Wann wird ein Pflichtverteidiger bestellt?
Der Brief vom Gericht liegt vor Ihnen: Ein Strafverfahren wird eröffnet, und plötzlich ist von einem Pflichtverteidiger die Rede. Viele Beschuldigte fragen sich in diesem Moment, was das für sie bedeutet – vor allem finanziell. Die Pflichtverteidigung ist kein Almosen des Staates, sondern eine gesetzliche Notwendigkeit in bestimmten Fällen. Und die Kosten? Die verschwinden nicht einfach, nur weil das Wort "Pflicht" im Namen steckt.
Ein Pflichtverteidiger wird immer dann vom Gericht bestellt, wenn eine Verteidigung gesetzlich zwingend vorgeschrieben ist. Das Gesetz spricht hier von der "notwendigen Verteidigung" gemäß § 140 StPO. Der Gesetzgeber hat erkannt, dass bestimmte Strafverfahren so komplex oder folgenschwer sind, dass ein Beschuldigter ohne rechtlichen Beistand kaum eine faire Chance hat. In diesen Fällen greift der Staat ein – allerdings nicht unbedingt zu Ihren Gunsten beim Blick auf die Rechnung.
Gesetzliche Fälle der notwendigen Verteidigung
Die Strafprozessordnung definiert präzise, wann ein Verteidiger zwingend erforderlich ist. Der wichtigste Fall betrifft Verfahren vor dem Landgericht oder Oberlandesgericht als erste Instanz. Hier drohen typischerweise schwere Strafen, weshalb der Gesetzgeber eine rechtliche Begleitung für unerlässlich hält. Gleiches gilt, wenn dem Beschuldigten ein Verbrechen vorgeworfen wird – also eine Straftat mit einer Mindeststrafe von einem Jahr Freiheitsstrafe.
Darüber hinaus besteht Verteidigerzwang bei Untersuchungshaft, einstweiliger Unterbringung oder wenn der bisherige Verteidiger ausgeschlossen wurde. Auch bei Verfahren, die zu einem Berufsverbot führen können, oder wenn der Beschuldigte sich bereits seit mindestens drei Monaten in einer Anstalt befindet, muss ein Pflichtverteidiger bestellt werden. Der Katalog des § 140 StPO ist umfangreich und deckt alle Situationen ab, in denen ein faires Verfahren ohne rechtlichen Beistand praktisch unmöglich erscheint.
Bestellung auf Antrag des Beschuldigten
Nicht nur das Gericht kann einen Pflichtverteidiger bestellen – auch Sie selbst haben ein Antragsrecht. Wenn die Voraussetzungen der notwendigen Verteidigung vorliegen, können Sie beim zuständigen Gericht die Beiordnung eines Verteidigers beantragen. Dies ist besonders wichtig, wenn Sie bereits einen bestimmten Anwalt im Sinn haben. Denn entgegen der landläufigen Meinung bedeutet Pflichtverteidigung nicht, dass Ihnen ein beliebiger Anwalt zugeteilt wird.
Sie können dem Gericht einen Anwalt Ihrer Wahl benennen. Erklärt sich dieser bereit, die Pflichtverteidigung zu übernehmen, wird er in der Regel auch bestellt. Dieser sogenannte "Wahlpflichtverteidiger" ist dann zwar offiziell Pflichtverteidiger mit der entsprechenden staatlichen Vergütung, wurde aber von Ihnen selbst ausgewählt. Nur wenn Sie keinen Verteidiger benennen oder Ihr Wunschverteidiger ablehnt, bestimmt das Gericht einen Anwalt aus einer Liste.
Praxis-Tipp: Frühzeitig aktiv werden bei der Verteidigerauswahl
Sobald Sie erfahren, dass ein Fall der notwendigen Verteidigung vorliegt, sollten Sie selbst einen Antrag auf Beiordnung eines bestimmten Verteidigers stellen. Warten Sie nicht, bis das Gericht Ihnen jemanden zuweist. Sprechen Sie vorher mit dem gewünschten Anwalt, ob er die Pflichtverteidigung übernehmen würde. So behalten Sie die Kontrolle über Ihre Verteidigung, auch wenn der Staat formal die Bestellung übernimmt.
