Tatbestand der räuberischen Erpressung nach § 255 StGB
Der Brief vom Gericht liegt auf dem Tisch: Anklage wegen räuberischer Erpressung. Ein Vorwurf, der das Leben grundlegend verändern kann. Denn bei diesem Delikt handelt es sich um ein Verbrechen – mit einer Mindestfreiheitsstrafe von einem Jahr. Geldstrafe oder Bewährung sind im Regelfall ausgeschlossen. Wer versteht, wie der Tatbestand aufgebaut ist, kann die eigene Situation besser einschätzen und gezielt handeln.
Die räuberische Erpressung nach § 255 StGB setzt voraus, dass der Täter eine Erpressung begeht und dabei eines der qualifizierten Nötigungsmittel des Raubes einsetzt. Konkret bedeutet das: Der Täter muss Gewalt gegen eine Person anwenden oder eine Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben aussprechen. Diese verschärften Anforderungen unterscheiden die räuberische Erpressung von der einfachen Erpressung nach § 253 StGB.
Die objektiven Tatbestandsmerkmale
Der objektive Tatbestand verlangt zunächst eine Nötigung. Das Opfer muss durch Gewalt oder Drohung zu einem Verhalten gezwungen werden. Bei der räuberischen Erpressung genügt jedoch nicht jede Drohung. Es muss sich um eine Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben handeln. Die Gefahr muss unmittelbar bevorstehen oder als unmittelbar bevorstehend dargestellt werden.
Gewalt im Sinne des § 255 StGB bedeutet körperlich wirkender Zwang zur Überwindung eines geleisteten oder erwarteten Widerstands. Das kann ein Festhalten, Schlagen oder Würgen sein. Auch das Verabreichen von betäubenden Mitteln fällt darunter. Die Gewalt muss gegen eine Person gerichtet sein – reine Sachgewalt genügt nicht.
Das erzwungene Verhalten muss zu einer Vermögensverfügung führen, die einen Vermögensschaden beim Opfer oder einem Dritten verursacht. Gleichzeitig muss der Täter oder ein Dritter einen Vermögensvorteil erlangen. Diese Vermögensverschiebung bildet den Kern des Erpressungstatbestands.
Der subjektive Tatbestand und die Bereicherungsabsicht
Auf der subjektiven Seite muss der Täter vorsätzlich handeln. Er muss alle objektiven Tatbestandsmerkmale kennen und deren Verwirklichung zumindest billigend in Kauf nehmen. Darüber hinaus verlangt das Gesetz eine Bereicherungsabsicht. Der Täter muss die Absicht haben, sich oder einen Dritten rechtswidrig zu bereichern.
Die Rechtswidrigkeit der erstrebten Bereicherung fehlt, wenn der Täter einen fälligen und einredefreien Anspruch auf die Leistung hat. Wer also unter Androhung von Gewalt eine tatsächlich geschuldete Geldsumme einfordert, macht sich nicht der räuberischen Erpressung schuldig – allerdings können andere Straftatbestände wie Nötigung erfüllt sein.
Praxis-Tipp: Dokumentation der Vorwürfe prüfen
Fordern Sie umgehend Akteneinsicht an. Die genaue Tatbestandsprüfung ergibt oft, dass einzelne Merkmale nicht nachweisbar sind. Besonders die Bereicherungsabsicht und die Qualität der Drohung bieten häufig Ansatzpunkte für die Verteidigung.
Welche Strafe droht bei räuberischer Erpressung?
Die räuberische Erpressung gehört zu den schwerwiegendsten Vermögensdelikten im deutschen Strafrecht. Der Gesetzgeber hat sie durch die Verweisung auf die Raubvorschriften als Verbrechen eingestuft. Das bedeutet: Die Mindeststrafe beträgt ein Jahr Freiheitsstrafe. Eine Geldstrafe ist im Regelfall nicht vorgesehen.
Der Strafrahmen des § 255 StGB in Verbindung mit § 249 StGB reicht von einem Jahr bis zu fünfzehn Jahren Freiheitsstrafe. Bei minder schweren Fällen kann das Gericht eine Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren verhängen. In besonders schweren Fällen oder bei Vorliegen von Qualifikationen erhöht sich der Strafrahmen deutlich.
