Grundlagen der BU-Nachprüfung: Wann ist sie zulässig?
Der Brief Ihrer Versicherung liegt auf dem Tisch: Nachprüfung Ihrer Berufsunfähigkeit. Nach Jahren zuverlässiger Rentenzahlung stellt der Versicherer plötzlich Fragen zu Ihrem Gesundheitszustand. Viele Versicherte empfinden diesen Moment als Bedrohung ihrer finanziellen Existenz – und reagieren mit Unsicherheit oder sogar Panik. Doch keine Sorge: Das Nachprüfungsrecht des Versicherers unterliegt strengen rechtlichen Grenzen.
Die Berufsunfähigkeitsversicherung sichert Ihr Einkommen ab, wenn Sie Ihren Beruf aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr ausüben können. Hat der Versicherer einmal anerkannt, dass Sie berufsunfähig sind, zahlt er die vereinbarte monatliche Rente. Doch dieser Zustand wird nicht als unveränderlich betrachtet. Der Versicherer behält sich das Recht vor, in regelmäßigen Abständen zu überprüfen, ob die Voraussetzungen für die Leistungspflicht noch vorliegen.
Rechtliche Grundlage des Nachprüfungsrechts
Das Nachprüfungsrecht ist in den Allgemeinen Versicherungsbedingungen (AVB) Ihrer BU-Versicherung geregelt. Es basiert auf dem Grundsatz, dass sich Lebensumstände ändern können. Wenn sich Ihr Gesundheitszustand verbessert oder Sie eine neue berufliche Tätigkeit aufnehmen, kann dies Auswirkungen auf Ihren Leistungsanspruch haben. Der Versicherer darf jedoch nicht willkürlich nachprüfen, sondern benötigt konkrete Anhaltspunkte für eine mögliche Veränderung.
Die Rechtsprechung hat klargestellt, dass das Nachprüfungsrecht kein Instrument sein darf, um Versicherte zu schikanieren oder unter Druck zu setzen. Die Nachprüfung muss einem legitimen Interesse des Versicherers dienen und verhältnismäßig sein. Reine Routineüberprüfungen ohne konkreten Anlass sind daher kritisch zu betrachten.
Voraussetzungen für eine zulässige Nachprüfung
Eine Nachprüfung ist grundsätzlich dann zulässig, wenn konkrete Umstände darauf hindeuten, dass sich Ihre berufliche oder gesundheitliche Situation verändert hat. Dies kann der Fall sein, wenn Sie eine neue Beschäftigung aufnehmen, sich Ihr Gesundheitszustand nachweislich verbessert oder neue medizinische Behandlungsmöglichkeiten verfügbar werden. Der Versicherer muss diese Anhaltspunkte nachvollziehbar darlegen können.
Die Häufigkeit zulässiger Nachprüfungen richtet sich nach den individuellen Versicherungsbedingungen. Manche Verträge sehen jährliche Überprüfungen vor, andere nur bei konkretem Anlass. Entscheidend ist stets, was in Ihrem spezifischen Vertrag vereinbart wurde. Übermäßig häufige Nachprüfungen ohne sachlichen Grund können rechtlich unzulässig sein.
Praxis-Tipp: Versicherungsbedingungen genau prüfen
Nehmen Sie Ihre Versicherungsbedingungen zur Hand und lesen Sie die Klauseln zur Nachprüfung sorgfältig durch. Markieren Sie sich die relevanten Paragraphen und notieren Sie, welche konkreten Mitwirkungspflichten dort genannt werden. So wissen Sie im Ernstfall genau, was von Ihnen verlangt werden darf – und was nicht.
Ihre Mitwirkungspflichten bei der Nachprüfung
Erhält man als Versicherter ein Nachprüfungsschreiben, stellt sich sofort die Frage: Was muss ich eigentlich tun? Die Antwort ist differenziert zu betrachten. Grundsätzlich besteht eine Mitwirkungspflicht – allerdings keine grenzenlose. Sie müssen dem Versicherer ermöglichen, sich ein Bild von Ihrer aktuellen Situation zu machen, sind aber nicht verpflichtet, jede beliebige Forderung zu erfüllen.
