Rechtliche Grundlagen der Wohnungszuweisung
Die Trennung steht fest, doch beide wollen in der gemeinsamen Wohnung bleiben. Die Spannung ist unerträglich, die Kinder leiden, und niemand will freiwillig gehen. In dieser Situation bietet das deutsche Familienrecht ein wichtiges Instrument: die Wohnungszuweisung. Sie ermöglicht es dem Familiengericht, einem Ehepartner das alleinige Nutzungsrecht an der Ehewohnung zuzusprechen – unabhängig davon, wer im Mietvertrag steht oder wem die Immobilie gehört.
Die zentrale Rechtsgrundlage für die Wohnungszuweisung während der Trennungszeit findet sich in § 1361b BGB. Diese Vorschrift regelt, unter welchen Voraussetzungen ein Ehegatte von dem anderen verlangen kann, ihm die Ehewohnung zur alleinigen Nutzung zu überlassen. Der Gesetzgeber hat hier bewusst einen Ausgleich zwischen dem Interesse an der Wohnung und dem Eigentumsrecht geschaffen. Denn nicht immer ist derjenige, der die Wohnung am dringendsten benötigt, auch derjenige, der die rechtliche Verfügungsgewalt über sie hat.
Was gilt rechtlich als Ehewohnung?
Der Begriff der Ehewohnung ist weit gefasst und umfasst sämtliche Räumlichkeiten, die die Eheleute während des Zusammenlebens gemeinsam genutzt haben. Dies betrifft in erster Linie die Hauptwohnung, kann aber auch Nebenwohnungen, Ferienhäuser oder sogar einen dauerhaft genutzten Wohnwagen einschließen. Entscheidend ist, dass die Räumlichkeiten dem gemeinsamen Wohnen dienten und nicht ausschließlich beruflichen oder anderen Zwecken.
Nicht zur Ehewohnung zählen hingegen Räume, die von Anfang an nur einem Ehepartner zur alleinigen Nutzung überlassen wurden – etwa ein angemietetes Arbeitszimmer außerhalb der Wohnung oder eine Einliegerwohnung, die ausschließlich vermietet wird. Die Abgrenzung kann im Einzelfall schwierig sein, besonders wenn Räumlichkeiten im Laufe der Ehe unterschiedlich genutzt wurden.
Unterschied zwischen Trennungszeit und Scheidung
Das Gesetz unterscheidet zwischen der Wohnungszuweisung während der Trennungszeit und der endgültigen Wohnungszuweisung nach der Scheidung. Während der Trennungsphase greift § 1361b BGB, nach rechtskräftiger Scheidung sind die §§ 1568a und 1568b BGB maßgeblich. Diese Unterscheidung ist wichtig, da die Voraussetzungen und Rechtsfolgen teilweise voneinander abweichen.
Während der Trennungszeit liegt der Fokus darauf, eine unbillige Härte für einen Ehepartner zu vermeiden. Nach der Scheidung geht es stärker um eine endgültige Regelung der Wohnverhältnisse unter Berücksichtigung aller Umstände. In beiden Fällen kann das Gericht jedoch eine Zuweisung aussprechen, die vom Eigentumsrecht abweicht – ein erheblicher Eingriff in grundrechtlich geschützte Positionen, der entsprechend sorgfältig geprüft werden muss.
Voraussetzungen für eine Wohnungszuweisung
Die Wohnungszuweisung ist kein Automatismus, sondern an bestimmte Voraussetzungen geknüpft. Das Gericht wird nicht einfach demjenigen die Wohnung zusprechen, der zuerst fragt oder am lautesten klagt. Vielmehr müssen konkrete Umstände vorliegen, die eine Zuweisung rechtfertigen. Der Gesetzgeber verlangt, dass die Überlassung der Wohnung notwendig ist, um eine unbillige Härte zu vermeiden.
Eine unbillige Härte liegt vor, wenn das weitere Zusammenleben in der Ehewohnung für einen Ehepartner unzumutbar geworden ist. Dies kann verschiedene Gründe haben: schwerwiegende Konflikte, die ein friedliches Nebeneinander unmöglich machen, gesundheitliche Beeinträchtigungen durch die Wohnsituation oder – besonders gravierend – körperliche oder psychische Gewalt. Je schwerwiegender die Belastung, desto eher wird das Gericht eine Wohnungszuweisung aussprechen.
