Aktuelle Rechtslage: Was ist noch strafbar?
Der Griff zur Zigarette am Abend – legal. Das Glas Wein zum Essen – kein Problem. Doch der Joint auf dem Balkon? Nach wie vor eine Straftat. Während die politische Debatte um die Cannabis-Legalisierung Deutschland seit Jahren beschäftigt, bleibt die rechtliche Realität für Konsumenten und Besitzer unverändert hart. Das Betäubungsmittelgesetz (BtMG) kennt keine Gnade, und wer erwischt wird, muss mit ernsthaften Konsequenzen rechnen.
Cannabis gilt nach dem BtMG weiterhin als nicht verkehrsfähiges Betäubungsmittel. Das bedeutet: Anbau, Herstellung, Handel, Einfuhr, Ausfuhr, Abgabe, Veräußerung und der Erwerb sind grundsätzlich strafbar. Besonders interessant für viele Betroffene ist die Unterscheidung zwischen Besitz und Konsum. Der reine Konsum selbst ist tatsächlich nicht strafbar – doch dieser theoretische Unterschied hilft in der Praxis kaum weiter. Wer Cannabis konsumiert, muss es vorher besessen haben, und genau dieser Besitz ist strafbar.
Die sogenannte "geringe Menge" und der Eigenbedarf
Seit 1994 haben die Strafverfolgungsbehörden die Möglichkeit, bei geringen Mengen Cannabis zum Eigenverbrauch von der Strafverfolgung abzusehen. Diese Regelung führt jedoch zu einer erheblichen Rechtsunsicherheit, da die Definition der "geringen Menge" zwischen den Bundesländern stark variiert. In Berlin gelten bis zu 15 Gramm als gering, während Bayern oder Baden-Württemberg bereits bei 6 Gramm die Grenze ziehen. Diese föderale Ungleichheit bedeutet: Dieselbe Menge Cannabis kann in einem Bundesland zur Einstellung führen, im anderen jedoch eine Anklage nach sich ziehen.
Wichtig zu verstehen ist, dass die geringe Menge keine Legalisierung darstellt. Die Staatsanwaltschaft kann von der Verfolgung absehen – sie muss es aber nicht. Bei Wiederholungstätern, bei Konsum in der Öffentlichkeit oder wenn weitere erschwerende Umstände hinzukommen, wird häufig trotzdem Anklage erhoben oder ein Strafbefehl beantragt.
Praxis-Tipp: Schweigen bei Polizeikontakt
Werden Sie mit Cannabis erwischt, machen Sie von Ihrem Schweigerecht Gebrauch. Jede Aussage zur Herkunft, zum Konsumverhalten oder zu Dritten kann Ihre Situation verschlechtern. Sie sind lediglich verpflichtet, Ihre Personalien anzugeben. Alles andere sollten Sie erst nach Rücksprache mit einem Verteidiger klären.
Überblick über strafbare Handlungen
Das BtMG differenziert zwischen verschiedenen Tatbeständen mit unterschiedlichen Strafrahmen. Der einfache Besitz wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. Der Handel, also der Verkauf oder die Weitergabe an andere, kann bereits ohne kommerzielle Absicht mit Freiheitsstrafe von einem bis zu fünf Jahren bestraft werden. Handelt es sich um bandenmäßigen Handel oder werden große Mengen umgesetzt, steigt der Strafrahmen auf bis zu 15 Jahre Freiheitsstrafe.
Auch der Anbau von Cannabis-Pflanzen ist strafbar, selbst wenn er nur dem Eigenbedarf dienen soll. Jede einzelne Pflanze kann dabei separat gewertet werden, was schnell zu erheblichen Straferwartungen führen kann. Die Einfuhr von Cannabis aus dem Ausland – sei es aus den Niederlanden oder anderen Ländern – stellt ebenfalls einen eigenständigen Straftatbestand dar.
Koalitionsvertrag und politische Pläne
Mit dem Koalitionsvertrag der Ampel-Regierung im Dezember 2021 schien ein Paradigmenwechsel in der deutschen Drogenpolitik greifbar. Der Satz "Wir führen die kontrollierte Abgabe von Cannabis an Erwachsene zu Genusszwecken in lizenzierten Geschäften ein" elektrisierte Befürworter und löste bei Kritikern Besorgnis aus. Erstmals hatte sich eine Bundesregierung explizit zu einer Cannabis-Legalisierung bekannt – doch von der Ankündigung bis zur Umsetzung erwies sich der Weg als steiniger als erwartet.