Die Mitwirkungspflicht ergibt sich aus dem Versicherungsvertrag selbst sowie aus dem allgemeinen Grundsatz von Treu und Glauben. Wer Versicherungsleistungen bezieht, muss dem Versicherer auch die Möglichkeit geben, die Berechtigung dieser Leistungen zu überprüfen. Dies ist ein berechtigtes Interesse des Versicherers und entspricht dem Äquivalenzprinzip im Versicherungsrecht.
Typische Mitwirkungspflichten im Detail
Zu den üblichen Mitwirkungspflichten gehört zunächst die Beantwortung von Fragebögen zum aktuellen Gesundheitszustand. Der Versicherer möchte wissen, ob sich seit der letzten Überprüfung Änderungen ergeben haben. Hierzu zählen Fragen zu aktuellen Beschwerden, laufenden Behandlungen, eingenommenen Medikamenten und möglichen Verbesserungen des Gesundheitszustands.
Darüber hinaus kann der Versicherer verlangen, dass Sie ihn von der ärztlichen Schweigepflicht entbinden. Dies ermöglicht ihm, aktuelle medizinische Unterlagen bei Ihren behandelnden Ärzten anzufordern. Auch die Teilnahme an ärztlichen Untersuchungen kann verlangt werden – allerdings unter bestimmten Voraussetzungen und Einschränkungen, die weiter unten erläutert werden.
Auskunft über Ihre berufliche Situation
Ein wichtiger Aspekt der Mitwirkung betrifft Ihre aktuelle berufliche Situation. Der Versicherer darf nachfragen, ob Sie einer Erwerbstätigkeit nachgehen – sei es in Vollzeit, Teilzeit oder als geringfügige Beschäftigung. Auch selbstständige Tätigkeiten oder ehrenamtliche Engagements können relevant sein. Diese Informationen sind entscheidend für die Beurteilung, ob Sie noch als berufsunfähig gelten.
Wichtig ist hierbei: Sie müssen wahrheitsgemäße Angaben machen. Falsche Angaben können schwerwiegende Konsequenzen haben, bis hin zur rückwirkenden Leistungseinstellung und Rückforderung bereits gezahlter Renten. Seien Sie daher ehrlich, aber achten Sie darauf, nur das zu beantworten, was tatsächlich gefragt wird.
Checkliste: Vorbereitung auf die Nachprüfung
- Alle aktuellen Arztberichte und Befunde zusammenstellen
- Medikamentenliste mit Dosierungen anfertigen
- Chronologie der Behandlungen seit letzter Prüfung dokumentieren
- Versicherungsbedingungen auf Mitwirkungspflichten prüfen
- Fristen im Nachprüfungsschreiben notieren und einhalten
- Kopien aller eingereichten Unterlagen für eigene Akten anfertigen
Grenzen der Nachprüfung: Was müssen Sie nicht dulden?
So berechtigt das Nachprüfungsrecht des Versicherers auch ist – es hat klare Grenzen. Nicht jede Forderung, die im Namen der Nachprüfung erhoben wird, ist rechtlich zulässig oder muss von Ihnen akzeptiert werden. Die Rechtsprechung hat über die Jahre wichtige Leitplanken entwickelt, die Versicherte vor überzogenen Anforderungen schützen.
Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit spielt hier eine zentrale Rolle. Die vom Versicherer geforderten Maßnahmen müssen in einem angemessenen Verhältnis zum verfolgten Zweck stehen. Unzumutbare Belastungen oder gar gesundheitliche Gefährdungen müssen Sie nicht hinnehmen.
Unzulässige Untersuchungen und Anforderungen
Sie sind nicht verpflichtet, sich invasiven oder gesundheitsgefährdenden Untersuchungen zu unterziehen. Operationen, Eingriffe unter Narkose oder Untersuchungen mit erheblichen Gesundheitsrisiken gehören nicht zu Ihren Mitwirkungspflichten. Auch psychologische Untersuchungen, die über eine reine Begutachtung hinausgehen und therapeutischen Charakter haben, können Sie ablehnen.
Ebenfalls unzulässig sind Anforderungen, die in Ihre Persönlichkeitsrechte eingreifen. Der Versicherer darf nicht verlangen, dass Sie sich einer umfassenden Überwachung Ihres Privatlebens unterziehen oder intime Details preisgeben, die für die Beurteilung der Berufsunfähigkeit nicht relevant sind.
