Wann können Sie alleiniges Sorgerecht beantragen?
Der ständige Streit am Telefon, die endlosen Diskussionen über Schulwahl, Impfungen oder Freizeitgestaltung – irgendwann ist der Punkt erreicht, an dem Sie sich fragen: Muss ich mir das noch länger antun? Die Antwort des Gesetzgebers ist eindeutig: Das gemeinsame Sorgerecht ist der Regelfall, und das alleinige Sorgerecht bleibt die absolute Ausnahme. Doch diese Ausnahme existiert, und unter bestimmten Voraussetzungen können Sie sie erfolgreich beantragen.
Das Familiengericht wird Ihrem Antrag nur stattgeben, wenn triftige Gründe vorliegen, die das Kindeswohl gefährden. Bloße Meinungsverschiedenheiten oder persönliche Animositäten zwischen den Eltern reichen nicht aus. Das Gericht prüft stets, ob die Übertragung des alleinigen Sorgerechts dem Wohl des Kindes am besten dient. Dabei orientiert es sich an konkreten Kriterien, die in der Rechtsprechung entwickelt wurden.
Anerkannte Gründe für das alleinige Sorgerecht
Die Gerichte erkennen bestimmte Situationen als ausreichend schwerwiegend an, um das alleinige Sorgerecht zu rechtfertigen. Körperliche oder seelische Misshandlung des Kindes durch den anderen Elternteil steht dabei an erster Stelle. Ebenso schwer wiegen nachgewiesene Vernachlässigung, Suchterkrankungen des anderen Elternteils, die dessen Erziehungsfähigkeit beeinträchtigen, oder psychische Erkrankungen, die eine verantwortungsvolle Betreuung unmöglich machen.
Auch eine dauerhafte Kommunikationsunfähigkeit zwischen den Eltern kann ein Grund sein – allerdings nur dann, wenn diese so gravierend ist, dass wichtige Entscheidungen für das Kind nicht mehr getroffen werden können. Ein Elternteil, der unerreichbar ist, etwa weil er ins Ausland verzogen ist und keinen Kontakt hält, erfüllt ebenfalls die Voraussetzungen. Strafbare Handlungen gegen das Kind oder den anderen Elternteil, insbesondere bei häuslicher Gewalt, werden vom Gericht besonders ernst genommen.
Wann hat Ihr Antrag keine Aussicht auf Erfolg?
Viele Eltern unterschätzen, wie streng die Gerichte bei der Prüfung vorgehen. Ein Antrag wird regelmäßig abgelehnt, wenn Sie lediglich unterschiedliche Erziehungsvorstellungen haben. Auch wenn der andere Elternteil in Ihren Augen zu streng oder zu nachgiebig erzieht, reicht das nicht aus. Selbst wenn die Kommunikation schwierig ist, aber noch funktioniert, wird das Gericht das gemeinsame Sorgerecht aufrechterhalten.
Besonders wichtig: Der Wunsch, den anderen Elternteil aus dem Leben des Kindes zu drängen, wird vom Gericht erkannt und negativ bewertet. Auch finanzielle Streitigkeiten, etwa um Unterhaltszahlungen, haben keinen Einfluss auf die Sorgerechtsentscheidung. Das Gericht trennt diese Bereiche strikt voneinander.
Praxis-Tipp: Selbsteinschätzung vor der Antragstellung
Bevor Sie einen Antrag stellen, fragen Sie sich ehrlich: Geht es mir um das Wohl meines Kindes oder um meinen Konflikt mit dem anderen Elternteil? Gerichte erkennen schnell, wenn ein Antrag aus Verärgerung oder Rachegefühlen gestellt wird. Eine realistische Einschätzung Ihrer Situation erspart Ihnen Zeit, Kosten und emotionale Belastung.
So stellen Sie den Antrag beim Familiengericht
Der Weg zum alleinigen Sorgerecht führt ausschließlich über das Familiengericht. Weder das Jugendamt noch andere Behörden können diese Entscheidung treffen. Der Antrag selbst unterliegt keiner besonderen Form, muss aber bestimmte Informationen enthalten, um vom Gericht bearbeitet werden zu können. Eine sorgfältige Vorbereitung erhöht Ihre Erfolgschancen erheblich.
Zuständig ist das Familiengericht am Wohnort des Kindes. Haben Sie und der andere Elternteil unterschiedliche Wohnsitze, ist der gewöhnliche Aufenthaltsort des Kindes maßgeblich. In dringenden Fällen, etwa bei akuter Kindeswohlgefährdung, können Sie auch einen Eilantrag stellen, der schneller bearbeitet wird.