Der Regelstrafrahmen und seine Anwendung
Innerhalb des Strafrahmens von einem bis fünfzehn Jahren bestimmt das Gericht die konkrete Strafe nach den allgemeinen Strafzumessungsregeln des § 46 StGB. Dabei werden die Umstände berücksichtigt, die für und gegen den Täter sprechen. Die Beweggründe und Ziele des Täters, die Art der Tatausführung und die verschuldeten Auswirkungen spielen eine zentrale Rolle.
In der Praxis bewegen sich die Strafen bei erstmaliger räuberischer Erpressung ohne erschwerende Umstände häufig im unteren bis mittleren Bereich des Strafrahmens. Bei geringer Beute, spontaner Tatbegehung und Ersttäterschaft verhängen Gerichte oft Freiheitsstrafen zwischen einem und drei Jahren. Diese können unter bestimmten Voraussetzungen zur Bewährung ausgesetzt werden.
Möglichkeit der Strafaussetzung zur Bewährung
Eine Freiheitsstrafe von bis zu zwei Jahren kann grundsätzlich zur Bewährung ausgesetzt werden, wenn eine günstige Sozialprognose besteht. Das Gericht muss erwarten können, dass der Verurteilte sich schon die Verurteilung zur Warnung dienen lässt und künftig keine Straftaten mehr begehen wird. Bei der räuberischen Erpressung liegt die Schwelle für eine Bewährungsentscheidung jedoch hoch.
Gerichte prüfen kritisch, ob die Verteidigung der Rechtsordnung die Vollstreckung gebietet. Bei Gewaltdelikten mit Bereicherungsabsicht wird oft ein Vollzug der Strafe für erforderlich gehalten. Faktoren wie Geständnis, Schadenswiedergutmachung, Täter-Opfer-Ausgleich und ein bisher straffreies Leben können jedoch die Bewährungsentscheidung positiv beeinflussen.
Beispiel: Erstmalige räuberische Erpressung mit Bewährung
Ein 22-jähriger Student drohte einem Kommilitonen mit Schlägen, um die Herausgabe von 200 Euro zu erzwingen. Er war bisher nicht vorbestraft, legte ein umfassendes Geständnis ab und zahlte den Betrag sofort zurück. Das Gericht verurteilte ihn zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und drei Monaten, die zur Bewährung ausgesetzt wurde. Die günstige Sozialprognose und die vollständige Wiedergutmachung waren entscheidend.
Abgrenzung zwischen Raub und räuberischer Erpressung
Die Unterscheidung zwischen Raub und räuberischer Erpressung bereitet selbst Juristen regelmäßig Kopfzerbrechen. Beide Delikte setzen den Einsatz von Gewalt oder qualifizierter Drohung voraus. Beide führen zu einer Vermögensverschiebung. Der entscheidende Unterschied liegt in der Art und Weise, wie diese Vermögensverschiebung zustande kommt.
Die herrschende Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs grenzt nach dem äußeren Erscheinungsbild ab. Beim Raub steht die Wegnahme im Vordergrund: Der Täter bricht den Gewahrsam des Opfers und begründet neuen eigenen Gewahrsam. Bei der räuberischen Erpressung erfolgt die Vermögensverschiebung hingegen durch eine Verfügung des Opfers – das Opfer gibt die Sache heraus oder nimmt eine andere vermögensmindernde Handlung vor.
Wegnahme versus Vermögensverfügung
Wegnahme bedeutet den Bruch fremden Gewahrsams und die Begründung neuen Gewahrsams. Das Opfer verliert den Besitz gegen oder ohne seinen Willen. Bei der räuberischen Erpressung hingegen wirkt das Opfer an der Vermögensverschiebung mit – wenn auch unter dem Druck der Gewalt oder Drohung. Es gibt die Sache heraus, überweist Geld oder unterschreibt einen Vertrag.
In der Praxis stellen sich häufig Grenzfälle. Nimmt der Täter dem Opfer die Geldbörse aus der Hand, nachdem er es durch Gewalt wehrlos gemacht hat, liegt Raub vor. Fordert er das Opfer unter Androhung von Schlägen auf, die Geldbörse herauszugeben, und das Opfer kommt dieser Aufforderung nach, handelt es sich um räuberische Erpressung.