Das Recht auf angemessene Gutachterwahl
Ein häufiger Streitpunkt betrifft die Auswahl des Gutachters. Der Versicherer bestimmt zwar grundsätzlich den Arzt, der die Nachuntersuchung durchführen soll. Allerdings haben Sie ein berechtigtes Interesse daran, dass der Gutachter neutral und fachlich kompetent ist. Bei begründeten Zweifeln an der Unparteilichkeit eines Gutachters können Sie dessen Ablehnung verlangen.
Die Untersuchung muss zudem in zumutbarer Entfernung zu Ihrem Wohnort stattfinden. Reisen quer durch Deutschland zu einem bestimmten Gutachter können Sie unter Umständen ablehnen, wenn der Versicherer keine nachvollziehbare Begründung für die Notwendigkeit gerade dieses Gutachters liefert. Die Kosten für An- und Abreise sowie für notwendige Begleitpersonen trägt der Versicherer.
Beispiel: Erfolgreiche Ablehnung einer unzumutbaren Untersuchung
Ein Versicherter mit chronischem Erschöpfungssyndrom wurde aufgefordert, sich einer mehrstündigen neuropsychologischen Testbatterie zu unterziehen. Der Gutachter war über 300 Kilometer entfernt, die Untersuchung sollte an einem einzigen Tag erfolgen. Der Versicherte lehnte ab und verwies auf die unzumutbare körperliche Belastung. Das Gericht gab ihm später Recht: Die Kombination aus langer Anreise und erschöpfender Untersuchung war angesichts seiner Erkrankung unverhältnismäßig.
Leistungseinstellung nach Nachprüfung: Rechtliche Folgen
Der gefürchtete Moment: Der Versicherer teilt mit, dass die BU-Rente eingestellt wird. Diese Nachricht trifft viele Betroffene hart, denn sie bedeutet den Wegfall einer existenziellen Einnahmequelle. Doch eine Leistungseinstellung ist an strenge formelle und materielle Voraussetzungen geknüpft, die der Versicherer einhalten muss.
Zunächst muss der Versicherer seine Entscheidung ausführlich begründen. Eine pauschale Mitteilung, dass die Voraussetzungen nicht mehr vorliegen, genügt nicht. Er muss konkret darlegen, aufgrund welcher Tatsachen und medizinischen Erkenntnisse er zu dem Schluss gekommen ist, dass keine Berufsunfähigkeit mehr besteht. Diese Begründung muss für Sie als Versicherten nachvollziehbar sein.
Formelle Anforderungen an die Leistungseinstellung
Die Leistungseinstellung muss schriftlich erfolgen und eine klare Begründung enthalten. Der Versicherer muss darlegen, welche konkreten Umstände sich geändert haben und warum diese Änderung zum Wegfall der Berufsunfähigkeit führt. Pauschale Verweise auf Gutachten ohne nähere Erläuterung genügen den Anforderungen nicht.
Besonders wichtig: Der Versicherer muss Sie auf Ihre Rechte hinweisen, insbesondere auf die Möglichkeit des Widerspruchs und der gerichtlichen Überprüfung. Fehlen solche Hinweise, kann dies Auswirkungen auf Fristen haben und Ihnen zusätzliche Zeit für eine angemessene Reaktion verschaffen.
Materielle Voraussetzungen der Einstellung
Inhaltlich trägt der Versicherer die volle Beweislast dafür, dass die Voraussetzungen der Berufsunfähigkeit nicht mehr vorliegen. Dies ist ein entscheidender Punkt: Nicht Sie müssen beweisen, dass Sie noch berufsunfähig sind, sondern der Versicherer muss beweisen, dass Sie es nicht mehr sind. Diese Beweislastverteilung ist für Versicherte günstig und wird von den Gerichten konsequent angewendet.
Eine Verbesserung des Gesundheitszustands allein reicht für eine Leistungseinstellung nicht aus. Entscheidend ist, ob Sie dadurch wieder in der Lage sind, Ihren zuletzt ausgeübten Beruf in seiner konkreten Ausgestaltung zu mindestens 50 Prozent auszuüben. Auch eine teilweise Besserung begründet keine Einstellung, wenn Sie weiterhin zu mehr als 50 Prozent berufsunfähig sind.
Widerspruch und Klage gegen Leistungseinstellung
Wenn Sie eine Leistungseinstellung für ungerechtfertigt halten, sollten Sie dies nicht einfach hinnehmen. Die Erfahrung zeigt, dass sich Widerspruch und gerichtliche Auseinandersetzung durchaus lohnen können. Viele Versicherer agieren bei Nachprüfungen nicht immer rechtssicher, und Gerichte geben Versicherten häufiger Recht, als man zunächst vermuten würde.
