Höhe der Telefonkosten im Strafvollzug
Der Brief von den Angehörigen liegt auf dem Tisch, doch ein kurzes Telefonat wäre so viel schneller. Gefangene, die in einer Justizvollzugsanstalt inhaftiert sind, stehen vor einem erheblichen Problem: Die Kosten für ein simples Telefongespräch übersteigen die üblichen Tarife um ein Vielfaches. Was draußen wenige Cent pro Minute kostet, kann hinter Gittern schnell zur finanziellen Belastung werden. Diese Diskrepanz zwischen regulären Telefongebühren und den Tarifen im Strafvollzug beschäftigt Gerichte bis hin zum Bundesverfassungsgericht.
In deutschen Justizvollzugsanstalten werden Telefonanlagen typischerweise von privaten Anbietern betrieben. Diese Unternehmen haben oft exklusive Verträge mit den Anstalten und können daher ihre Preise weitgehend frei gestalten. Die Folge sind Minutenpreise, die deutlich über dem Marktniveau liegen. Während ein Gespräch ins deutsche Festnetz außerhalb der Haft häufig unter einem Cent pro Minute möglich ist, zahlen Gefangene nicht selten das Zehn- bis Zwanzigfache dieses Betrags.
Tarifmodelle in Justizvollzugsanstalten
Die konkreten Tarife variieren erheblich zwischen den einzelnen Bundesländern und sogar zwischen verschiedenen Anstalten. Einige JVAs bieten Paketlösungen an, bei denen Gefangene gegen einen monatlichen Grundbetrag vergünstigte Gesprächsminuten erhalten. Andere Anstalten rechnen ausschließlich nach Minutenpreisen ab. Besonders teuer werden internationale Gespräche, die für Gefangene mit Familie im Ausland eine extreme finanzielle Hürde darstellen können.
Der eingangs geschilderte Fall aus Schleswig-Holstein zeigt exemplarisch die Problematik: Als der private Anbieter Mitte 2015 ein Spezialangebot mit 50 Prozent Rabatt auf die Tarifeinheit einstellte, verdoppelten sich die Kosten für den betroffenen Gefangenen praktisch über Nacht. Die JVA sah keinen Handlungsbedarf und verwies auf angeblich marktgerechte Preise. Dieses Vorgehen ist symptomatisch für die Situation in vielen deutschen Haftanstalten.
Vergleich mit regulären Telefontarifen
Der Angleichungsgrundsatz im Strafvollzug besagt eigentlich, dass die Lebensverhältnisse in der Haft so weit wie möglich an die allgemeinen Lebensverhältnisse angeglichen werden sollen. Bei den Telefonkosten ist davon wenig zu spüren. Während Verbraucher außerhalb der Haft zwischen zahlreichen Anbietern wählen und Flatrates für wenige Euro monatlich buchen können, sind Gefangene an den einen Anbieter gebunden, den die JVA unter Vertrag hat.
Diese Monopolstellung führt zu Preisen, die in keinem Verhältnis zu den tatsächlichen Kosten der Telefonie stehen. Gefangene mit geringem Arbeitsentgelt aus der Anstaltsarbeit müssen oft abwägen, ob sie ihr knappes Geld für ein kurzes Gespräch mit der Familie ausgeben oder für andere Grundbedürfnisse sparen. Diese Situation widerspricht dem Ziel der Resozialisierung, bei der gerade der Kontakt zu Angehörigen als stabilisierender Faktor gilt.
Praxis-Tipp: Telefonkosten dokumentieren und vergleichen
Führen Sie als Gefangener oder Angehöriger ein genaues Protokoll über alle Telefonkosten. Notieren Sie Datum, Dauer und berechneten Betrag jedes Gesprächs. Diese Dokumentation kann bei späteren Beschwerden oder Anträgen auf Kostenübernahme als Nachweis dienen. Vergleichen Sie die Preise mit aktuellen Markttarifen außerhalb der Haft, um die Preisdifferenz konkret belegen zu können.