Praktische Bedeutung der Abgrenzung
Die Abgrenzung ist nicht nur dogmatisch interessant, sondern hat praktische Konsequenzen. Bei der räuberischen Erpressung muss ein Vermögensschaden eingetreten sein. Beim Raub genügt die Wegnahme einer beweglichen Sache. Außerdem kann die räuberische Erpressung auch bei Rechtsforderungen scheitern, wenn der Täter einen Anspruch auf die geforderte Leistung hat.
Für die Strafzumessung spielt die Unterscheidung dagegen kaum eine Rolle. Beide Delikte werden nach den gleichen Strafrahmen bestraft, da § 255 StGB auf die Raubvorschriften verweist. Die Abgrenzung kann jedoch für die Verteidigung relevant sein, wenn bestimmte Tatbestandsmerkmale bei der einen Variante leichter zu widerlegen sind als bei der anderen.
Praxis-Tipp: Genauen Tatablauf rekonstruieren
Dokumentieren Sie den exakten Ablauf des Geschehens. Hat das Opfer die Sache aktiv übergeben oder wurde sie ihm weggenommen? Diese Unterscheidung kann für die rechtliche Einordnung und damit für mögliche Verteidigungsansätze entscheidend sein.
Besonders schwere Fälle und Qualifikationen
Neben dem Grundtatbestand kennt das Gesetz verschärfte Varianten der räuberischen Erpressung. Diese führen zu erheblich höheren Strafen und schränken die Möglichkeiten einer Bewährung stark ein. Wer mit solchen Vorwürfen konfrontiert ist, steht vor einer existentiellen Situation.
Die Qualifikationen und besonders schweren Fälle ergeben sich aus der Verweisung des § 255 StGB auf die Raubvorschriften. Damit gelten die §§ 250 und 251 StGB entsprechend. Diese Normen erfassen Fälle, in denen die Tat unter besonders gefährlichen oder verwerflichen Umständen begangen wird.
Schwere räuberische Erpressung nach § 250 StGB
Eine schwere räuberische Erpressung liegt vor, wenn der Täter oder ein anderer Beteiligter eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug bei sich führt. Auch das Beisichführen eines sonstigen Werkzeugs, um den Widerstand einer anderen Person durch Gewalt oder Drohung zu verhindern oder zu überwinden, erfüllt die Qualifikation. Der Strafrahmen erhöht sich auf drei bis fünfzehn Jahre Freiheitsstrafe.
Besonders schwer wiegt die Verwendung einer Waffe oder eines gefährlichen Werkzeugs bei der Tat. Gleiches gilt für Taten, bei denen das Opfer in die Gefahr einer schweren Gesundheitsschädigung gebracht wird, oder wenn der Täter als Mitglied einer Bande handelt. In diesen Fällen beträgt der Strafrahmen fünf bis fünfzehn Jahre Freiheitsstrafe.
Räuberische Erpressung mit Todesfolge nach § 251 StGB
Die schwerste Form stellt die räuberische Erpressung mit Todesfolge dar. Wenn der Täter durch die Tat wenigstens leichtfertig den Tod eines Menschen verursacht, droht lebenslange Freiheitsstrafe oder Freiheitsstrafe nicht unter zehn Jahren. Diese Erfolgsqualifikation setzt voraus, dass der Tod gerade durch die angewandte Gewalt oder Drohung verursacht wurde.
Leichtfertigkeit bedeutet einen besonders hohen Grad an Fahrlässigkeit. Der Täter muss die Möglichkeit des Todeseintritts aus besonderem Leichtsinn oder aus besonderer Gleichgültigkeit außer Acht gelassen haben. Ein Herzinfarkt des Opfers infolge der Todesangst kann ebenso erfasst sein wie Verletzungen, die zu einem späteren Tod führen.
Verjährung bei räuberischer Erpressung
Auch schwere Straftaten verjähren. Die Verjährung bedeutet, dass nach Ablauf einer bestimmten Frist keine Strafverfolgung mehr möglich ist. Bei der räuberischen Erpressung richtet sich die Verjährungsfrist nach der angedrohten Höchststrafe. Diese Regelung hat erhebliche praktische Bedeutung.
Die einfache räuberische Erpressung nach § 255 StGB in Verbindung mit § 249 Abs. 1 StGB hat einen Strafrahmen von einem bis fünfzehn Jahren. Bei einer Höchststrafe von fünfzehn Jahren beträgt die Verjährungsfrist nach § 78 Abs. 3 Nr. 2 StGB zwanzig Jahre. Dies gilt für den Grundtatbestand ebenso wie für die Qualifikation nach § 250 Abs. 1 StGB.