Verschiedene Grade der unbilligen Härte
Das Gesetz kennt unterschiedliche Härtegrade, die entsprechend unterschiedliche Rechtsfolgen auslösen. Bei einer einfachen unbilligen Härte prüft das Gericht alle Umstände und wägt die Interessen beider Ehepartner sorgfältig ab. Hier spielen Faktoren wie die Dauer der Ehe, die jeweiligen beruflichen und finanziellen Verhältnisse sowie die Frage, wer die Wohnung objektiv dringender benötigt, eine wichtige Rolle.
Bei Gewalthandlungen oder deren Androhung verschiebt sich die Interessenabwägung deutlich zugunsten des betroffenen Ehepartners. In diesen Fällen spricht das Gesetz von einer qualifizierten unbilligen Härte. Das Gericht muss dann besondere Rücksicht auf die Sicherheitsbedürfnisse des Opfers nehmen. Die Eigentumsrechte des anderen Ehepartners treten in dieser Konstellation regelmäßig zurück.
Praxis-Tipp: Dokumentation der Situation
Führen Sie ab dem Zeitpunkt der Trennung ein Tagebuch über relevante Vorfälle: Streitigkeiten, Bedrohungen, die Auswirkungen auf Sie und eventuelle Kinder. Notieren Sie Datum, Uhrzeit und mögliche Zeugen. Diese Dokumentation kann im gerichtlichen Verfahren entscheidend sein, um die unbillige Härte nachzuweisen. Fotos von Beschädigungen oder Screenshots von bedrohlichen Nachrichten sollten gesichert werden.
Wer muss was beweisen?
Im Verfahren zur Wohnungszuweisung trägt grundsätzlich derjenige die Beweislast, der die Zuweisung beantragt. Das bedeutet: Sie müssen dem Gericht darlegen und im Streitfall beweisen, dass die Voraussetzungen für eine Zuweisung vorliegen. Bloße Behauptungen reichen nicht aus – das Gericht benötigt konkrete Anhaltspunkte und nach Möglichkeit Beweismittel.
Als Beweismittel kommen in Betracht: Zeugenaussagen von Nachbarn, Freunden oder Familienangehörigen, ärztliche Atteste über gesundheitliche Beeinträchtigungen, polizeiliche Protokolle bei Gewaltvorfällen oder dokumentierte Nachrichten und E-Mails. Je besser die Beweislage, desto höher die Erfolgsaussichten im Verfahren. Dies gilt insbesondere dann, wenn der andere Ehepartner die vorgetragenen Umstände bestreitet.
Interessenabwägung durch das Gericht
Das Familiengericht entscheidet nicht nach starren Regeln, sondern nimmt eine umfassende Interessenabwägung vor. Dabei werden sämtliche Umstände des Einzelfalls berücksichtigt – von den persönlichen Verhältnissen beider Ehepartner über die Bedürfnisse gemeinsamer Kinder bis hin zu den Eigentumsverhältnissen an der Wohnung. Diese Abwägung ist der Kern des gerichtlichen Verfahrens und entscheidet letztlich über Erfolg oder Misserfolg des Antrags.
Die Gerichte haben bei dieser Abwägung einen erheblichen Ermessensspielraum. Was in einem Fall zur Wohnungszuweisung führt, kann in einem anderen Fall anders bewertet werden. Deshalb ist es wichtig, dem Gericht alle relevanten Umstände vorzutragen und nicht davon auszugehen, dass bestimmte Faktoren von selbst berücksichtigt werden. Eine lückenhafte Darstellung kann dazu führen, dass wichtige Gesichtspunkte in der Entscheidung fehlen.
Welche Kriterien das Gericht berücksichtigt
Bei der Interessenabwägung spielen zahlreiche Faktoren eine Rolle. Zunächst prüft das Gericht die Wohnbedürfnisse beider Ehepartner: Wer ist auf die Wohnung stärker angewiesen? Gibt es gesundheitliche Einschränkungen, die einen Umzug erschweren würden? Wie sind die jeweiligen finanziellen Möglichkeiten, eine alternative Unterkunft zu finden? Diese Fragen werden sorgfältig gegeneinander abgewogen.