Kostenübernahme durch den Staat – Voraussetzungen
Der Begriff "Pflichtverteidiger" suggeriert vielen Beschuldigten, dass der Staat die Kosten trägt. Diese Annahme ist gefährlich, denn sie stimmt nur in Ausnahmefällen. Die staatliche Kostenübernahme ist keineswegs der Regelfall, sondern an strenge Voraussetzungen geknüpft. Wer diese nicht kennt, erlebt nach dem Verfahren möglicherweise eine böse finanzielle Überraschung.
Grundsätzlich gilt im deutschen Strafverfahren: Der Verlierer zahlt. Werden Sie verurteilt, tragen Sie die Kosten des Verfahrens – und dazu gehören auch die Kosten Ihrer Verteidigung. Der Staat streckt diese Kosten zwar vor, holt sie sich aber nach Rechtskraft des Urteils von Ihnen zurück. Nur bei einem Freispruch oder einer Verfahrenseinstellung übernimmt die Staatskasse die Verteidigungskosten vollständig.
Bedürftigkeit als Ausnahmefall
Eine echte Kostenbefreiung gibt es nur bei nachgewiesener Bedürftigkeit. Können Sie die Kosten der Verteidigung und des Verfahrens nachweislich nicht aufbringen, kann die Vollstreckung der Kostenforderung zeitweise ausgesetzt oder in Raten umgewandelt werden. Eine vollständige Übernahme durch den Staat erfolgt jedoch selbst dann nicht automatisch. Die Schulden bleiben bestehen und können Jahre später noch eingefordert werden, wenn sich Ihre finanzielle Situation verbessert.
Die Prüfung der Bedürftigkeit erfolgt durch das Gericht. Sie müssen Ihre Einkommens- und Vermögensverhältnisse offenlegen, ähnlich wie bei der Beantragung von Sozialleistungen. Das Gericht prüft dann, ob eine Zahlungsverpflichtung für Sie eine unzumutbare Härte darstellen würde. Diese Prüfung ist streng – allein ein geringes Einkommen reicht nicht aus. Auch verwertbares Vermögen, Ersparnisse oder andere Einnahmequellen werden berücksichtigt.
Konkrete Voraussetzungen für staatliche Entlastung
Um eine Kostenübernahme oder zumindest eine Entlastung zu erreichen, müssen Sie aktiv werden. Das Gericht prüft Ihre finanzielle Situation nicht von selbst. Sie müssen einen entsprechenden Antrag stellen und diesen mit Nachweisen untermauern. Dazu gehören Einkommensnachweise, Kontoauszüge, Mietverträge und ähnliche Dokumente, die Ihre finanzielle Lage transparent machen.
Wichtig ist auch der Zeitpunkt: Die Prüfung der Bedürftigkeit erfolgt nach Abschluss des Verfahrens, wenn die Kostenforderung konkret wird. Ihre finanzielle Situation zum Zeitpunkt der Kostenfestsetzung ist entscheidend, nicht die während des Verfahrens. Selbst wenn Sie während des Prozesses arbeitslos waren, können Sie zur Zahlung herangezogen werden, wenn Sie danach wieder Einkommen erzielen.
Beispiel: Verurteilung trotz Pflichtverteidiger – die Kostenfolge
Herr M. wird wegen eines Betrugsdelikts angeklagt. Da die Hauptverhandlung vor dem Landgericht stattfindet, wird ihm ein Pflichtverteidiger beigeordnet. Das Verfahren zieht sich über mehrere Monate mit zahlreichen Verhandlungstagen. Am Ende erfolgt eine Verurteilung zu einer Bewährungsstrafe. Drei Monate nach Rechtskraft des Urteils erhält Herr M. einen Kostenbescheid über mehrere tausend Euro – die Vergütung seines Pflichtverteidigers plus Gerichtskosten. Da er inzwischen wieder arbeitet, muss er zahlen.