Wer trägt die Telefonkosten
Die grundsätzliche Regelung ist eindeutig und für viele Betroffene ernüchternd: Gefangene müssen die Kosten für ihre Telefonate selbst tragen. Diese Pflicht zur Eigenfinanzierung gilt unabhängig davon, wie hoch die Tarife in der jeweiligen Anstalt ausfallen. Die finanzielle Belastung trifft damit Menschen, die ohnehin nur über sehr begrenzte Mittel verfügen. Das Arbeitsentgelt in der JVA liegt weit unter dem Mindestlohn und reicht oft kaum für die notwendigsten Ausgaben.
Die Finanzierung der Telefonate erfolgt über verschiedene Wege. Gefangene können ihr Hausgeld verwenden, das sie durch Arbeit in der Anstalt verdienen. Alternativ greifen viele auf Unterstützung von außen zurück. Angehörige können Geld auf das Konto des Gefangenen einzahlen, das dieser dann für Telefonate nutzen kann. Diese Abhängigkeit von externen Geldzuwendungen verstärkt jedoch bestehende Ungleichheiten unter den Gefangenen.
Hausgeld und Eigengeld für Telefonate
Das finanzielle System im Strafvollzug unterscheidet zwischen verschiedenen Geldarten. Das Hausgeld ist der Teil des Arbeitsentgelts, über den Gefangene frei verfügen können. Es dient dem Einkauf im Anstaltsladen und eben auch der Bezahlung von Telefonaten. Das Eigengeld hingegen stammt aus externen Quellen wie Überweisungen von Angehörigen oder erspartem Vermögen. Beide Geldarten können grundsätzlich für Telefonate verwendet werden.
Die praktische Abwicklung erfolgt meist über ein internes Kontosystem. Vor dem Telefonieren muss ausreichend Guthaben vorhanden sein. Die Kosten werden automatisch vom Konto abgebucht. Dieses Prepaid-System verhindert zwar Schulden, führt aber auch dazu, dass Gespräche abrupt enden, wenn das Guthaben aufgebraucht ist. Für Gefangene ohne finanzielle Unterstützung von außen kann bereits ein wöchentliches Telefonat mit der Familie zur kaum bezahlbaren Belastung werden.
Finanzielle Unterstützung durch Angehörige
Viele Familien stehen vor der schwierigen Entscheidung, wie viel sie für die Kommunikation mit dem inhaftierten Familienmitglied ausgeben können. Gerade bei längeren Haftstrafen summieren sich die Telefonkosten über die Jahre zu erheblichen Beträgen. Einige Familien geraten dadurch selbst in finanzielle Schwierigkeiten. Diese Situation belastet nicht nur die Gefangenen, sondern das gesamte familiäre Umfeld.
Die Überweisungswege variieren je nach Anstalt. Einige JVAs erlauben direkte Banküberweisungen auf das Gefangenenkonto, andere verlangen Einzahlungen über spezielle Systeme. Die Bearbeitung kann mehrere Tage dauern, was bei dringendem Gesprächsbedarf problematisch ist. Angehörige sollten sich frühzeitig über die Modalitäten informieren und regelmäßige Einzahlungen einplanen, um Kommunikationslücken zu vermeiden.
Beispiel: Familie organisiert Telefonbudget
Herr M. verbüßt eine mehrjährige Haftstrafe in einer norddeutschen JVA. Seine Ehefrau und die beiden Kinder leben in Bayern. Die Telefonkosten für die wöchentlichen Gespräche belaufen sich auf einen dreistelligen Betrag monatlich. Die Familie richtet einen Dauerauftrag ein, um regelmäßig Geld auf das Anstaltskonto zu überweisen. Nach einem Jahr wird klar, dass diese Ausgaben die Haushaltskasse erheblich belasten. Die Familie beantragt erfolgreich eine Kostenübernahme durch die JVA wegen finanzieller Bedürftigkeit.