Weitere wichtige Kriterien sind die berufliche Situation – etwa die Nähe zum Arbeitsplatz oder die Notwendigkeit eines Homeoffice – sowie soziale Bindungen im Wohnumfeld. Auch die Dauer der Ehe und das Alter der Ehepartner können eine Rolle spielen. Ein älterer Ehepartner, der seit Jahrzehnten in der Wohnung lebt und dort verwurzelt ist, wird anders behandelt als ein jüngerer Partner in einer kurzen Ehe.
Die Bedeutung der Eigentumsverhältnisse
Ein häufiger Irrtum ist die Annahme, dass der Eigentümer der Wohnung automatisch das Recht hat, dort zu bleiben. Das Gesetz sieht dies anders: Die Eigentumsverhältnisse sind zwar ein wichtiger Faktor in der Interessenabwägung, aber nicht allein entscheidend. Auch dem Nichteigentümer kann die Wohnung zugewiesen werden, wenn die übrigen Umstände dies rechtfertigen.
Allerdings stellt das Eigentumsrecht eine grundrechtlich geschützte Position dar, die nicht leichtfertig übergangen werden darf. Je eindeutiger die Eigentumslage – etwa bei einer Immobilie, die ein Ehepartner bereits vor der Ehe erworben hat – desto gewichtiger ist dieser Faktor in der Abwägung. Bei gemeinsamem Eigentum oder einer gemeinsam angemieteten Wohnung sind die Ausgangspositionen hingegen ausgeglichener.
Beispiel: Zuweisung an den Nichteigentümer
Eine Ehefrau lebt mit zwei schulpflichtigen Kindern in einem Haus, das allein ihrem Ehemann gehört. Nach der Trennung beantragt sie die Wohnungszuweisung. Das Gericht wägt ab: Die Kinder besuchen die nahegelegene Schule, haben dort ihren Freundeskreis, die Ehefrau arbeitet in Teilzeit und kann sich kurzfristig keine vergleichbare Wohnung in der Nähe leisten. Der Ehemann hingegen könnte aufgrund seines höheren Einkommens leichter eine alternative Unterkunft finden. Das Gericht weist die Wohnung trotz der Eigentümerstellung des Ehemanns der Ehefrau und den Kindern zu – zunächst befristet bis zur Scheidung.
Antragstellung beim Familiengericht
Die Wohnungszuweisung erfolgt nicht von Amts wegen – sie muss aktiv beim zuständigen Familiengericht beantragt werden. Das zuständige Gericht ist das Amtsgericht, in dessen Bezirk die Ehewohnung liegt. Der Antrag kann bereits gestellt werden, sobald die Trennung vollzogen ist oder unmittelbar bevorsteht. Ein laufendes Scheidungsverfahren ist keine Voraussetzung, wenngleich die Wohnungszuweisung häufig als Folgesache im Scheidungsverbund behandelt wird.
Der Antrag muss schriftlich erfolgen und sollte alle relevanten Umstände enthalten, die für eine Zuweisung sprechen. Dazu gehören Angaben zur Person, zur Wohnung, zu den Gründen für die Trennung und vor allem zur unbilligen Härte, die eine Zuweisung rechtfertigt. Je präziser und vollständiger der Antrag, desto zügiger kann das Gericht entscheiden. Unvollständige Anträge führen zu Rückfragen und Verzögerungen.
Das einstweilige Anordnungsverfahren
In dringenden Fällen kann die Wohnungszuweisung im Wege der einstweiligen Anordnung beantragt werden. Dieses Eilverfahren ist deutlich schneller als das reguläre Hauptsacheverfahren und kann innerhalb weniger Tage oder sogar Stunden zu einer Entscheidung führen. Voraussetzung ist ein dringendes Bedürfnis für eine sofortige Regelung – etwa bei akuter Gewalt oder deren Androhung.
Im einstweiligen Anordnungsverfahren prüft das Gericht nur summarisch, ob die Voraussetzungen für eine Wohnungszuweisung vorliegen. Eine abschließende Klärung aller Rechtsfragen erfolgt nicht. Die Entscheidung ist daher vorläufiger Natur und kann im späteren Hauptsacheverfahren überprüft und gegebenenfalls korrigiert werden. Dennoch entfaltet sie sofortige Wirkung und kann vollstreckt werden.