Eigenanteil bei Verurteilung – Was Sie zahlen müssen
Die Verurteilung ist ausgesprochen, das Urteil rechtskräftig – und dann kommt der Kostenbescheid. Für viele Verurteilte ist dieser Moment ein Schock, denn die Kosten eines Strafverfahrens können erheblich sein. Neben der eigentlichen Strafe müssen Sie als Verurteilter grundsätzlich alle Kosten des Verfahrens tragen. Das ist keine Willkür, sondern gesetzlich in § 465 StPO festgelegt.
Die Verfahrenskosten setzen sich aus mehreren Komponenten zusammen. Zum einen fallen Gerichtskosten an, die sich nach dem Gerichtskostengesetz richten. Hinzu kommen die Kosten für Sachverständige, Zeugen, Dolmetscher und andere am Verfahren Beteiligte. Den größten Posten bilden jedoch häufig die Kosten der Verteidigung. Auch wenn Ihr Pflichtverteidiger vom Staat bezahlt wurde, werden diese Kosten auf Sie umgelegt.
Berechnung der Pflichtverteidigerkosten
Die Vergütung des Pflichtverteidigers richtet sich nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG). Anders als bei einem Wahlverteidiger, der individuelle Honorarvereinbarungen treffen kann, erhält der Pflichtverteidiger nur die gesetzlichen Gebühren. Diese sind zwar niedriger als bei einem Wahlverteidiger, summieren sich aber dennoch schnell auf beträchtliche Beträge.
Für jede Verfahrenshandlung fallen bestimmte Gebühren an: für das Aktenstudium, für Besprechungen mit dem Mandanten, für jeden Verhandlungstag, für Rechtsmittel und vieles mehr. Bei einem komplexen Verfahren mit mehreren Hauptverhandlungstagen können die Verteidigerkosten leicht in den vierstelligen Bereich steigen. Diese Summe wird nach der Verurteilung von Ihnen eingefordert.
Zusätzliche Verfahrenskosten
Neben den Verteidigerkosten fallen weitere Verfahrenskosten an, die oft unterschätzt werden. Die Gerichtskosten richten sich nach der Höhe der verhängten Strafe und dem Umfang des Verfahrens. Bei aufwendigen Beweisaufnahmen mit mehreren Sachverständigengutachten können allein diese Kosten mehrere tausend Euro betragen.
Auch die Kosten der Staatsanwaltschaft und der Ermittlungsbehörden werden auf Sie umgelegt. Wenn die Polizei umfangreiche Ermittlungen durchgeführt hat, schlägt sich das in der Kostenrechnung nieder. Selbst die Auslagen für Zustellungen und Ladungen werden Ihnen in Rechnung gestellt. Die Gesamtsumme kann selbst bei vermeintlich kleinen Verfahren überraschend hoch ausfallen.
Checkliste: Diese Kosten drohen bei Verurteilung
- Gerichtskosten nach dem Gerichtskostengesetz
- Vergütung des Pflichtverteidigers nach RVG
- Auslagen für Sachverständigengutachten
- Zeugenentschädigungen und Dolmetscherkosten
- Kosten für Zustellungen und Ladungen
- Eventuelle Kosten der Nebenklage
- Pauschalen für die Staatskasse
Prozesskostenhilfe im Strafverfahren beantragen
Viele Beschuldigte kennen die Prozesskostenhilfe aus dem Zivilrecht und fragen sich, ob diese auch im Strafverfahren greift. Die Antwort ist kompliziert: Eine klassische Prozesskostenhilfe wie im Zivilprozess gibt es im Strafverfahren nicht. Dennoch existieren Mechanismen, die finanziell schwachen Beschuldigten helfen können – allerdings unter anderen Voraussetzungen und mit anderen Konsequenzen.
Im Strafverfahren tritt an die Stelle der Prozesskostenhilfe das System der Pflichtverteidigung. Der Staat stellt sicher, dass Sie rechtlich vertreten werden, auch wenn Sie sich keinen Anwalt leisten können. Der entscheidende Unterschied zur zivilrechtlichen Prozesskostenhilfe: Die Kosten werden nicht erlassen, sondern nur vorgestreckt. Bei einer Verurteilung müssen Sie sie zurückzahlen.