Kostenübernahme bei finanzieller Bedürftigkeit
Nicht jeder Gefangene kann die Telefonkosten aus eigener Kraft stemmen. Für diese Fälle sehen die Strafvollzugsgesetze der Länder Möglichkeiten der Kostenübernahme durch die Anstalt vor. Der Anspruch entsteht, wenn finanzielle Bedürftigkeit nachgewiesen werden kann und der Kontakt nach außen für die Resozialisierung als wichtig erachtet wird. Die Hürden für eine solche Übernahme sind jedoch in der Praxis oft hoch.
Der Begriff der Bedürftigkeit orientiert sich an den konkreten finanziellen Verhältnissen des Gefangenen. Wer kein oder nur ein sehr geringes Arbeitsentgelt erhält und keine Unterstützung von außen hat, gilt grundsätzlich als bedürftig. Die Anstalt prüft dabei auch, ob andere Möglichkeiten zur Finanzierung bestehen. Erst wenn alle Optionen ausgeschöpft sind, kommt eine Kostenübernahme in Betracht.
Antrag auf Kostenübernahme stellen
Der Weg zur Kostenübernahme führt über einen schriftlichen Antrag an die Anstaltsleitung. In diesem Antrag müssen Gefangene ihre finanzielle Situation darlegen und begründen, warum der telefonische Kontakt notwendig ist. Besonders aussichtsreich sind Anträge, die auf die Aufrechterhaltung familiärer Bindungen oder wichtige rechtliche Angelegenheiten verweisen. Die Bearbeitung kann mehrere Wochen dauern.
Der Antrag sollte möglichst konkret formuliert sein. Gefangene sollten angeben, mit wem sie telefonieren möchten und warum dieser Kontakt wichtig ist. Auch die Häufigkeit und voraussichtliche Dauer der Gespräche sollten benannt werden. Eine Kopie des Antrags sollte für die eigenen Unterlagen behalten werden, um bei Verzögerungen nachfassen zu können.
Checkliste: Antrag auf Telefonkostenübernahme
- Schriftlichen Antrag an die Anstaltsleitung formulieren
- Finanzielle Situation detailliert darlegen (Hausgeld, Eigengeld, externe Unterstützung)
- Begründung für die Notwendigkeit des telefonischen Kontakts anfügen
- Beziehung zu den gewünschten Gesprächspartnern erläutern
- Gewünschte Gesprächshäufigkeit und -dauer angeben
- Kopie des Antrags für eigene Unterlagen anfertigen
- Eingang des Antrags schriftlich bestätigen lassen
Prüfung und Entscheidung durch die Anstalt
Die Anstaltsleitung prüft jeden Antrag individuell. Dabei werden verschiedene Faktoren berücksichtigt. Neben der finanziellen Situation spielen auch vollzugliche Aspekte eine Rolle. Die Anstalt wägt ab, ob der Kontakt der Resozialisierung dient oder möglicherweise problematisch sein könnte. Bei positiver Entscheidung wird festgelegt, in welchem Umfang Kosten übernommen werden.
Eine Ablehnung muss begründet werden und kann angefochten werden. Gefangene haben das Recht, gegen negative Entscheidungen Widerspruch einzulegen. Dieser Rechtsbehelf sollte innerhalb der genannten Frist und ebenfalls schriftlich erfolgen. Bei anhaltender Ablehnung kann das Gericht angerufen werden, wobei die Strafvollstreckungskammer des zuständigen Landgerichts zuständig ist.
Regelungen zu Telefonzeiten und -dauer
Die Möglichkeit zum Telefonieren ist im Strafvollzug nicht unbegrenzt. Jede Anstalt legt in ihrer Hausordnung fest, wann und wie lange Gefangene telefonieren dürfen. Diese Regelungen dienen der Organisation des Anstaltsbetriebs, berücksichtigen Sicherheitsaspekte und sollen eine faire Verteilung der begrenzten Telefonressourcen gewährleisten. Für Gefangene bedeutet dies oft, dass spontane Anrufe nicht möglich sind.