Checkliste: Unterlagen für den Antrag auf Wohnungszuweisung
- Kopie des Mietvertrags oder Grundbuchauszug zur Klärung der Eigentums-/Mietverhältnisse
- Heiratsurkunde als Nachweis der Ehe
- Meldebescheinigungen aller Beteiligten
- Nachweise über Einkommen und finanzielle Verhältnisse
- Dokumentation der unbilligen Härte (Fotos, Atteste, Protokolle, Zeugenangaben)
- Bei Kindern: Geburtsurkunden und Angaben zur Betreuungssituation
- Bei Gewalt: Polizeiliche Anzeigen, ärztliche Dokumentation von Verletzungen
Ablauf des Gerichtsverfahrens
Nach Eingang des Antrags setzt das Gericht einen Anhörungstermin an, zu dem beide Ehepartner geladen werden. In diesem Termin haben beide Seiten Gelegenheit, ihre Position darzulegen und auf die Argumente der Gegenseite zu reagieren. Das Gericht kann Fragen stellen und versuchen, eine einvernehmliche Lösung zu erreichen. Gelingt dies nicht, entscheidet das Gericht durch Beschluss.
Die Dauer des Verfahrens variiert erheblich je nach Komplexität des Falls, Auslastung des Gerichts und Kooperationsbereitschaft der Beteiligten. Im regulären Verfahren müssen mehrere Wochen bis Monate eingeplant werden. Im Eilverfahren kann eine Entscheidung deutlich schneller erfolgen – bei akuter Gefahr sogar noch am selben Tag. Gegen den Beschluss des Familiengerichts ist die Beschwerde zum Oberlandesgericht möglich.
Besondere Umstände: Gewalt und Kindeswohl
Zwei Faktoren wiegen in der gerichtlichen Abwägung besonders schwer: häusliche Gewalt und das Wohl gemeinsamer Kinder. In beiden Konstellationen verschiebt sich die Interessenabwägung deutlich zugunsten des antragstellenden Ehepartners. Der Gesetzgeber hat hier bewusst Schutzmechanismen geschaffen, die über die normale Interessenabwägung hinausgehen und dem Opfer von Gewalt beziehungsweise dem betreuenden Elternteil eine privilegierte Stellung einräumen.
Diese besonderen Umstände können dazu führen, dass selbst erhebliche Eigentumsrechte des anderen Ehepartners zurücktreten müssen. Das Grundgesetz schützt zwar das Eigentum, aber auch die körperliche Unversehrtheit und das Kindeswohl sind verfassungsrechtlich verankerte Rechtsgüter. Bei einer Kollision dieser Grundrechte hat das Gericht eine Abwägung vorzunehmen, die regelmäßig zugunsten des Schutzes von Leib und Leben sowie des Kindeswohls ausgeht.
Wohnungszuweisung bei häuslicher Gewalt
Bei häuslicher Gewalt greift zusätzlich zur familienrechtlichen Wohnungszuweisung das Gewaltschutzgesetz. Dieses ermöglicht dem Opfer, auch unabhängig vom Bestehen einer Ehe die Überlassung der gemeinsamen Wohnung zu verlangen. Der Schutz erstreckt sich auf körperliche Misshandlungen, aber auch auf Bedrohungen mit erheblichem Schaden sowie auf wiederholte Nachstellungen. In diesen Fällen kann das Gericht dem Täter das Betreten der Wohnung untersagen.
Besonders wichtig: Bei Gewalttaten hat das Opfer einen Anspruch auf Wohnungsüberlassung unabhängig von den Eigentumsverhältnissen. Das bedeutet, dass auch der Alleineigentümer der Wohnung verwiesen werden kann, wenn er Gewalt ausgeübt hat. Diese Regelung soll verhindern, dass Gewaltopfer in der akuten Krisensituation mit ihren Kindern die vertraute Umgebung verlassen und auf der Straße stehen, während der Täter in der Wohnung verbleibt.
Praxis-Tipp: Sofortmaßnahmen bei häuslicher Gewalt
Bei akuter häuslicher Gewalt sollten Sie umgehend die Polizei rufen. Die Beamten können den Täter für bis zu 14 Tage der Wohnung verweisen – dies gibt Ihnen Zeit, einen Antrag auf Wohnungszuweisung zu stellen. Lassen Sie Verletzungen ärztlich dokumentieren und fotografieren Sie Beschädigungen in der Wohnung. Suchen Sie schnellstmöglich eine Beratungsstelle auf, die Sie bei den weiteren Schritten unterstützt.