Beratungshilfe vor Beginn des Verfahrens
Noch bevor ein Strafverfahren offiziell eröffnet wird, können Sie Beratungshilfe nach dem Beratungshilfegesetz in Anspruch nehmen. Diese ermöglicht eine erste anwaltliche Beratung zu sehr geringen Kosten. Die Beratungshilfe müssen Sie beim zuständigen Amtsgericht beantragen und Ihre Bedürftigkeit nachweisen. Der Eigenanteil beträgt lediglich wenige Euro.
Die Beratungshilfe eignet sich besonders für die Frage, ob Sie einen Einspruch gegen einen Strafbefehl einlegen sollten oder wie Sie auf eine polizeiliche Vorladung reagieren sollten. Sie deckt allerdings nicht die Vertretung im Strafverfahren selbst ab. Sobald eine Anklage erhoben wird oder Sie einen Anwalt für Verhandlungen benötigen, greift die Beratungshilfe nicht mehr.
Antrag auf Kostenübernahme stellen
Nach Abschluss des Verfahrens können Sie einen Antrag auf Niederschlagung oder Stundung der Kosten stellen. Dieser Antrag richtet sich an die Landesjustizkasse oder die für die Kostenbeitreibung zuständige Behörde. Sie müssen detailliert darlegen, warum Sie die Kosten nicht tragen können und welche finanziellen Mittel Ihnen zur Verfügung stehen.
Die Erfolgsaussichten eines solchen Antrags hängen stark von Ihrer individuellen Situation ab. Bei dauerhafter Erwerbsunfähigkeit oder Bezug von Grundsicherung sind die Chancen höher als bei vorübergehender Arbeitslosigkeit. Das Gericht oder die Vollstreckungsbehörde prüft auch, ob in absehbarer Zeit mit einer Verbesserung Ihrer finanziellen Situation zu rechnen ist. Eine vollständige Niederschlagung ist selten – häufiger wird eine Ratenzahlung vereinbart.
Wahlverteidiger vs. Pflichtverteidiger – Kostenunterschiede
Die Unterscheidung zwischen Wahl- und Pflichtverteidiger verwirrt viele Beschuldigte. In der öffentlichen Wahrnehmung gilt der Pflichtverteidiger als "kostenloser Anwalt für Arme", während der Wahlverteidiger als "teurer Luxus" angesehen wird. Beide Vorstellungen sind falsch. Die Unterschiede liegen nicht primär in der Qualität der Verteidigung, sondern in der Art der Vergütung und der Kostentragung.
Ein Wahlverteidiger ist ein Anwalt, den Sie selbst beauftragen und der nach einer individuellen Honorarvereinbarung oder nach dem RVG mit Ihnen abrechnet. Sie zahlen ihn direkt – unabhängig vom Ausgang des Verfahrens. Der Pflichtverteidiger hingegen wird vom Gericht bestellt und erhält seine Vergütung zunächst vom Staat. Die Kosten werden aber bei einer Verurteilung von Ihnen zurückgefordert.
Vergütung des Wahlverteidigers
Der Wahlverteidiger kann mit Ihnen eine Honorarvereinbarung treffen, die über die gesetzlichen Gebühren hinausgeht. Viele Strafverteidiger arbeiten mit Stundenhonoraren oder Pauschalvereinbarungen. Diese können deutlich höher liegen als die RVG-Gebühren, die der Pflichtverteidiger erhält. Der Vorteil: Sie wissen vorab, welche Kosten auf Sie zukommen, und können planen.
Bei einem Freispruch oder einer Verfahrenseinstellung werden Ihnen als Wahlverteidiger-Mandant nur die gesetzlichen Gebühren erstattet – nicht das möglicherweise höhere vereinbarte Honorar. Die Differenz tragen Sie selbst. Dies ist ein wichtiger Punkt bei der Entscheidung zwischen Wahl- und Pflichtverteidiger: Wer einen teuren Wahlverteidiger engagiert und freigesprochen wird, erhält trotzdem nicht alle Kosten zurück.
