bei einer ordentlichen Kündigung wegen Lärm bleiben Ihre Mietminderungsansprüche bestehen. Sie können also die Miete mindern und gleichzeitig zum nächstmöglichen Termin ordentlich kündigen. So wahren Sie Ihre Rechte und minimieren gleichzeitig Ihr Risiko.
Schadensersatzansprüche prüfen
Neben Mietminderung und Kündigung kommen auch Schadensersatzansprüche in Betracht. Wenn Sie wegen des Lärms in ein Hotel ausweichen mussten, können Sie diese Kosten unter Umständen vom Vermieter ersetzt verlangen. Gleiches gilt für Umzugskosten, wenn Sie wegen der Lärmbelästigung vorzeitig ausziehen.
Voraussetzung für Schadensersatz ist allerdings ein Verschulden des Vermieters. Er muss den Mangel zu vertreten haben, etwa weil er trotz Kenntnis nicht gegen lärmende Mieter eingeschritten ist oder notwendige Schallschutzmaßnahmen unterlassen hat. Die Beweislast für das Verschulden liegt bei Ihnen als Mieter.