Berücksichtigung des Kindeswohls
Leben gemeinsame minderjährige Kinder in der Ehewohnung, wird deren Wohl zum zentralen Entscheidungskriterium. Das Gericht prüft, welche Wohnungslösung dem Kindeswohl am besten entspricht. Dabei spielen Faktoren wie die bisherige Betreuungssituation, der Schulweg, Freundschaften im Wohnumfeld und die emotionale Bindung an die gewohnte Umgebung eine wichtige Rolle.
In der Praxis führt die Berücksichtigung des Kindeswohls häufig dazu, dass die Wohnung demjenigen Elternteil zugewiesen wird, bei dem die Kinder überwiegend leben werden. Ein Umzug bedeutet für Kinder erheblichen Stress – der Verlust der vertrauten Umgebung, möglicherweise ein Schulwechsel und die Trennung von Freunden. Das Gericht versucht, diese Belastungen zu minimieren, soweit dies mit den berechtigten Interessen beider Elternteile vereinbar ist.
Beispiel: Kindeswohl als entscheidender Faktor
Ein Ehepaar trennt sich, beide möchten in der gemeinsam angemieteten Wohnung bleiben. Die drei Kinder im Alter von sechs, neun und zwölf Jahren sollen bei der Mutter leben, der Vater will Umgang am Wochenende ausüben. Die Mutter verdient deutlich weniger als der Vater und könnte sich eine vergleichbare Wohnung im selben Stadtteil nicht leisten. Das Gericht weist die Wohnung der Mutter zu: Die Kinder können in ihrer gewohnten Umgebung bleiben, müssen nicht die Schule wechseln und behalten ihre sozialen Kontakte. Der Vater muss sich eine neue Wohnung suchen, kann sich diese aber aufgrund seines höheren Einkommens leisten.
Dauer und Befristung der Wohnungszuweisung
Die Wohnungszuweisung während der Trennungszeit ist grundsätzlich befristet. Sie gilt für die Dauer des Getrenntlebens und endet mit der rechtskräftigen Scheidung. Zu diesem Zeitpunkt muss eine neue Regelung gefunden werden – entweder einvernehmlich zwischen den Eheleuten oder durch eine erneute gerichtliche Entscheidung auf Grundlage der §§ 1568a und 1568b BGB. Die Befristung trägt dem Umstand Rechnung, dass es sich um eine vorläufige Regelung für eine Übergangszeit handelt.
Das Gericht kann die Zuweisung auch kürzer befristen, etwa auf ein Jahr oder bis zum Abschluss des Scheidungsverfahrens. Eine solche kürzere Befristung kommt insbesondere dann in Betracht, wenn die Umstände, die zur Zuweisung geführt haben, voraussichtlich nicht dauerhaft bestehen werden. Umgekehrt kann eine Verlängerung beantragt werden, wenn die Voraussetzungen für die Zuweisung bei Ablauf der Frist weiterhin vorliegen.
Verlängerung der Wohnungszuweisung
Läuft die Befristung ab und besteht weiterhin ein Schutzbedürfnis, kann eine Verlängerung der Wohnungszuweisung beantragt werden. Das Gericht prüft dann erneut, ob die Voraussetzungen für eine Zuweisung vorliegen. Dabei berücksichtigt es die aktuelle Situation – Umstände können sich seit der ursprünglichen Entscheidung geändert haben. Möglicherweise hat sich die finanzielle Lage eines Ehepartners verbessert oder die Kinder sind älter geworden.
Eine Verlängerung ist nicht automatisch gewährleistet. Der ursprünglich weichende Ehepartner kann einwenden, dass er inzwischen selbst auf die Wohnung angewiesen ist oder dass sich die Abwägungskriterien zu seinen Gunsten verschoben haben. Es empfiehlt sich daher, den Verlängerungsantrag rechtzeitig vor Ablauf der Befristung zu stellen und die aktuellen Umstände detailliert darzulegen.