Vergütung des Pflichtverteidigers
Der Pflichtverteidiger erhält ausschließlich die gesetzlichen Gebühren nach dem RVG. Diese sind niedriger als die Gebühren, die ein Wahlverteidiger typischerweise berechnet. Der Pflichtverteidiger kann keine Honorarvereinbarung mit Ihnen treffen, die über die gesetzlichen Gebühren hinausgeht – zumindest nicht für die Tätigkeiten, die von der Beiordnung umfasst sind.
Allerdings gibt es einen wichtigen Vorteil: Bei einem Freispruch übernimmt der Staat die gesamten Kosten der Pflichtverteidigung. Sie müssen nichts aus eigener Tasche bezahlen. Bei einer Verurteilung zahlen Sie nur die gesetzlichen Gebühren – nicht mehr. Im Vergleich zu einem Wahlverteidiger mit Honorarvereinbarung kann dies erheblich günstiger sein, selbst wenn Sie am Ende zahlen müssen.
Praxis-Tipp: Kombination aus Pflicht- und Wahlverteidigung prüfen
In manchen Fällen kann es sinnvoll sein, einen Anwalt als Pflichtverteidiger beiordnen zu lassen, der gleichzeitig als Wahlverteidiger zusätzliche Leistungen erbringt. Die Pflichtverteidigung deckt dann die Grundtätigkeiten ab, während Sie für besondere Leistungen wie ausführliche Strategiegespräche oder zusätzliche Recherchen gesondert zahlen. Sprechen Sie offen mit Ihrem Anwalt über diese Möglichkeit.
Höhe der Verteidigungskosten nach RVG
Das Rechtsanwaltsvergütungsgesetz regelt präzise, welche Gebühren ein Anwalt im Strafverfahren abrechnen darf. Für die Pflichtverteidigung gelten dabei reduzierte Sätze – der Pflichtverteidiger erhält weniger als ein Wahlverteidiger für dieselbe Tätigkeit. Diese Regelung soll die Staatskasse schonen, führt aber auch dazu, dass Pflichtverteidigungen für Anwälte wirtschaftlich weniger attraktiv sind.
Die Gebühren setzen sich aus verschiedenen Gebührentatbeständen zusammen. Jede Verfahrensstufe, jede Tätigkeit des Anwalts löst bestimmte Gebühren aus. Die Höhe hängt dabei auch davon ab, vor welchem Gericht das Verfahren stattfindet. Ein Verfahren vor dem Amtsgericht ist günstiger als eines vor dem Landgericht, und dieses wiederum günstiger als ein Verfahren vor dem Oberlandesgericht.
Einzelne Gebührentatbestände im Überblick
Die wichtigsten Gebühren im Strafverfahren sind die Grundgebühr, die Verfahrensgebühr und die Terminsgebühr. Die Grundgebühr fällt einmalig für die erste Einarbeitung in den Fall an. Die Verfahrensgebühr deckt die allgemeine Tätigkeit im jeweiligen Verfahrensabschnitt ab – also im Ermittlungsverfahren, im ersten Rechtszug oder im Berufungsverfahren. Die Terminsgebühr wird für jeden Verhandlungstag berechnet.
Hinzu kommen besondere Gebühren für bestimmte Tätigkeiten: die Einigungsgebühr bei Absprachen, die Gebühr für einen längeren Hauptverhandlungstag, die Gebühr für die Einlegung von Rechtsmitteln. Auch Auslagen wie Kopierkosten, Reisekosten und Telekommunikationskosten werden gesondert abgerechnet. All diese Posten summieren sich und ergeben am Ende die Gesamtkosten der Verteidigung.
Kostenbeispiele nach Verfahrensarten
Die tatsächlichen Kosten variieren stark je nach Art und Umfang des Verfahrens. Ein einfaches Verfahren vor dem Amtsgericht mit einem Hauptverhandlungstag verursacht naturgemäß geringere Kosten als ein komplexes Verfahren vor dem Landgericht mit zahlreichen Verhandlungstagen. Die Spanne reicht von wenigen hundert Euro bis hin zu fünfstelligen Beträgen.