Die Koalition begründete ihre Pläne mit dem Schutz der Konsumenten. Der Schwarzmarkt, so die Argumentation, biete keine Qualitätskontrolle. Konsumenten wüssten nicht, wie hoch der THC-Gehalt des erworbenen Cannabis sei und ob es mit gefährlichen Substanzen gestreckt wurde. Eine legale, regulierte Abgabe würde diese Risiken minimieren. Gleichzeitig sollten durch Besteuerung Einnahmen generiert und der enorme Aufwand der Strafverfolgung reduziert werden.
Das Eckpunktepapier des Bundesgesundheitsministeriums
Im Oktober 2022 präsentierte Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach ein Eckpunktepapier zur geplanten Legalisierung. Dieses sah einen umfassenden Ansatz vor: Cannabis sollte in lizenzierten Fachgeschäften an Erwachsene abgegeben werden, begleitet von strengen Jugendschutzmaßnahmen und Aufklärungskampagnen. Der private Besitz von bis zu 30 Gramm sowie der Eigenanbau von bis zu drei weiblichen Pflanzen sollte straffrei werden.
Das Papier sah außerdem vor, dass der THC-Gehalt begrenzt und auf den Produkten ausgewiesen werden muss. Werbung für Cannabis-Produkte sollte umfassend verboten sein, ähnlich wie bei Tabak. Für den Straßenverkehr sollten neue Grenzwerte für den THC-Gehalt im Blut festgelegt werden. Dieses ambitionierte Konzept stieß jedoch schnell auf erheblichen Widerstand – nicht nur aus der innenpolitischen Opposition, sondern vor allem auf europäischer Ebene.
Politische Kontroversen und gesellschaftliche Debatte
Die Cannabis-Legalisierung bleibt in Deutschland ein polarisierendes Thema. Befürworter verweisen auf die gescheiterte Prohibition, die den Konsum nicht verhindert, sondern lediglich kriminalisiert habe. Sie argumentieren mit den Erfahrungen aus anderen Ländern wie Kanada, Uruguay oder US-Bundesstaaten, wo eine Legalisierung weitgehend problemlos umgesetzt wurde. Gegner hingegen warnen vor gesundheitlichen Risiken, insbesondere für junge Menschen, deren Gehirnentwicklung durch regelmäßigen Cannabis-Konsum beeinträchtigt werden kann.
Innerhalb der Koalition selbst gibt es unterschiedliche Schwerpunkte. Während die FDP vor allem die wirtschaftlichen Aspekte und den Abbau staatlicher Regulierung betont, fokussieren sich die Grünen auf den Gesundheitsschutz und die Entstigmatisierung von Konsumenten. Die SPD versucht, zwischen beiden Positionen zu vermitteln und gleichzeitig die Akzeptanz in der eigenen Wählerschaft nicht zu verlieren.
Das geplante Zwei-Säulen-Modell im Detail
Nach dem Scheitern der ursprünglichen Pläne an europarechtlichen Hürden wurde das Konzept grundlegend überarbeitet. Das neue Zwei-Säulen-Modell versucht, die Legalisierung schrittweise umzusetzen und dabei internationale Verpflichtungen so weit wie möglich zu berücksichtigen. Dieser pragmatische Ansatz soll die Legalisierung überhaupt erst ermöglichen, auch wenn er hinter den ursprünglichen Ambitionen zurückbleibt.
Die erste Säule konzentriert sich auf den privaten Eigenanbau und die Abgabe in nicht-kommerziellen Vereinigungen, sogenannten Cannabis Social Clubs. Die zweite Säule sieht regionale Modellprojekte vor, in denen kommerzielle Lieferketten wissenschaftlich begleitet getestet werden sollen. Beide Säulen verfolgen unterschiedliche Zeithorizonte und rechtliche Rahmenbedingungen.
Beispiel: Cannabis Social Club in der Praxis
Ein Cannabis Social Club mit 400 Mitgliedern betreibt eine gemeinschaftliche Anbaufläche außerhalb der Stadt. Die Mitglieder zahlen einen monatlichen Beitrag und können bis zu 50 Gramm Cannabis pro Monat zum Selbstkostenpreis erhalten. Der Club beschäftigt zwei hauptamtliche Gärtner und wird regelmäßig kontrolliert. Mitglieder müssen volljährig sein und ihren Wohnsitz im Einzugsgebiet haben. Ein Verkauf an Nicht-Mitglieder ist streng verboten und wird strafrechtlich verfolgt.
Erste Säule: Eigenanbau und Cannabis-Clubs
Die erste Säule des Modells erlaubt Erwachsenen den privaten Anbau von bis zu drei Cannabis-Pflanzen zum Eigenkonsum. Diese Regelung ermöglicht es Konsumenten, unabhängig vom Schwarzmarkt zu werden und selbst die Kontrolle über die Qualität ihres Konsums zu übernehmen. Der Anbau muss allerdings so gesichert erfolgen, dass Unbefugte – insbesondere Minderjährige – keinen Zugriff haben.