Was muss der Antrag enthalten?
Ihr Antrag sollte zunächst die vollständigen Personalien beider Elternteile und des Kindes enthalten. Geben Sie das Geburtsdatum des Kindes an sowie die aktuelle Wohnsituation. Der wichtigste Teil ist die Begründung: Hier müssen Sie detailliert darlegen, warum das gemeinsame Sorgerecht dem Kindeswohl schadet und warum Sie allein besser für das Kind sorgen können.
Formulieren Sie konkret und sachlich. Statt allgemeiner Vorwürfe nennen Sie Beispiele mit Datum und Umständen. Das Gericht muss nachvollziehen können, warum das gemeinsame Sorgerecht nicht funktioniert. Fügen Sie dem Antrag alle verfügbaren Nachweise bei – dazu später mehr. Der Antrag muss eigenhändig unterschrieben werden.
Die Einreichung des Antrags
Sie können den Antrag persönlich bei der Geschäftsstelle des Familiengerichts abgeben oder per Post einreichen. Eine Einreichung per E-Mail ist nicht möglich, da das Original-Dokument mit Unterschrift erforderlich ist. Bei persönlicher Abgabe lassen Sie sich den Eingang quittieren. Bei postalischer Zusendung empfiehlt sich ein Einschreiben mit Rückschein.
Nach Eingang prüft das Gericht zunächst die formale Vollständigkeit. Fehlen Angaben, werden Sie zur Ergänzung aufgefordert. Erst wenn der Antrag vollständig ist, wird das Verfahren eröffnet und der andere Elternteil informiert. Rechnen Sie mit einer Bearbeitungszeit von mehreren Wochen, bis der erste Gerichtstermin angesetzt wird.
Beispiel: Unvollständiger Antrag verzögert Verfahren
Eine Mutter reichte ihren Sorgerechtsantrag ein, vergaß aber, die aktuelle Adresse des Vaters anzugeben. Das Gericht konnte ihn nicht laden, und das Verfahren verzögerte sich um zwei Monate, bis die Adresse ermittelt war. Geben Sie daher immer alle bekannten Kontaktdaten an – auch wenn Sie keinen Kontakt mehr zum anderen Elternteil haben.
Der Ablauf des Gerichtsverfahrens im Detail
Sobald Ihr Antrag eingegangen ist, setzt das Familiengericht ein strukturiertes Verfahren in Gang. Anders als bei vielen anderen Gerichtsverfahren steht hier nicht der Streit zwischen zwei Parteien im Vordergrund, sondern das Wohl des Kindes. Das Gericht ermittelt daher von Amts wegen – es ist also nicht allein auf Ihre Beweisführung angewiesen, sondern recherchiert selbst.
Das Verfahren beginnt mit der Zustellung des Antrags an den anderen Elternteil, der Gelegenheit zur Stellungnahme erhält. Parallel wird in der Regel das Jugendamt eingeschaltet, das einen Bericht über die familiäre Situation erstellen soll. Für das Kind wird häufig ein Verfahrensbeistand bestellt – eine Person, die ausschließlich die Interessen des Kindes vertritt.
Der Anhörungstermin vor Gericht
Der zentrale Moment im Verfahren ist die mündliche Anhörung. Hier werden beide Elternteile persönlich vom Richter befragt. Sie haben die Gelegenheit, Ihre Position darzulegen und auf die Argumente des anderen Elternteils zu reagieren. Der Richter wird Ihnen gezielte Fragen stellen, um sich ein Bild von der Situation zu machen.
Bereiten Sie sich gründlich auf diesen Termin vor. Bleiben Sie sachlich und konzentrieren Sie sich auf das Kindeswohl – nicht auf Ihre persönlichen Verletzungen durch den anderen Elternteil. Richter erkennen schnell, wenn Eltern den Sorgerechtsstreit als Fortsetzung ihrer Partnerschaftskonflikte nutzen. Kleiden Sie sich angemessen und erscheinen Sie pünktlich.
Die Anhörung des Kindes
Ab einem gewissen Alter wird auch das Kind angehört. Die genaue Altersgrenze ist nicht gesetzlich festgelegt, doch in der Praxis werden Kinder ab etwa drei Jahren in kindgerechter Form befragt. Ab vierzehn Jahren muss das Kind zwingend angehört werden, und seine Meinung hat erhebliches Gewicht.