Übersicht der Verjährungsfristen
Die Verjährungsfrist beginnt grundsätzlich mit der Beendigung der Tat. Bei der räuberischen Erpressung ist dies der Zeitpunkt, zu dem der Täter die erstrebte Bereicherung erlangt hat oder feststeht, dass er sie nicht mehr erlangen wird. Maßgeblich ist die Höchststrafe des verwirklichten Tatbestands.
Für die schwere räuberische Erpressung nach § 250 StGB mit einer Höchststrafe von fünfzehn Jahren gilt ebenfalls eine Verjährungsfrist von zwanzig Jahren. Die räuberische Erpressung mit Todesfolge nach § 251 StGB verjährt wegen der angedrohten lebenslangen Freiheitsstrafe nach dreißig Jahren. Diese langen Fristen zeigen, wie ernst der Gesetzgeber diese Delikte nimmt.
Unterbrechung und Ruhen der Verjährung
Die Verjährung kann durch bestimmte Maßnahmen unterbrochen werden. Dazu gehören die erste Vernehmung des Beschuldigten, die Bekanntgabe der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens oder die Anordnung der Untersuchungshaft. Mit jeder Unterbrechung beginnt die Verjährungsfrist von Neuem zu laufen.
Allerdings gibt es eine absolute Verjährungsgrenze. Die Verfolgung ist spätestens ausgeschlossen, wenn seit dem Zeitpunkt der Tatbeendigung das Doppelte der gesetzlichen Verjährungsfrist verstrichen ist. Bei der einfachen räuberischen Erpressung beträgt diese absolute Grenze vierzig Jahre. Während bestimmter Verfahrensabschnitte ruht die Verjährung, etwa während der Hauptverhandlung.
Checkliste: Verjährungsprüfung bei räuberischer Erpressung
- Exaktes Tatdatum ermitteln und dokumentieren
- Verwirklichten Tatbestand bestimmen (Grunddelikt oder Qualifikation)
- Zugehörige Verjährungsfrist berechnen (20 oder 30 Jahre)
- Alle verjährungsunterbrechenden Maßnahmen erfassen
- Absolute Verjährungsgrenze berechnen
Verteidigung im Strafverfahren
Ein Ermittlungsverfahren wegen räuberischer Erpressung erfordert eine durchdachte Verteidigungsstrategie. Die Schwere des Vorwurfs und die drohenden Konsequenzen machen es unerlässlich, jeden möglichen Ansatzpunkt zu prüfen. Die Verteidigung muss dabei verschiedene Ebenen im Blick behalten.
Zunächst stellt sich die Frage, ob der Tatvorwurf überhaupt zutrifft. Identifizierungen durch Zeugen sind fehleranfällig. Alibis müssen geprüft werden. Die Beweislage muss kritisch analysiert werden. In vielen Fällen stützt sich die Anklage auf die Aussage des vermeintlichen Opfers – hier setzen Verteidigungsstrategien oft an.
Ansätze bei der Tatbestandsprüfung
Selbst wenn die Tatbeteiligung feststeht, bietet die Tatbestandsprüfung Verteidigungsansätze. War die Drohung tatsächlich auf eine gegenwärtige Gefahr für Leib oder Leben gerichtet? Lag die erforderliche Bereicherungsabsicht vor? Bestand möglicherweise ein Anspruch auf die geforderte Leistung, sodass die Bereicherung nicht rechtswidrig war?
Die Abgrenzung zur einfachen Erpressung nach § 253 StGB kann entscheidend sein. Wenn keine Gewalt gegen Personen und keine qualifizierte Drohung nachweisbar sind, liegt nur eine Erpressung vor. Der Strafrahmen beträgt dann Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren – ein erheblicher Unterschied.
Kritische Beweiswürdigung
Die Verteidigung muss die Beweise kritisch hinterfragen. Zeugenaussagen können durch suggestive Vernehmungen verfälscht sein. Erkennungsdienstliche Maßnahmen folgen nicht immer den korrekten Verfahren. Digitale Beweise wie Chatverläufe oder Standortdaten können aus dem Zusammenhang gerissen sein.