Endgültige Wohnungszuweisung nach Scheidung
Mit rechtskräftiger Scheidung endet die Wohnungszuweisung nach § 1361b BGB. Für die Zeit nach der Scheidung greifen die §§ 1568a und 1568b BGB. Diese Vorschriften regeln, wem die Ehewohnung endgültig überlassen wird und wie mit dem Hausrat zu verfahren ist. Die Kriterien ähneln denen während der Trennungszeit, wobei jetzt eine dauerhafte Lösung gefunden werden muss.
Bei Mietwohnungen kann das Gericht anordnen, dass das Mietverhältnis auf den in der Wohnung verbleibenden Ehepartner übergeht. Der Vermieter muss dies grundsätzlich akzeptieren – ihm steht allerdings ein außerordentliches Kündigungsrecht zu, wenn in der Person des neuen Mieters ein wichtiger Grund vorliegt. Bei Eigentumswohnungen oder Häusern ist die Lage komplexer, da hier zusätzlich eigentumsrechtliche Fragen zu klären sind.
Kosten und rechtliche Nebenfolgen
Mit der Wohnungszuweisung sind verschiedene finanzielle und rechtliche Nebenfolgen verbunden, die bei der Entscheidung berücksichtigt werden sollten. Wer die Wohnung erhält, übernimmt in der Regel auch die damit verbundenen Kosten – Miete, Nebenkosten, Versicherungen und laufende Instandhaltung. Diese finanzielle Belastung kann erheblich sein und muss in die persönliche Planung einbezogen werden.
Darüber hinaus entstehen Kosten für das gerichtliche Verfahren selbst. Die Gerichtskosten richten sich nach dem Verfahrenswert, der wiederum vom Wert der Ehewohnung abhängt. Hinzu kommen gegebenenfalls Kosten für anwaltliche Vertretung. Bei Vorliegen der Voraussetzungen kann Verfahrenskostenhilfe beantragt werden, die die Kosten ganz oder teilweise abdeckt. Die Kostenentscheidung liegt im Ermessen des Gerichts und hängt vom Ausgang des Verfahrens ab.
Nutzungsvergütung für den weichenden Partner
Wird einem Ehepartner die Wohnung des anderen zugewiesen, kann dieser eine Nutzungsvergütung verlangen. Diese Vergütung soll den Eigentümer dafür entschädigen, dass er seine Wohnung nicht selbst nutzen kann. Die Höhe orientiert sich am ortsüblichen Mietwert der Wohnung abzüglich der vom nutzenden Ehepartner getragenen Kosten. Die Nutzungsvergütung kann erhebliche Summen erreichen, insbesondere bei wertvollen Immobilien.
Die Geltendmachung der Nutzungsvergütung ist nicht automatisch – der weichende Eigentümer muss sie verlangen. Tut er dies nicht, verzichtet er auf den Anspruch. In der Praxis wird die Nutzungsvergütung häufig mit anderen Ansprüchen – etwa Unterhalt oder Zugewinnausgleich – verrechnet. Es empfiehlt sich, diese finanziellen Aspekte frühzeitig zu klären, um spätere Überraschungen zu vermeiden.
Auswirkungen auf den Mietvertrag
Bei Mietwohnungen hat die Wohnungszuweisung Auswirkungen auf das Mietverhältnis. Sind beide Ehepartner Mieter, haften sie dem Vermieter gegenüber weiterhin gesamtschuldnerisch für die Miete – unabhängig davon, wem die Wohnung zugewiesen wurde. Der weichende Ehepartner bleibt also im Außenverhältnis zum Vermieter verpflichtet, auch wenn er intern einen Ausgleichsanspruch gegen den anderen hat.
Um diese Situation zu bereinigen, kann entweder eine einvernehmliche Änderung des Mietvertrags mit dem Vermieter angestrebt oder die gerichtliche Übertragung des Mietverhältnisses beantragt werden. Bis zur Klärung dieser Frage empfiehlt es sich, klare interne Vereinbarungen zu treffen, wer die Miete zahlt und wie ein eventueller Ausgleich erfolgt. Andernfalls drohen Konflikte und im schlimmsten Fall Zahlungsrückstände gegenüber dem Vermieter.
Praxis-Tipp: Interne Kostenvereinbarung treffen
Treffen Sie zeitnah eine schriftliche Vereinbarung darüber, wer die laufenden Kosten der Wohnung trägt. Halten Sie fest, ob und in welcher Höhe eine Nutzungsvergütung gezahlt wird und wie mit Nebenkosten verfahren wird. Diese Vereinbarung schafft Klarheit und vermeidet spätere Streitigkeiten. Beachten Sie, dass solche Vereinbarungen im Verhältnis zum Vermieter keine Wirkung entfalten – ihm gegenüber haften weiterhin alle ursprünglichen Mieter.