Besonders kostenintensiv sind Verfahren mit umfangreicher Beweisaufnahme, vielen Zeugen oder komplizierter Sachlage. Wenn Ihr Verteidiger zahlreiche Anträge stellen muss, Sachverständige befragen oder umfangreiche Akten durcharbeiten muss, steigen die Kosten entsprechend. Auch Rechtsmittelverfahren erhöhen die Gesamtkosten erheblich, da für jede Instanz gesonderte Gebühren anfallen.
Beispiel: Kostenstaffelung bei mehrtägiger Hauptverhandlung
Frau K. wird vor dem Landgericht wegen eines Betäubungsmitteldelikts angeklagt. Die Hauptverhandlung erstreckt sich über vier Tage. Ihr Pflichtverteidiger erhält die Grundgebühr, die Verfahrensgebühr für das vorbereitende Verfahren, die Verfahrensgebühr für den ersten Rechtszug und vier Terminsgebühren – für jeden Verhandlungstag eine. Hinzu kommen Auslagen für Kopien, Reisekosten und Telekommunikation. Die Gesamtkosten belaufen sich auf einen mittleren vierstelligen Betrag, den Frau K. nach ihrer Verurteilung tragen muss.
Ratenzahlung und Stundung der Verfahrenskosten
Der Kostenbescheid ist da, und die Summe übersteigt Ihre aktuellen finanziellen Möglichkeiten bei Weitem. Diese Situation kennen viele Verurteilte. Der Gesetzgeber hat für solche Fälle Möglichkeiten geschaffen, die Zahlung zu erleichtern. Ratenzahlung und Stundung sind die wichtigsten Instrumente, um eine Vollstreckung abzuwenden und dennoch Ihrer Zahlungspflicht nachzukommen.
Anders als bei einer Niederschlagung der Kosten bleiben Sie bei Ratenzahlung und Stundung vollumfänglich zur Zahlung verpflichtet. Die Schuld wird nicht reduziert, sondern nur anders verteilt. Das bedeutet: Sie zahlen am Ende den gesamten Betrag, nur eben über einen längeren Zeitraum. Diese Regelung hilft dennoch vielen Verurteilten, ihre finanzielle Situation zu stabilisieren und die Kosten bewältigen zu können.
Voraussetzungen für eine Ratenzahlung
Um eine Ratenzahlung zu erreichen, müssen Sie einen Antrag bei der Landesjustizkasse oder der zuständigen Vollstreckungsbehörde stellen. In diesem Antrag legen Sie Ihre finanzielle Situation offen und machen einen konkreten Vorschlag für die Ratenhöhe. Die Behörde prüft dann, ob Ihr Vorschlag realistisch ist und ob eine Ratenzahlung in Ihrem Fall angemessen erscheint.
Die Ratenhöhe richtet sich nach Ihrem verfügbaren Einkommen. Als Faustregel gilt: Der pfändbare Teil Ihres Einkommens kann für die Ratenzahlung herangezogen werden. Die Raten müssen so bemessen sein, dass Sie Ihren Lebensunterhalt weiterhin bestreiten können. Zu niedrige Raten werden von der Behörde abgelehnt, da die Schuld dann praktisch nie getilgt würde.
Stundung als vorübergehende Lösung
Die Stundung unterscheidet sich von der Ratenzahlung: Hier wird die Fälligkeit der gesamten Forderung verschoben. Sie zahlen für einen bestimmten Zeitraum gar nichts, müssen dann aber den gesamten Betrag auf einmal aufbringen. Die Stundung eignet sich daher nur, wenn Sie eine konkrete Verbesserung Ihrer finanziellen Situation erwarten – etwa durch eine neue Arbeitsstelle oder eine erwartete Erbschaft.
In der Praxis wird die Stundung häufig mit einer anschließenden Ratenzahlung kombiniert. Sie erhalten zunächst Zeit, Ihre finanzielle Situation zu stabilisieren, und zahlen dann in Raten. Auch während der Stundung können Zinsen anfallen, sodass sich die Gesamtsumme erhöht. Prüfen Sie daher genau, ob eine Stundung für Sie sinnvoll ist oder ob eine sofortige Ratenzahlung günstiger wäre.