Besondere Bedeutung kommt Sachverständigengutachten zu. Bei Gewaltdelikten können rechtsmedizinische Gutachten die Angaben des Opfers bestätigen oder widerlegen. Aussagepsychologische Gutachten prüfen die Glaubhaftigkeit von Zeugenaussagen. Die Verteidigung muss beurteilen, ob die Einholung solcher Gutachten sinnvoll ist.
Beispiel: Erfolgreiche Verteidigung durch Tatbestandsprüfung
Ein Mann wurde beschuldigt, seinen ehemaligen Geschäftspartner zur Zahlung von 5.000 Euro gezwungen zu haben, indem er drohte, kompromittierende Informationen zu veröffentlichen. Die Verteidigung konnte nachweisen, dass es sich nicht um eine Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben handelte. Das Gericht verurteilte wegen einfacher Erpressung zu einer Bewährungsstrafe statt wegen räuberischer Erpressung mit zwingender Freiheitsstrafe.
Möglichkeiten der Strafmilderung
Wenn der Tatvorwurf nicht vollständig entkräftet werden kann, rückt die Strafzumessung in den Fokus. Das Gesetz und die Rechtsprechung kennen zahlreiche Umstände, die zu einer milderen Strafe führen können. Die systematische Nutzung dieser Möglichkeiten kann über Jahre der Freiheit entscheiden.
Die allgemeinen Strafzumessungsregeln des § 46 StGB bilden den Rahmen. Das Gericht wägt alle Umstände ab, die für und gegen den Täter sprechen. Dabei kommt es auf die Persönlichkeit des Täters ebenso an wie auf die Tatumstände und das Nachtatverhalten. Strafmilderungsgründe müssen aktiv herausgearbeitet und dem Gericht präsentiert werden.
Minder schwere Fälle
Bei Vorliegen besonderer Umstände kann das Gericht einen minder schweren Fall annehmen. Der Strafrahmen reduziert sich dann auf sechs Monate bis fünf Jahre Freiheitsstrafe. Dies eröffnet auch die Möglichkeit einer Bewährungsstrafe, die bei der Regelstrafe praktisch ausgeschlossen ist.
Für die Annahme eines minder schweren Falls müssen die mildernden Umstände das Gesamtbild der Tat so günstig gestalten, dass die Anwendung des Regelstrafrahmens unverhältnismäßig erscheint. Geringe Beute, spontane Tatbegehung, jugendliches Alter und fehlende Vorstrafen können in der Gesamtschau zu dieser Einordnung führen.
Täter-Opfer-Ausgleich und Schadenswiedergutmachung
Der Täter-Opfer-Ausgleich nach § 46a StGB eröffnet erhebliche Strafmilderungsmöglichkeiten. Wenn der Täter in dem Bemühen, einen Ausgleich mit dem Opfer zu erreichen, seine Tat ganz oder überwiegend wiedergutmacht oder ernsthaft erstrebt, kann das Gericht die Strafe mildern oder von Strafe absehen. Bei Verbrechen ist die Strafe zu mildern.
Die Schadenswiedergutmachung muss freiwillig erfolgen und einen ernsthaften Beitrag zur Konfliktlösung darstellen. Neben der Zahlung von Schadensersatz und Schmerzensgeld kann auch die persönliche Entschuldigung beim Opfer relevant sein. Diese Maßnahmen sollten frühzeitig eingeleitet werden, um ihre volle strafmildernde Wirkung zu entfalten.
Praxis-Tipp: Täter-Opfer-Ausgleich frühzeitig einleiten
Nehmen Sie über die Staatsanwaltschaft oder eine Schlichtungsstelle Kontakt zum Opfer auf. Eine ernsthafte Entschuldigung und vollständige Schadenswiedergutmachung vor der Hauptverhandlung können die Strafe um mehrere Jahre reduzieren. Dokumentieren Sie alle Bemühungen sorgfältig.
Praxisbeispiele und wichtige Urteile
Die Rechtsprechung zur räuberischen Erpressung ist vielschichtig und entwickelt sich ständig weiter. Gerichtsentscheidungen zeigen, wie Gerichte die abstrakten Tatbestandsmerkmale auf konkrete Lebenssachverhalte anwenden. Diese Präzedenzfälle bieten wertvolle Orientierung für die eigene Situation.