Darüber hinaus sollen nicht-kommerzielle Anbauvereinigungen, die Cannabis Social Clubs, gegründet werden können. Diese Vereine dürfen maximal 500 Mitglieder haben und Cannabis gemeinschaftlich anbauen. Die Abgabe erfolgt ausschließlich an Mitglieder, die volljährig sein und ihren Wohnsitz in der Nähe haben müssen. Pro Mitglied dürfen höchstens 25 Gramm pro Tag und 50 Gramm pro Monat abgegeben werden. Für Personen unter 21 Jahren ist der THC-Gehalt auf maximal 10 Prozent begrenzt.
Zweite Säule: Regionale Modellprojekte
Die zweite Säule sieht wissenschaftlich begleitete Modellprojekte in ausgewählten Kommunen vor. In diesen Regionen soll die kommerzielle Produktion und der Verkauf von Cannabis in lizenzierten Fachgeschäften erprobt werden. Die Teilnahme ist freiwillig, und Kommunen können selbst entscheiden, ob sie sich als Modellregion bewerben möchten.
Diese Pilotprojekte sollen über einen Zeitraum von fünf Jahren laufen und wissenschaftlich ausgewertet werden. Untersucht werden sollen unter anderem die Auswirkungen auf den Schwarzmarkt, das Konsumverhalten, den Jugendschutz und die öffentliche Gesundheit. Erst nach Abschluss und Auswertung dieser Modellphase soll über eine flächendeckende kommerzielle Abgabe entschieden werden.
EU-rechtliche Hürden und internationale Verträge
Der ambitionierte erste Entwurf der Cannabis-Legalisierung scheiterte nicht am politischen Willen, sondern an den rechtlichen Grenzen, die das europäische und internationale Recht setzen. Deutschland ist durch verschiedene Abkommen gebunden, die den freien Umgang mit Cannabis erheblich einschränken. Diese Verpflichtungen können nicht einseitig aufgekündigt werden, ohne erhebliche diplomatische und rechtliche Konsequenzen zu riskieren.
Die Europäische Kommission äußerte massive Bedenken gegen den ursprünglichen deutschen Gesetzentwurf. Eine kommerzielle Produktion und Abgabe von Cannabis, so die Einschätzung aus Brüssel, würde gegen geltendes EU-Recht verstoßen. Diese Einschätzung zwang die Bundesregierung, ihre Pläne grundlegend zu überarbeiten und das Zwei-Säulen-Modell zu entwickeln.
UN-Abkommen und Drogenkonventionen
Deutschland hat drei maßgebliche UN-Drogenkonventionen ratifiziert: das Einheitsabkommen über Suchtstoffe von 1961, das Übereinkommen über psychotrope Stoffe von 1971 und das Übereinkommen gegen den unerlaubten Verkehr mit Suchtstoffen von 1988. Alle drei Abkommen verpflichten die Vertragsstaaten, den Anbau, die Produktion und den Handel mit Cannabis zu unterbinden – mit Ausnahme medizinischer und wissenschaftlicher Zwecke.
Eine vollständige Legalisierung von Cannabis zum Freizeitkonsum widerspricht dem Wortlaut dieser Abkommen. Andere Länder wie Kanada haben sich über diese Verpflichtungen hinweggesetzt, ohne gravierende Konsequenzen zu erleiden. Deutschland scheut diesen Schritt jedoch, da eine Verletzung internationaler Verträge weitreichende Folgen für die außenpolitische Glaubwürdigkeit haben könnte.
Schengener Abkommen und EU-Binnenmarkt
Besondere Probleme bereitet das Schengener Durchführungsübereinkommen, dem Deutschland als Gründungsmitglied angehört. Artikel 71 dieses Abkommens verpflichtet die Vertragsstaaten, den illegalen Handel mit Betäubungsmitteln zu bekämpfen. Eine Legalisierung könnte als Verstoß gegen diese Verpflichtung gewertet werden, insbesondere wenn Cannabis-Produkte in andere Schengen-Staaten gelangen.
Der EU-Binnenmarkt mit seiner Warenverkehrsfreiheit verschärft dieses Problem zusätzlich. Legal in Deutschland produziertes Cannabis könnte theoretisch in andere EU-Mitgliedstaaten verbracht werden, wo es weiterhin illegal wäre. Die Bundesregierung muss daher sicherstellen, dass legal produziertes Cannabis nicht in den grenzüberschreitenden Handel gelangt – eine praktisch kaum zu lösende Aufgabe.