Der erste Schritt ist üblicherweise ein außergerichtlicher Widerspruch. Hierbei teilen Sie dem Versicherer mit, dass Sie mit der Leistungseinstellung nicht einverstanden sind, und fordern die Fortsetzung der Rentenzahlung. Dieser Widerspruch sollte begründet sein und auf die Schwächen der Argumentation des Versicherers eingehen.
Der außergerichtliche Widerspruch
Ihr Widerspruch sollte zeitnah erfolgen, auch wenn es keine gesetzliche Frist wie im Sozialrecht gibt. Je schneller Sie reagieren, desto besser dokumentieren Sie Ihren Widerstand gegen die Entscheidung. Der Widerspruch sollte schriftlich erfolgen und per Einschreiben versandt werden, um den Zugang beweisen zu können.
Inhaltlich sollten Sie die Begründung des Versicherers Punkt für Punkt aufgreifen und widerlegen. Stützen Sie sich dabei auf eigene ärztliche Stellungnahmen, aktuelle Befunde und eine realistische Schilderung Ihrer tatsächlichen Einschränkungen im Berufsalltag. Zeigen Sie auf, dass die vom Versicherer behauptete Verbesserung nicht eingetreten ist oder jedenfalls nicht ausreicht, um Ihre Berufsfähigkeit wiederherzustellen.
Gerichtliche Durchsetzung des BU-Anspruchs
Bleibt der Versicherer bei seiner Entscheidung, ist der Gang zum Gericht oft unumgänglich. Zuständig sind die Zivilgerichte, bei Streitwerten bis 5.000 Euro das Amtsgericht, darüber das Landgericht. Bei BU-Streitigkeiten geht es meist um erhebliche Beträge, sodass in der Regel das Landgericht zuständig ist.
Im Prozess wird das Gericht typischerweise ein oder mehrere medizinische Gutachten einholen. Diese gerichtlich bestellten Gutachter sind neutral und nicht vom Versicherer ausgewählt. Die Erfahrung zeigt, dass Gerichtsgutachten oft zu günstigeren Ergebnissen für Versicherte führen als die vom Versicherer eingeholten Privatgutachten.
Praxis-Tipp: Beweissicherung für den Ernstfall
Führen Sie ein Beschwerdetagebuch, in dem Sie täglich Ihre Einschränkungen, Schmerzen und Belastungsgrenzen dokumentieren. Notieren Sie konkret, welche berufstypischen Tätigkeiten Sie nicht mehr ausführen können. Diese Aufzeichnungen können im Prozess wertvolle Beweismittel sein und helfen dem Gutachter, sich ein realistisches Bild Ihrer Situation zu machen.
Wichtige Gerichtsurteile zur BU-Nachprüfung
Die Rechtsprechung zur BU-Nachprüfung hat über die Jahre wichtige Grundsätze entwickelt, die Versicherten Schutz bieten. Ein Blick auf bedeutsame Entscheidungen zeigt, wo die Gerichte Grenzen ziehen und welche Rechte Versicherte haben. Diese Urteile können als Orientierung dienen, wenn Sie selbst von einer Nachprüfung betroffen sind.
Der Bundesgerichtshof als höchstes deutsches Zivilgericht hat mehrfach klargestellt, dass der Versicherer im Nachprüfungsverfahren die volle Beweislast für den Wegfall der Berufsunfähigkeit trägt. Diese versichertenfreundliche Rechtsprechung wurde in zahlreichen Entscheidungen bestätigt und konkretisiert.
Grundlegende BGH-Rechtsprechung
Der BGH hat entschieden, dass eine Leistungseinstellung nur dann gerechtfertigt ist, wenn der Versicherer nachweisen kann, dass der Versicherte seinen konkreten Beruf wieder zu mehr als 50 Prozent ausüben kann. Eine abstrakte Arbeitsfähigkeit genügt nicht – entscheidend ist die konkrete Berufsfähigkeit in dem Beruf, der der ursprünglichen Leistungszusage zugrunde lag.