Der Bundesgerichtshof hat in zahlreichen Entscheidungen die Abgrenzungskriterien zwischen Raub und räuberischer Erpressung konkretisiert. Auch zu den Anforderungen an die qualifizierte Drohung und zur Berechnung des Vermögensschadens existiert umfangreiche Rechtsprechung. Diese Entscheidungen prägen die Anwendung des § 255 StGB durch die Instanzgerichte.
Klassische Fallkonstellationen in der Praxis
Die Schutzgelderpressung stellt eine typische Form der räuberischen Erpressung dar. Der Täter droht dem Opfer mit körperlicher Gewalt, wenn es nicht regelmäßig Zahlungen leistet. Die Drohung kann ausdrücklich erfolgen oder sich aus den Umständen ergeben. Gerichte werten solche Fälle regelmäßig als räuberische Erpressung.
Eine weitere häufige Konstellation betrifft Erpressungen im Zusammenhang mit intimen Aufnahmen oder kompromittierenden Informationen. Hier kommt es entscheidend darauf an, ob die Drohung eine gegenwärtige Gefahr für Leib oder Leben beinhaltet. Die bloße Drohung mit Veröffentlichung erfüllt diese Anforderung nicht – es liegt dann nur eine einfache Erpressung vor.
Wegweisende Entscheidungen des Bundesgerichtshofs
In einer grundlegenden Entscheidung hat der BGH klargestellt, dass die Abgrenzung zwischen Raub und räuberischer Erpressung nach dem äußeren Erscheinungsbild erfolgt. Entscheidend ist, ob aus Sicht eines objektiven Betrachters eine Wegnahme oder eine Vermögensverfügung vorliegt. Der innere Wille des Opfers spielt dabei eine untergeordnete Rolle.
Zur qualifizierten Drohung hat der BGH entschieden, dass die Drohung mit zukünftigen Übeln grundsätzlich nicht ausreicht. Die Gefahr muss als gegenwärtig dargestellt werden, also als unmittelbar bevorstehend oder bereits eingetreten. Eine Drohung wie "wenn du nicht zahlst, passiert dir nächste Woche etwas" erfüllt diese Anforderung nicht ohne Weiteres.
Beispiel: Der Fall Dagobert – räuberische Erpressung im großen Stil
Der als "Kaufhaus-Erpresser Dagobert" bekannte Täter ließ in den 1990er Jahren Sprengsätze in Berliner Kaufhäusern detonieren und forderte unter Androhung weiterer Anschläge hohe Geldsummen. Nach über zwei Jahren Katz-und-Maus-Spiel mit der Polizei wurde er gefasst. Das Gericht verurteilte ihn zu neun Jahren Freiheitsstrafe wegen schwerer räuberischer Erpressung. Der Fall zeigt exemplarisch die Schwere des Delikts und die möglichen Konsequenzen.
Checkliste: Erste Schritte nach Anklageerhebung
- Schweigen Sie gegenüber Ermittlungsbehörden bis zur Akteneinsicht
- Fordern Sie umgehend vollständige Akteneinsicht an
- Dokumentieren Sie alle Ihnen bekannten Entlastungsbeweise
- Prüfen Sie Möglichkeiten zur Schadenswiedergutmachung
- Sammeln Sie Nachweise für positive Lebensumstände (Arbeit, Familie, soziales Engagement)
- Beachten Sie alle Fristen für Rechtsmittel und Stellungnahmen
Die räuberische Erpressung gehört zu den schwerwiegendsten Vermögensdelikten des deutschen Strafrechts. Die Mindeststrafe von einem Jahr Freiheitsstrafe und die langen Verjährungsfristen von zwanzig bis dreißig Jahren unterstreichen die Bedeutung, die der Gesetzgeber diesem Delikt beimisst. Wer mit einem solchen Vorwurf konfrontiert ist, steht vor weitreichenden Entscheidungen, die sein weiteres Leben prägen werden. Die genaue Kenntnis der Tatbestandsmerkmale, der Abgrenzungskriterien und der Strafzumessungsfaktoren bildet die Grundlage für jede effektive Verteidigung. Dabei zählt jeder Tag, denn frühe Weichenstellungen – vom Aussageverhalten bis zur Schadenswiedergutmachung – können den Unterschied zwischen Jahren im Gefängnis und einer Bewährungsstrafe ausmachen.