Checkliste: Antrag auf Ratenzahlung stellen
- Antrag schriftlich an die zuständige Landesjustizkasse richten
- Aktuelle Einkommensnachweise beifügen (Gehaltsabrechnungen, Bescheide)
- Monatliche Ausgaben auflisten und belegen
- Konkreten Vorschlag für die Ratenhöhe unterbreiten
- Begründung verfassen, warum Einmalzahlung nicht möglich ist
- Eventuelle besondere Belastungen dokumentieren
- Frist im Kostenbescheid beachten und rechtzeitig handeln
Kostenerstattung bei Freispruch oder Verfahrenseinstellung
Der beste Ausgang eines Strafverfahrens ist der Freispruch – nicht nur wegen der Rehabilitation, sondern auch aus finanzieller Sicht. Bei einem Freispruch trägt die Staatskasse die Kosten des Verfahrens und der Verteidigung. Sie müssen nichts zahlen. Allerdings gibt es auch hier wichtige Details zu beachten, denn "vollständige Kostenerstattung" bedeutet nicht immer, dass Sie am Ende bei null herauskommen.
Gleiches gilt bei einer Verfahrenseinstellung. Stellt die Staatsanwaltschaft das Verfahren ein oder erfolgt eine Einstellung durch das Gericht, übernimmt der Staat grundsätzlich die Kosten. Die genaue Kostenverteilung hängt allerdings davon ab, aus welchem Grund eingestellt wurde. Bei einer Einstellung wegen erwiesener Unschuld ist die Kostenübernahme vollständig. Bei einer Einstellung aus Opportunitätsgründen kann die Lage anders aussehen.
Umfang der Kostenerstattung
Bei einem Freispruch werden die notwendigen Auslagen des Angeklagten von der Staatskasse übernommen. Dazu gehören die Kosten des Pflichtverteidigers oder – falls Sie einen Wahlverteidiger hatten – die gesetzlichen Gebühren nach RVG. Hatten Sie mit Ihrem Wahlverteidiger ein höheres Honorar vereinbart, erhalten Sie nur die gesetzlichen Gebühren erstattet. Die Differenz tragen Sie selbst.
Auch andere notwendige Auslagen werden erstattet: Reisekosten zu Gerichtsterminen, Verdienstausfall, Kosten für Sachverständige, die Sie selbst beauftragt haben. Die Erstattung ist allerdings auf das Notwendige beschränkt. Luxuriöse Hotelübernachtungen oder erste-Klasse-Bahnfahrten werden nicht in voller Höhe erstattet. Die Behörde prüft, ob die geltend gemachten Kosten tatsächlich erforderlich waren.
Antragstellung und Fristen
Die Kostenerstattung erfolgt nicht automatisch. Sie müssen einen Antrag beim Gericht stellen und Ihre Auslagen konkret beziffern und belegen. Für diesen Antrag gilt eine Frist von drei Monaten nach Rechtskraft der Entscheidung. Versäumen Sie diese Frist, verlieren Sie Ihren Anspruch – auch wenn Sie freigesprochen wurden und die Kosten eigentlich ersetzt werden müssten.
Im Antrag listen Sie alle erstattungsfähigen Kosten auf und fügen entsprechende Belege bei. Bei einem Pflichtverteidiger ist die Sache einfach: Das Gericht rechnet direkt mit der Staatskasse ab. Bei einem Wahlverteidiger müssen Sie dessen Rechnung einreichen und die Erstattung beantragen. Das Gericht setzt dann die erstattungsfähigen Kosten fest, und Sie erhalten eine entsprechende Zahlung.
Praxis-Tipp: Alle Belege von Anfang an sammeln
Beginnen Sie vom ersten Tag des Verfahrens an, sämtliche Quittungen und Belege zu sammeln: Fahrkarten, Parkgebühren, Bescheinigungen über Verdienstausfall, Rechnungen Ihres Verteidigers. Bei einem Freispruch können Sie diese Kosten nur erstattet bekommen, wenn Sie sie belegen können. Führen Sie eine Übersicht und bewahren Sie alle Originalbelege sorgfältig auf. Nach dem Freispruch ist es oft schwer, Belege nachträglich zu beschaffen.