Die typische Praxis sieht vor, dass Telefonate außerhalb der Arbeitszeiten und der Einschlusszeiten geführt werden. Abends und an Wochenenden ist die Nachfrage nach den Telefonapparaten besonders hoch. Wartezeiten sind keine Seltenheit. Einige Anstalten arbeiten mit Anmeldesystemen, bei denen Gefangene Telefonzeiten im Voraus reservieren müssen.
Erlaubte Tageszeiten und maximale Gesprächsdauer
Die konkreten Telefonzeiten unterscheiden sich von Anstalt zu Anstalt erheblich. Manche JVAs erlauben Telefonate nur in einem engen Zeitfenster am Abend, andere bieten großzügigere Regelungen. Die maximale Gesprächsdauer pro Anruf ist häufig auf 15 bis 30 Minuten begrenzt. Diese Beschränkung soll sicherstellen, dass möglichst viele Gefangene die Apparate nutzen können.
Zusätzlich zur Einzelgesprächsdauer gibt es oft Obergrenzen für die wöchentliche oder monatliche Telefonzeit. Ein Gefangener darf beispielsweise insgesamt nur eine bestimmte Anzahl von Minuten pro Woche telefonieren. Diese Kontingente können bei guter Führung oder aus besonderen Gründen erweitert werden. Die Hausordnung und individuelle Vollzugsplanungen bilden den rechtlichen Rahmen.
Anmeldung und Wartezeiten
Das Prozedere für ein Telefonat beginnt meist mit einer Anmeldung. Gefangene müssen angeben, wen sie anrufen möchten. Die gewünschte Rufnummer muss zuvor genehmigt worden sein. Nach erfolgreicher Anmeldung wird ein Termin zugeteilt oder der Gefangene muss warten, bis ein Apparat frei wird. In größeren Anstalten mit vielen Gefangenen kann die Wartezeit beträchtlich sein.
Technische Störungen oder personelle Engpässe können dazu führen, dass geplante Telefonate ausfallen. Ein Ersatztermin ist nicht immer sofort verfügbar. Diese Unwägbarkeiten machen es für Gefangene schwierig, verbindliche Verabredungen mit Angehörigen zu treffen. Die Familie weiß oft nicht, wann genau der Anruf kommen wird, und muss flexibel erreichbar bleiben.
Genehmigte und gesperrte Telefonnummern
Gefangene können nicht einfach jede beliebige Nummer anrufen. Vor dem ersten Kontakt muss die gewünschte Rufnummer von der Anstalt genehmigt werden. Dieses Genehmigungsverfahren dient Sicherheitszwecken und soll verhindern, dass Gefangene problematische Kontakte pflegen oder Straftaten vorbereiten. Die Prüfung kann einige Tage bis mehrere Wochen dauern.
Der Antrag auf Freischaltung einer Rufnummer erfordert Angaben zur Person, die erreicht werden soll. Name, Beziehung zum Gefangenen und die vollständige Telefonnummer müssen genannt werden. Die Anstalt prüft, ob Sicherheitsbedenken bestehen. Bei Angehörigen ersten Grades wird die Genehmigung in der Regel erteilt, sofern keine besonderen Umstände dagegen sprechen.
Verfahren zur Rufnummernfreischaltung
Das Genehmigungsverfahren läuft über den Sozialdienst oder die Abteilungsleitung der Anstalt. Gefangene füllen einen entsprechenden Antrag aus und geben alle relevanten Informationen an. Die Prüfung umfasst möglicherweise Rückfragen bei der angegebenen Person, ob diese überhaupt Kontakt wünscht. Erst nach positivem Abschluss wird die Nummer für Anrufe freigeschaltet.
Die Anzahl der freigeschalteten Nummern ist in manchen Anstalten begrenzt. Gefangene müssen daher priorisieren, welche Kontakte ihnen am wichtigsten sind. Änderungen der Liste sind möglich, erfordern aber erneut einen Antrag. Bei Umzug von Angehörigen oder Wechsel der Telefonnummer muss ebenfalls ein neuer Freischaltungsantrag gestellt werden.