Weiterhin hat der BGH klargestellt, dass eine Besserung des Gesundheitszustands allein nicht ausreicht. Der Versicherer muss beweisen, dass diese Besserung zu einer Wiederherstellung der Berufsfähigkeit geführt hat. Zwischen gesundheitlicher Besserung und beruflicher Leistungsfähigkeit besteht nicht zwingend ein Zusammenhang – dies muss im Einzelfall nachgewiesen werden.
Wichtige Entscheidungen der Oberlandesgerichte
Die Oberlandesgerichte haben die BGH-Rechtsprechung in zahlreichen Fällen konkretisiert. So wurde entschieden, dass der Versicherer nicht einfach auf ein Privatgutachten verweisen kann, das eine Besserung attestiert. Er muss vielmehr substantiiert darlegen, welche konkreten Tätigkeiten der Versicherte wieder ausüben kann und wie dies mit den Anforderungen des Berufs zusammenpasst.
Ein weiterer wichtiger Grundsatz: Die Aufnahme einer geringfügigen Beschäftigung führt nicht automatisch zum Wegfall der Berufsunfähigkeit. Entscheidend ist, ob diese Tätigkeit dem früheren Beruf entspricht und in welchem zeitlichen Umfang sie ausgeübt werden kann. Auch Rehabilitationsversuche oder stundenweise Tätigkeiten begründen nicht ohne Weiteres eine Leistungseinstellung.
Beispiel: Erfolgreiche Klage gegen Leistungseinstellung
Eine kaufmännische Angestellte erhielt seit Jahren BU-Rente wegen eines chronischen Schmerzsyndroms. Nach einer Nachprüfung stellte der Versicherer die Leistung ein, weil ein von ihm beauftragter Gutachter eine Besserung festgestellt hatte. Die Versicherte klagte. Das Landgericht holte ein eigenes Gutachten ein, das bestätigte, dass die Klägerin weiterhin nicht in der Lage war, ihre frühere Tätigkeit mehr als vier Stunden täglich auszuüben. Die Klage hatte Erfolg, die Rentenzahlung wurde rückwirkend fortgesetzt.
Rückforderungen bereits gezahlter BU-Renten
Eine besonders belastende Situation entsteht, wenn der Versicherer nicht nur die künftige Zahlung einstellt, sondern auch bereits gezahlte Renten zurückfordert. Solche Rückforderungen können schnell fünfstellige Beträge erreichen und Betroffene in existenzielle Nöte stürzen. Doch auch hier gelten strenge rechtliche Voraussetzungen, die der Versicherer erfüllen muss.
Grundsätzlich gilt: Die bloße Feststellung, dass keine Berufsunfähigkeit mehr vorliegt, berechtigt nicht zur Rückforderung. Der Versicherer muss vielmehr nachweisen, dass die Voraussetzungen für eine Rückforderung erfüllt sind – und diese Hürde ist hoch.
Rechtliche Voraussetzungen für Rückforderungen
Eine Rückforderung kommt nur in Betracht, wenn der Versicherte seine Mitwirkungspflichten schuldhaft verletzt hat oder wenn er Leistungen durch arglistige Täuschung erlangt hat. Die reine Feststellung, dass rückblickend betrachtet keine Berufsunfähigkeit vorlag, genügt für eine Rückforderung nicht. Der Versicherer muss ein Verschulden des Versicherten nachweisen.
Selbst wenn der Versicherte falsche Angaben gemacht hat, ist eine Rückforderung nicht immer möglich. Es kommt darauf an, ob die falschen Angaben für die Leistungsgewährung ursächlich waren und ob sie vorsätzlich oder zumindest grob fahrlässig erfolgten. Leichte Fahrlässigkeit oder bloße Ungenauigkeiten begründen keine Rückforderung.
Verjährung von Rückforderungsansprüchen
Rückforderungsansprüche unterliegen der Verjährung. Die regelmäßige Verjährungsfrist beträgt drei Jahre und beginnt mit dem Schluss des Jahres, in dem der Versicherer Kenntnis von den anspruchsbegründenden Umständen erlangt hat. Ohne Kenntnis verjähren Ansprüche spätestens nach zehn Jahren.
Die Verjährung ist ein wichtiges Verteidigungsmittel gegen Rückforderungen. Prüfen Sie daher genau, wann der Versicherer von den Umständen Kenntnis erlangt hat, die er seiner Rückforderung zugrunde legt. Möglicherweise ist der Anspruch bereits verjährt, bevor er geltend gemacht wird.