Die Anhörung erfolgt ohne die Eltern, meist in einem separaten Raum. Der Richter oder ein speziell geschulter Verfahrensbeistand führt das Gespräch altersgerecht. Es geht nicht darum, das Kind zu einer Entscheidung zu zwingen, sondern seinen Willen und seine Bindungen zu verstehen. Bereiten Sie Ihr Kind nicht auf diese Anhörung vor und versuchen Sie nicht, es zu beeinflussen – das Gericht erkennt solche Versuche.
Checkliste: Vorbereitung auf den Gerichtstermin
- Alle relevanten Unterlagen und Nachweise sortiert mitbringen
- Chronologie der wichtigsten Vorfälle schriftlich vorbereiten
- Sachlich bleiben – persönliche Angriffe auf den anderen Elternteil vermeiden
- Konkrete Beispiele für Kindeswohlgefährdung parat haben
- Eigene Erziehungskonzeption und Betreuungsplan darlegen können
- Pünktlich erscheinen und angemessene Kleidung tragen
Welche Beweise und Unterlagen Sie benötigen
Die Beweislast liegt bei Ihnen: Sie müssen dem Gericht nachvollziehbar darlegen, warum das alleinige Sorgerecht dem Kindeswohl dient. Allgemeine Behauptungen reichen nicht aus. Das Gericht erwartet konkrete Nachweise, die Ihre Darstellung stützen. Je besser Ihre Dokumentation, desto überzeugender ist Ihr Antrag.
Beginnen Sie frühzeitig damit, relevante Vorfälle zu dokumentieren. Ein lückenloses Protokoll über Monate hinweg wiegt schwerer als einzelne dramatische Ereignisse. Notieren Sie Datum, Uhrzeit, Beteiligte und den genauen Hergang. Bewahren Sie alle schriftlichen Kommunikationen auf – E-Mails, SMS, WhatsApp-Nachrichten. Diese können wertvolle Beweise sein.
Welche Beweismittel akzeptiert das Gericht?
Das Familiengericht akzeptiert verschiedene Arten von Beweismitteln. Schriftliche Dokumente haben besonderes Gewicht: Arztberichte über Verletzungen des Kindes, polizeiliche Protokolle, Berichte von Schulen oder Kindergärten, Bescheinigungen über Therapien. Auch Zeugenaussagen von Personen, die relevante Vorfälle beobachtet haben, können herangezogen werden – etwa Nachbarn, Lehrer oder Familienangehörige.
Fotos und Videos können ebenfalls als Beweise dienen, etwa bei sichtbaren Verletzungen oder bei dokumentiertem Fehlverhalten. Achten Sie jedoch auf die rechtlichen Grenzen: Heimliche Aufnahmen des anderen Elternteils können unzulässig sein und sich gegen Sie wenden. Gutachten von Psychologen oder anderen Fachleuten sind besonders wertvoll, allerdings werden diese meist vom Gericht selbst in Auftrag gegeben.
So dokumentieren Sie Vorfälle richtig
Führen Sie ein Tagebuch, in dem Sie jeden relevanten Vorfall festhalten. Beschreiben Sie objektiv, was passiert ist, ohne Ihre eigene Interpretation hinzuzufügen. Wenn möglich, sichern Sie zusätzliche Beweise: Screenshots von Nachrichten, Fotos von Verletzungen, Namen von Zeugen. Datieren Sie alles exakt.
Besonders wichtig sind Vorfälle, die das Kind direkt betreffen: versäumte Arzttermine, nicht eingehaltene Abholzeiten, unangemessenes Verhalten in Anwesenheit des Kindes. Aber auch Kommunikationsprobleme sollten dokumentiert werden – etwa wenn der andere Elternteil wichtige Entscheidungen blockiert oder nicht erreichbar ist.
Praxis-Tipp: Digitale Dokumentation sichern
Sichern Sie alle digitalen Beweise mehrfach – auf Ihrem Gerät, in der Cloud und als Ausdruck. Screenshots von Nachrichten sollten das Datum und die Absendernummer zeigen. Bei E-Mails drucken Sie den vollständigen Header mit aus. Digitale Daten können verloren gehen oder manipuliert werden – eine physische Kopie ist vor Gericht oft überzeugender.