Dauerhaft gesperrte Rufnummern
Bestimmte Rufnummern sind grundsätzlich für Anrufe aus der Haft gesperrt. Dazu gehören Nummern von Opfern oder Zeugen der Straftat, gegen die der Gefangene verurteilt wurde. Auch Personen, gegen die ein Kontaktverbot besteht, dürfen nicht angerufen werden. Diese Sperren dienen dem Opferschutz und sind nicht verhandelbar.
Weitere Sperrungen können aus Sicherheitsgründen erfolgen. Wenn die Anstalt Hinweise hat, dass ein Kontakt für kriminelle Aktivitäten genutzt werden könnte, wird die entsprechende Nummer nicht freigegeben. Auch bei Verdacht auf Fluchtplanung oder Beeinflussung von Zeugen kann die Genehmigung verweigert werden. Gegen solche Entscheidungen können Rechtsmittel eingelegt werden.
Praxis-Tipp: Rufnummernliste frühzeitig beantragen
Beantragen Sie die Freischaltung wichtiger Rufnummern möglichst direkt zu Beginn der Haft. Das Genehmigungsverfahren kann mehrere Wochen dauern. Führen Sie eine eigene Liste aller beantragten und genehmigten Nummern mit Datum. So behalten Sie den Überblick und können bei Verzögerungen gezielt nachfragen. Bei absehbaren Nummernwechseln von Angehörigen informieren Sie die Anstalt proaktiv.
Überwachung von Telefongesprächen
Telefonate aus dem Strafvollzug sind keine privaten Gespräche im üblichen Sinne. Die Anstalt hat grundsätzlich das Recht, Telefongespräche zu überwachen. Diese Überwachung erfolgt aus Sicherheitsgründen und kann verschiedene Formen annehmen. Gefangene und ihre Gesprächspartner müssen davon ausgehen, dass ihre Kommunikation mitgehört oder aufgezeichnet wird.
Die rechtliche Grundlage für die Überwachung findet sich in den Strafvollzugsgesetzen der Länder. Diese erlauben die Kontrolle von Telefongesprächen, wenn Sicherheitsinteressen dies erfordern. Die konkrete Ausgestaltung der Überwachung liegt im Ermessen der Anstaltsleitung und wird nicht immer transparent kommuniziert. Gefangene erfahren oft nicht, ob ein bestimmtes Gespräch tatsächlich mitgehört wurde.
Technische Möglichkeiten der Überwachung
Die Telefonanlagen in Justizvollzugsanstalten sind technisch für Überwachungszwecke ausgestattet. Gespräche können in Echtzeit mitgehört werden, wobei ein Bediensteter das Gespräch über Kopfhörer verfolgt. Zusätzlich ist die Aufzeichnung von Gesprächen möglich, die später ausgewertet werden können. Die Aufnahmen werden für einen bestimmten Zeitraum gespeichert.
Moderne Systeme ermöglichen auch automatisierte Analysen. Bestimmte Schlüsselwörter können erkannt und markiert werden. Bei Verdacht auf problematische Inhalte wird das Gespräch zur manuellen Überprüfung vorgemerkt. Diese technischen Möglichkeiten bedeuten, dass theoretisch jedes Gespräch überwacht werden kann, auch wenn die personellen Ressourcen eine lückenlose Kontrolle praktisch unmöglich machen.
Ausnahmen bei Gesprächen mit Verteidigern
Eine wichtige Ausnahme von der Überwachung gilt für Telefonate mit dem Strafverteidiger. Diese Gespräche sind durch das Mandatsgeheimnis geschützt und dürfen grundsätzlich nicht abgehört werden. Allerdings muss die Anstalt sicherstellen, dass der Anruf tatsächlich beim Verteidiger eingeht und nicht bei einer anderen Person. Die Überprüfung der Telefonnummer ist daher zulässig.