Durchsetzung und Vollstreckung des Beschlusses
Ein gerichtlicher Beschluss zur Wohnungszuweisung nützt wenig, wenn der zur Räumung verpflichtete Ehepartner sich weigert, die Wohnung zu verlassen. In diesem Fall muss der Beschluss zwangsweise durchgesetzt werden. Das deutsche Recht bietet hierfür effektive Vollstreckungsmöglichkeiten, die allerdings bestimmten formellen Anforderungen unterliegen. Eine sorgfältige Vorbereitung der Vollstreckung kann Zeit und Nerven sparen.
Grundvoraussetzung für die Vollstreckung ist ein rechtskräftiger oder für vorläufig vollstreckbar erklärter Beschluss. Dieser muss dem zur Räumung verpflichteten Ehepartner zugestellt worden sein. Bei einstweiligen Anordnungen ist die Vollstreckbarkeit in der Regel bereits mit Erlass gegeben. Bei Beschlüssen im Hauptsacheverfahren muss gegebenenfalls die Rechtskraft abgewartet oder ein Antrag auf vorläufige Vollstreckbarkeit gestellt werden.
Die Räumungsvollstreckung im Detail
Die Vollstreckung erfolgt durch den Gerichtsvollzieher, der auf Antrag des berechtigten Ehepartners tätig wird. Der Gerichtsvollzieher setzt dem zur Räumung Verpflichteten zunächst eine Frist zur freiwilligen Räumung. Kommt dieser der Aufforderung nicht nach, kann die Zwangsräumung durchgeführt werden. Bei der Zwangsräumung wird der Verpflichtete notfalls mit Gewalt aus der Wohnung entfernt und die Schlösser werden ausgetauscht.
Die Kosten der Vollstreckung trägt zunächst der Antragsteller, kann sie aber vom Schuldner ersetzt verlangen. Bei Weigerung, die Wohnung zu verlassen, drohen dem Verpflichteten zusätzlich Zwangsgelder oder sogar Zwangshaft. In der Praxis führt meist schon die Ankündigung der Zwangsvollstreckung dazu, dass der Verpflichtete freiwillig räumt – die tatsächliche Durchführung einer Zwangsräumung ist der Ausnahmefall.
Durchsetzung von Näherungs- und Betretungsverboten
Neben der Räumung kann das Gericht auch Betretungsverbote und Näherungsverbote anordnen. Diese Verbote sollen verhindern, dass der weichende Ehepartner trotz Wohnungszuweisung immer wieder in der Wohnung auftaucht oder den anderen belästigt. Die Durchsetzung dieser Verbote erfolgt ebenfalls im Wege der Zwangsvollstreckung.
Bei Verstößen gegen Näherungs- oder Betretungsverbote kann die Polizei eingeschaltet werden. Im Wiederholungsfall drohen dem Verstoßenden empfindliche Ordnungsgelder oder sogar Ordnungshaft. Bei schwerwiegenden Verstößen – etwa wenn der Verstoß mit Gewalt oder Drohungen einhergeht – kann auch eine Strafanzeige in Betracht kommen. Das Gewaltschutzgesetz sieht für Verstöße gegen gerichtliche Schutzanordnungen eine Strafbarkeit vor.
Beispiel: Erfolgreiche Durchsetzung einer Wohnungszuweisung
Nach wiederholten Gewaltvorfällen erwirkt eine Ehefrau eine einstweilige Anordnung auf Wohnungszuweisung. Der Ehemann weigert sich trotz Zustellung des Beschlusses, die Wohnung zu verlassen. Die Ehefrau beauftragt den Gerichtsvollzieher mit der Vollstreckung. Nach Ablauf der gesetzten Frist erscheint der Gerichtsvollzieher mit einem Schlüsseldienst und der Polizei. Der Ehemann wird der Wohnung verwiesen, die Schlösser werden ausgetauscht. Gleichzeitig erhält er ein Betretungsverbot für die Wohnung und deren unmittelbare Umgebung. Die Ehefrau kann nun sicher in der Wohnung leben.