Wie das Gericht das Kindeswohl prüft
Das Kindeswohl ist der zentrale Maßstab jeder Sorgerechtsentscheidung. Der Begriff klingt abstrakt, doch die Rechtsprechung hat konkrete Kriterien entwickelt, anhand derer das Gericht seine Entscheidung trifft. Als Antragsteller müssen Sie verstehen, welche Faktoren das Gericht berücksichtigt – nur so können Sie Ihren Antrag überzeugend begründen.
Das Gericht betrachtet die Situation aus der Perspektive des Kindes, nicht aus Ihrer. Es geht nicht darum, welcher Elternteil der bessere Mensch ist, sondern darum, welche Regelung dem Kind die beste Entwicklung ermöglicht. Dabei spielen sowohl objektive Faktoren als auch die subjektiven Bindungen des Kindes eine Rolle.
Die wichtigsten Kriterien der Kindeswohlprüfung
An erster Stelle steht das Förderungsprinzip: Welcher Elternteil kann die körperliche, geistige und seelische Entwicklung des Kindes besser fördern? Hier zählen Faktoren wie Erziehungskompetenz, zeitliche Verfügbarkeit, materielle Verhältnisse und das soziale Umfeld. Das Gericht prüft auch, ob ein Elternteil das Kind besser vor Gefahren schützen kann.
Das Kontinuitätsprinzip besagt, dass Veränderungen im Leben des Kindes möglichst vermieden werden sollten. Hat das Kind bereits einen stabilen Lebensmittelpunkt, wird das Gericht diesen nur bei schwerwiegenden Gründen ändern. Auch bestehende Bindungen zu Geschwistern, Großeltern oder dem sozialen Umfeld werden berücksichtigt.
Besonders wichtig ist das Bindungsprinzip: An welchen Elternteil ist das Kind stärker gebunden? Hier spielen die tägliche Betreuung, emotionale Nähe und die Qualität der Beziehung eine Rolle. Das Gericht wird auch prüfen, wie gut jeder Elternteil die Bindung des Kindes zum anderen Elternteil fördert – die sogenannte Bindungstoleranz.
Sachverständigengutachten im Sorgerechtsverfahren
In komplexen Fällen beauftragt das Gericht einen Sachverständigen – meist einen Psychologen mit familienrechtlicher Expertise. Dieser erstellt ein umfassendes Gutachten, das die familiäre Situation analysiert und eine Empfehlung abgibt. Das Gutachten hat erhebliches Gewicht, bindet das Gericht aber nicht.
Der Gutachter führt Gespräche mit beiden Elternteilen und dem Kind, beobachtet Interaktionen und wertet alle verfügbaren Informationen aus. Das Verfahren dauert mehrere Wochen bis Monate. Kooperieren Sie mit dem Gutachter und seien Sie ehrlich – Versuche, ihn zu manipulieren, werden erkannt und schaden Ihrem Fall.
Beispiel: Bindungstoleranz entscheidet Sorgerechtsstreit
Ein Vater beantragte das alleinige Sorgerecht mit der Begründung, die Mutter sei erziehungsunfähig. Im Gutachten zeigte sich jedoch, dass der Vater jede Kommunikation mit der Mutter verweigerte und dem Kind negativ über sie sprach. Die Mutter hingegen förderte den Kontakt zum Vater aktiv. Das Gericht wies den Antrag ab und betonte die mangelnde Bindungstoleranz des Vaters.
Umgangsrecht des anderen Elternteils
Viele Eltern glauben, dass mit dem alleinigen Sorgerecht auch das Umgangsrecht des anderen Elternteils erlischt. Das ist ein weit verbreiteter Irrtum. Sorgerecht und Umgangsrecht sind zwei verschiedene Rechtsinstitute. Auch wenn Sie das alleinige Sorgerecht erhalten, behält der andere Elternteil in der Regel das Recht auf Umgang mit dem Kind.
Das Umgangsrecht dient dem Kindeswohl: Kinder haben ein Recht auf Kontakt zu beiden Elternteilen, und beide Elternteile haben ein Recht auf Umgang mit ihrem Kind. Dieses Recht ist im Grundgesetz verankert und wird nur in extremen Ausnahmefällen vollständig entzogen. Die Übertragung des alleinigen Sorgerechts bedeutet also nicht automatisch, dass der andere Elternteil aus dem Leben des Kindes verschwindet.
Wie der Umgang in der Praxis geregelt wird
Bei der Übertragung des alleinigen Sorgerechts wird das Gericht in der Regel gleichzeitig eine Umgangsregelung treffen. Diese kann sehr unterschiedlich ausfallen – von regelmäßigen Wochenendbesuchen bis hin zu begleitetem Umgang unter Aufsicht. Die konkrete Ausgestaltung hängt von den Umständen ab, die zum alleinigen Sorgerecht geführt haben.