In der Praxis bestehen trotz des rechtlichen Schutzes Unsicherheiten. Gefangene können nie ganz sicher sein, dass das Gespräch tatsächlich unüberwacht bleibt. Technische Pannen oder menschliches Versagen können dazu führen, dass auch geschützte Gespräche versehentlich aufgezeichnet werden. Verteidiger sollten ihre Mandanten auf diese Problematik hinweisen und sensible Informationen bevorzugt im persönlichen Gespräch austauschen.
Beispiel: Überwachung führt zu Disziplinarmaßnahme
Gefangener K. telefoniert regelmäßig mit seiner Freundin. In einem Gespräch äußert er sich abfällig über einen Vollzugsbeamten und deutet an, Gegenstände in die Anstalt schmuggeln zu wollen. Das Gespräch wird aufgezeichnet und später ausgewertet. Die Anstaltsleitung leitet ein Disziplinarverfahren ein. K. erhält einen Arrest und sein Telefonguthaben wird vorübergehend gesperrt. Der Fall zeigt, dass unbedachte Äußerungen am Telefon erhebliche Konsequenzen haben können.
Rechtliche Grundlagen und Landesrecht
Die Regelungen zum Telefonieren im Strafvollzug finden sich nicht in einem einheitlichen Bundesgesetz. Seit der Föderalismusreform 2006 liegt die Gesetzgebungskompetenz für den Strafvollzug bei den Bundesländern. Jedes Land hat eigene Strafvollzugsgesetze erlassen, die sich in Details unterscheiden können. Gefangene müssen daher das jeweils geltende Landesrecht kennen.
Trotz der landesrechtlichen Unterschiede gibt es gemeinsame Grundprinzipien. Der Angleichungsgrundsatz verlangt, dass die Lebensverhältnisse im Vollzug so weit wie möglich an die allgemeinen Verhältnisse angepasst werden. Das Resozialisierungsgebot fordert, dass der Vollzug auf die Wiedereingliederung in die Gesellschaft ausgerichtet ist. Beide Prinzipien sprechen für großzügige Telefonmöglichkeiten, werden aber in der Praxis oft nicht konsequent umgesetzt.
Unterschiede in den Landesstrafvollzugsgesetzen
Die Strafvollzugsgesetze der Länder enthalten teils unterschiedliche Formulierungen zum Recht auf Telefonie. Einige Gesetze gewähren ein ausdrückliches Recht auf Telefonate mit Angehörigen, andere formulieren zurückhaltender. Auch die Regelungen zur Überwachung und zu den Kosten variieren. Gefangene sollten sich mit dem für sie geltenden Landesrecht vertraut machen.
Der eingangs geschilderte Fall aus Schleswig-Holstein wurde auf Grundlage des dortigen Landesstrafvollzugsgesetzes entschieden. Der Gefangene berief sich auf den Angleichungsgrundsatz und argumentierte, dass die überhöhten Telefonkosten diesem Prinzip widersprechen. Die Gerichte folgten dieser Argumentation nicht vollständig, erkannten aber die grundsätzliche Bedeutung der Frage an.
Bedeutung der Grundrechte und Verfassungsbeschwerde
Über dem Landesrecht stehen die Grundrechte des Grundgesetzes. Das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit, der Schutz der Familie und das Recht auf effektiven Rechtsschutz spielen bei der Beurteilung von Telefonregelungen eine Rolle. Gefangene können Verfassungsbeschwerde einlegen, wenn sie ihre Grundrechte verletzt sehen.
Der Fall des Gefangenen aus Schleswig-Holstein zeigt diesen Weg auf. Nach erfolglosen Rechtsmitteln vor den Fachgerichten wandte er sich an das Bundesverfassungsgericht. Er rügte Verstöße gegen mehrere Grundrechte. Solche Verfassungsbeschwerden sind der letzte Weg, um gegen als ungerecht empfundene Regelungen vorzugehen. Der Ausgang ist ungewiss, doch sie können grundsätzliche Fragen klären und Verbesserungen anstoßen.