Praxis-Tipp: Dokumentation bei Rückforderungen
Wenn Sie mit einer Rückforderung konfrontiert werden, sammeln Sie alle Unterlagen, die belegen, dass Sie Ihre Angaben wahrheitsgemäß und vollständig gemacht haben. Dazu gehören Kopien ausgefüllter Fragebögen, Schweigepflichtentbindungen und Korrespondenz mit dem Versicherer. Diese Dokumente können entscheidend sein, um ein vermeintliches Verschulden zu widerlegen.
Strategisches Vorgehen bei Nachprüfungsverfahren
Der Umgang mit einer BU-Nachprüfung erfordert strategisches Geschick. Weder blindes Vertrauen in den Versicherer noch reflexartige Verweigerungshaltung führen zum Ziel. Mit dem richtigen Vorgehen können Sie Ihre Rechte wahren, ohne unnötige Konflikte zu provozieren.
Die wichtigste Regel lautet: Kooperieren Sie grundsätzlich, aber behalten Sie Ihre Rechte im Blick. Erfüllen Sie Ihre Mitwirkungspflichten zeitgerecht und vollständig, aber lassen Sie sich nicht zu Dingen drängen, die über diese Pflichten hinausgehen.
Richtige Kommunikation mit dem Versicherer
Antworten Sie auf Schreiben des Versicherers zeitnah und sachlich. Halten Sie sich an die gesetzten Fristen oder bitten Sie rechtzeitig um Fristverlängerung, wenn Sie mehr Zeit benötigen. Jede Kommunikation sollte schriftlich erfolgen, damit Sie den Inhalt später nachweisen können.
Seien Sie wahrheitsgemäß in Ihren Angaben, aber achten Sie darauf, nur das zu beantworten, was konkret gefragt wird. Vermeiden Sie es, ungefragt Informationen preiszugeben, die möglicherweise zu Ihrem Nachteil ausgelegt werden könnten. Unterschreiben Sie keine pauschalen Erklärungen oder Schweigepflichtentbindungen, die über das Erforderliche hinausgehen.
Bedeutung der medizinischen Dokumentation
Eine lückenlose medizinische Dokumentation ist im Nachprüfungsverfahren Gold wert. Sorgen Sie dafür, dass Ihre behandelnden Ärzte Ihre Beschwerden und Einschränkungen ausführlich dokumentieren. Bitten Sie um Kopien aller Befundberichte und bewahren Sie diese sorgfältig auf.
Besonders wichtig sind Berichte, die Ihre funktionellen Einschränkungen im Alltag und im Beruf konkret beschreiben. Ein Gutachter kann später nur bewerten, was dokumentiert ist. Je präziser Ihre Beschwerden und deren Auswirkungen auf Ihre Arbeitsfähigkeit beschrieben sind, desto besser stehen Ihre Chancen im Streitfall.
Checkliste: Strategisches Vorgehen bei Nachprüfung
- Nachprüfungsschreiben genau lesen und Fristen notieren
- Versicherungsbedingungen auf konkrete Mitwirkungspflichten prüfen
- Fragebögen vollständig, aber präzise beantworten
- Aktuelle ärztliche Befunde zusammenstellen
- Kopien aller eingereichten Unterlagen anfertigen
- Bei Unklarheiten schriftlich nachfragen
- Unzumutbare Forderungen begründet ablehnen
- Bei negativer Entscheidung zeitnah Widerspruch einlegen
Langfristige Absicherung Ihrer Ansprüche
Denken Sie bei Nachprüfungen immer langfristig. Die Dokumentation, die Sie heute erstellen, kann in Jahren noch relevant sein. Führen Sie ein eigenes Archiv mit allen versicherungsrelevanten Unterlagen und aktualisieren Sie es regelmäßig. So sind Sie für künftige Nachprüfungen optimal vorbereitet.
Beobachten Sie auch Veränderungen in Ihrer gesundheitlichen und beruflichen Situation. Wenn sich Ihr Zustand verschlechtert, sollten Sie dies dokumentieren und gegebenenfalls dem Versicherer mitteilen. Umgekehrt sollten Sie bei Verbesserungen überlegen, ob und wie Sie dies kommunizieren – immer im Bewusstsein, dass unwahre Angaben erhebliche rechtliche Konsequenzen haben können.