Wurde das alleinige Sorgerecht wegen Gewalt oder Missbrauch übertragen, kann der Umgang eingeschränkt oder zeitweise ausgesetzt werden. In weniger schwerwiegenden Fällen – etwa bei Kommunikationsproblemen – bleibt der Umgang meist großzügig. Das Gericht wägt stets ab, ob der Kontakt dem Kind schadet oder ob die Vorteile der Beziehung zu beiden Elternteilen überwiegen.
Wann kann das Umgangsrecht ausgeschlossen werden?
Ein vollständiger Ausschluss des Umgangsrechts ist nur möglich, wenn der Umgang das Kindeswohl gefährdet. Die Hürden dafür sind hoch: Nachgewiesener Missbrauch, schwere Vernachlässigung oder eine akute Gefahr für das Kind können einen Ausschluss rechtfertigen. Auch wenn das Kind selbst den Kontakt kategorisch ablehnt und diese Ablehnung auf eigener Willensbildung beruht, kann das Gericht den Umgang einschränken.
Beachten Sie: Auch wenn Sie das alleinige Sorgerecht haben, dürfen Sie den Umgang nicht eigenmächtig verweigern. Tun Sie dies ohne gerichtliche Grundlage, machen Sie sich schadenersatzpflichtig und riskieren sogar Ordnungsgelder. Wenn Sie der Meinung sind, dass der Umgang dem Kind schadet, müssen Sie einen entsprechenden Antrag bei Gericht stellen.
Praxis-Tipp: Umgangskontakte dokumentieren
Führen Sie ein Protokoll über alle Umgangskontakte: Wann wurde das Kind abgeholt und zurückgebracht? Wie war der Zustand des Kindes danach? Gab es Auffälligkeiten? Diese Dokumentation ist wertvoll, falls Sie später eine Änderung der Umgangsregelung beantragen müssen. Bleiben Sie sachlich und notieren Sie nur Fakten, keine Interpretationen.
Kosten und Dauer des Verfahrens
Ein Sorgerechtsverfahren ist mit Kosten verbunden, die Sie bei Ihrer Planung berücksichtigen sollten. Gleichzeitig sollten Sie realistische Erwartungen an die Verfahrensdauer haben. Schnelle Entscheidungen sind im Familienrecht selten – das Gericht nimmt sich die Zeit, die für eine fundierte Entscheidung nötig ist.
Die Kosten setzen sich aus den Gerichtskosten und gegebenenfalls den Anwaltskosten zusammen. In manchen Fällen kommen noch die Kosten für ein Sachverständigengutachten hinzu. Wer am Ende welche Kosten trägt, entscheidet das Gericht – oft werden die Kosten aufgeteilt.
Gerichtskosten und Verfahrenswert
Die Gerichtskosten richten sich nach dem sogenannten Verfahrenswert. In Sorgerechtsverfahren beträgt dieser mindestens 4.000 Euro, kann aber je nach wirtschaftlichen Verhältnissen der Beteiligten höher angesetzt werden. Aus dem Verfahrenswert errechnen sich dann die konkreten Gerichtsgebühren.
Wenn Sie sich keinen Anwalt leisten können, haben Sie möglicherweise Anspruch auf Verfahrenskostenhilfe. Diese übernimmt die Gerichts- und Anwaltskosten ganz oder teilweise. Der Antrag auf Verfahrenskostenhilfe muss beim Familiengericht gestellt werden und erfordert einen Nachweis Ihrer wirtschaftlichen Verhältnisse.
Wie lange dauert das Verfahren?
Die Dauer eines Sorgerechtsverfahrens variiert stark und hängt von vielen Faktoren ab. Im Durchschnitt sollten Sie mit mehreren Monaten rechnen. Einfachere Fälle, in denen beide Elternteile kooperieren und kein Gutachten nötig ist, können schneller entschieden werden. Komplexe Fälle mit streitigen Eltern und umfangreicher Begutachtung ziehen sich hingegen oft über ein Jahr hin.
Faktoren, die das Verfahren verlängern, sind: die Beauftragung eines Sachverständigengutachtens, die Einholung weiterer Berichte vom Jugendamt, mehrfache Anhörungstermine oder Rechtsmittel gegen Zwischenentscheidungen. In dringenden Fällen können Sie einen Eilantrag stellen – dann entscheidet das Gericht vorläufig innerhalb weniger Wochen.