Rechte und Beschwerdemöglichkeiten
Gefangene sind der Anstaltsordnung nicht rechtlos ausgeliefert. Auch im Strafvollzug bestehen Rechte, die eingefordert werden können. Bei Problemen mit Telefonregelungen oder -kosten stehen verschiedene Beschwerdemöglichkeiten zur Verfügung. Der Weg beginnt meist mit einer formlosen Beschwerde bei der Anstaltsleitung und kann bis zum Bundesverfassungsgericht führen.
Die erste Anlaufstelle bei Unzufriedenheit ist die zuständige Abteilungsleitung oder der Sozialdienst. Hier können Anliegen vorgetragen und Lösungen gesucht werden. Viele Probleme lassen sich auf dieser Ebene klären. Formelle Beschwerden werden schriftlich bei der Anstaltsleitung eingereicht. Diese muss innerhalb angemessener Frist antworten und die Entscheidung begründen.
Der gerichtliche Beschwerdeweg
Gegen Entscheidungen der Anstaltsleitung kann Antrag auf gerichtliche Entscheidung gestellt werden. Zuständig ist die Strafvollstreckungskammer beim Landgericht. Der Antrag muss schriftlich erfolgen und die angegriffene Maßnahme sowie die Gründe für die Beschwerde benennen. Das Gericht prüft, ob die Anstalt rechtmäßig gehandelt hat.
Gegen die Entscheidung der Strafvollstreckungskammer ist in bestimmten Fällen die Rechtsbeschwerde zum Oberlandesgericht möglich. Diese ist jedoch nur zulässig, wenn grundsätzliche Rechtsfragen betroffen sind. Die Hürden sind hoch, doch bei bedeutsamen Fragen kann dieser Weg erfolgreich sein. Als letzter Schritt bleibt die Verfassungsbeschwerde zum Bundesverfassungsgericht.
Praktische Hinweise für erfolgreiche Beschwerden
Eine erfolgreiche Beschwerde erfordert sorgfältige Vorbereitung. Alle relevanten Dokumente sollten gesammelt und chronologisch geordnet werden. Die Beschwerde selbst muss klar und sachlich formuliert sein. Emotionale Ausbrüche oder Beleidigungen schaden der Sache. Die konkreten rechtlichen Grundlagen sollten benannt werden, auch wenn keine juristischen Vorkenntnisse bestehen.
Fristen sind unbedingt einzuhalten. Die Frist für den Antrag auf gerichtliche Entscheidung beträgt in der Regel zwei Wochen ab Bekanntgabe der Entscheidung. Wer diese Frist versäumt, verliert sein Beschwerderecht. Im Zweifel sollte lieber frühzeitig ein kurzer Antrag gestellt und später ergänzt werden, als die Frist verstreichen zu lassen.
Praxis-Tipp: Alle Schriftstücke kopieren und dokumentieren
Fertigen Sie von jedem Antrag und jeder Beschwerde eine Kopie an, bevor Sie das Original abgeben. Lassen Sie sich den Eingang schriftlich bestätigen mit Datum und Unterschrift. Führen Sie ein Protokoll aller Vorgänge mit Datum und kurzer Beschreibung. Diese Dokumentation ist bei späteren Rechtsstreitigkeiten unverzichtbar und hilft, den Überblick zu behalten.
Checkliste: Beschwerde gegen Telefonregelungen
- Problem zunächst mündlich bei Abteilungsleitung oder Sozialdienst ansprechen
- Bei Erfolglosigkeit schriftliche Beschwerde an Anstaltsleitung verfassen
- Alle Fristen notieren und einhalten (meist zwei Wochen)
- Antrag auf gerichtliche Entscheidung bei der Strafvollstreckungskammer stellen
- Rechtliche Grundlagen benennen (Landesstrafvollzugsgesetz, Grundrechte)
- Sachlich argumentieren und persönliche Angriffe vermeiden
- Bei grundsätzlichen Fragen Rechtsbeschwerde zum OLG erwägen