Checkliste: Finanzielle Vorbereitung auf das Verfahren
- Gerichtskosten einkalkulieren (abhängig vom Verfahrenswert)
- Anwaltskosten prüfen und gegebenenfalls Kostenvoranschlag einholen
- Anspruch auf Verfahrenskostenhilfe prüfen lassen
- Kosten für mögliches Sachverständigengutachten berücksichtigen
- Zeitlichen Aufwand für Termine und Vorbereitung einplanen
- Finanzielle Rücklagen für unvorhergesehene Kosten bilden
Änderung und Aufhebung der Sorgerechtsentscheidung
Eine Sorgerechtsentscheidung ist nicht in Stein gemeißelt. Wenn sich die Umstände wesentlich ändern, kann das Sorgerecht erneut übertragen werden – sowohl von einem Elternteil auf den anderen als auch vom alleinigen zurück zum gemeinsamen Sorgerecht. Das Familienrecht ist darauf ausgelegt, sich an veränderte Lebenssituationen anzupassen.
Das bedeutet für Sie zweierlei: Einerseits können Sie eine bestehende Entscheidung anfechten, wenn sich die Situation verbessert hat. Andererseits müssen Sie wissen, dass auch der andere Elternteil einen Änderungsantrag stellen kann, wenn er seine Lebensumstände stabilisiert hat. Die Entscheidung ist immer eine Momentaufnahme, die an die aktuelle Situation angepasst werden kann.
Wann kann eine Änderung beantragt werden?
Voraussetzung für einen Änderungsantrag ist eine wesentliche Veränderung der Umstände seit der letzten Entscheidung. Es reicht nicht aus, dass Sie mit der Entscheidung unzufrieden sind oder neue Argumente gefunden haben. Die Veränderung muss tatsächlich und erheblich sein – etwa wenn der Elternteil mit alleinigem Sorgerecht seine Erziehungsfähigkeit verliert oder wenn der andere Elternteil seine Probleme nachweislich überwunden hat.
Typische Gründe für einen Änderungsantrag sind: erfolgreiche Therapie bei Sucht- oder psychischen Erkrankungen, stabile neue Lebensverhältnisse, Wegfall der ursprünglichen Gefährdungslage oder der ausdrückliche und anhaltende Wunsch des älter gewordenen Kindes. Auch wenn der sorgeberechtigte Elternteil das Umgangsrecht des anderen dauerhaft untergräbt, kann dies ein Änderungsgrund sein.
Rückkehr zum gemeinsamen Sorgerecht
Haben sich die Konflikte zwischen den Eltern gelegt und ist eine Kommunikation wieder möglich, kann das gemeinsame Sorgerecht wiederhergestellt werden. Dazu müssen beide Elternteile einen entsprechenden Antrag stellen oder der Elternteil ohne Sorgerecht beantragt die Rückübertragung, und der andere stimmt zu.
Das Gericht prüft auch bei einer einvernehmlichen Lösung, ob diese dem Kindeswohl dient. Es wird insbesondere darauf achten, ob die Eltern tatsächlich in der Lage sind, gemeinsam Entscheidungen zu treffen. Zeigt sich, dass alte Konflikte nur vorübergehend beigelegt wurden, wird das Gericht das alleinige Sorgerecht aufrechterhalten.
Beispiel: Erfolgreiche Rückübertragung des Sorgerechts
Einem Vater war das Sorgerecht entzogen worden, weil er alkoholabhängig war und das Kind vernachlässigt hatte. Nach einer erfolgreichen Therapie und drei Jahren Abstinenz beantragte er die Rückübertragung des gemeinsamen Sorgerechts. Er legte Bescheinigungen der Suchtberatung, Arbeitszeugnisse und positive Berichte über die Umgangskontakte vor. Das Gericht gab dem Antrag statt – die Mutter hatte ebenfalls zugestimmt.
Bedenken Sie bei allen Überlegungen zum Sorgerecht: Im Mittelpunkt steht immer das Kind. Auch wenn der Konflikt mit dem anderen Elternteil belastend ist, sollten Sie versuchen, die Perspektive Ihres Kindes einzunehmen. Einvernehmliche Lösungen, bei denen beide Elternteile präsent bleiben, sind für Kinder in den allermeisten Fällen die beste Option. Das alleinige Sorgerecht sollte der letzte Ausweg sein – nicht der erste Wunsch.