Zeitplan und bisherige Verzögerungen
Die Geschichte der geplanten Cannabis-Legalisierung ist eine Geschichte verschobener Termine und angepasster Erwartungen. Was ursprünglich als schnelle Reform angekündigt wurde, entwickelte sich zu einem langwierigen Prozess mit ungewissem Ausgang. Für Konsumenten bedeutet jede Verzögerung, dass sie weiterhin mit dem vollen Risiko strafrechtlicher Verfolgung leben müssen.
Nach der Regierungsbildung Ende 2021 wurde zunächst das Jahr 2023 als Ziel für die Legalisierung genannt. Gesundheitsminister Lauterbach sprach von einem "ambitionierten Zeitplan". Doch die europarechtlichen Hürden und die notwendige Überarbeitung der Pläne machten diese Ankündigung schnell zur Makulatur. Im Laufe des Jahres 2023 wurde klar, dass auch dieser Zeitrahmen nicht eingehalten werden konnte.
Chronologie des Gesetzgebungsverfahrens
Im Oktober 2022 präsentierte das Bundesgesundheitsministerium das erste Eckpunktepapier. Dieses wurde der Europäischen Kommission zur Prüfung vorgelegt, die erhebliche Bedenken anmeldete. Im April 2023 stellte Minister Lauterbach dann das überarbeitete Zwei-Säulen-Modell vor, das die kommerziellen Elemente zunächst ausklammerte. Im August 2023 wurde ein erster Gesetzentwurf für die erste Säule veröffentlicht.
Die Ressortabstimmung innerhalb der Bundesregierung nahm weitere Monate in Anspruch. Verschiedene Ministerien äußerten Bedenken, die eingearbeitet werden mussten. Das Kabinett beschloss den Gesetzentwurf schließlich im August 2023, doch die parlamentarischen Beratungen zogen sich hin. Anhörungen, Änderungsanträge und politische Debatten verzögerten den Prozess weiter.
Aktueller Stand und realistischer Ausblick
Der Bundestag hat das Gesetz zur ersten Säule mittlerweile verabschiedet. Das Gesetz trat am 1. April 2024 in Kraft, allerdings mit Übergangsfristen für verschiedene Regelungen. Die Cannabis Social Clubs können ihre Arbeit aufnehmen, müssen jedoch behördlich genehmigt werden. Der private Eigenanbau ist ab dem Inkrafttreten grundsätzlich erlaubt.
Die zweite Säule mit den regionalen Modellprojekten befindet sich noch in der Planungsphase. Die Auswahl der Modellregionen und die Erarbeitung der detaillierten Rahmenbedingungen werden voraussichtlich noch geraume Zeit in Anspruch nehmen. Eine flächendeckende kommerzielle Abgabe von Cannabis liegt damit noch in weiter Ferne – wenn sie überhaupt kommt.
Praxis-Tipp: Übergangsphase richtig einschätzen
Auch nach Inkrafttreten des Gesetzes bleiben viele Details zunächst unklar. Warten Sie nicht auf vermeintliche Rechtsänderungen, die noch nicht in Kraft sind. Informieren Sie sich über den aktuellen Stand und handeln Sie entsprechend der geltenden Rechtslage. Im Zweifel gilt: Was nicht ausdrücklich erlaubt ist, bleibt verboten.
Welche Strafen drohen bis zur Legalisierung?
Solange die Legalisierung nicht vollständig umgesetzt ist, drohen bei Cannabis-Delikten weiterhin erhebliche Strafen. Das Betäubungsmittelgesetz kennt keine halben Sachen – wer gegen seine Vorschriften verstößt, muss mit spürbaren Konsequenzen rechnen. Dabei spielen verschiedene Faktoren eine Rolle: die Menge, die Tathandlung, eventuelle Vorstrafen und die konkreten Tatumstände.
Der einfache Besitz von Cannabis ohne Handel kann mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe geahndet werden. In der Praxis werden Ersttäter mit geringen Mengen häufig mit Geldstrafen belegt, die sich nach dem Tagessatzsystem berechnen. Ein Tagessatz entspricht in der Regel einem Dreißigstel des monatlichen Nettoeinkommens. Die Anzahl der Tagessätze richtet sich nach der Schwere der Tat.
Strafrahmen bei verschiedenen Delikten
Der Handel mit Cannabis wird deutlich strenger bestraft als der bloße Besitz. Bereits das unentgeltliche Weitergeben an Freunde kann als Abgabe gewertet werden und den Strafrahmen erhöhen. Der Grundtatbestand sieht Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe vor. Handelt es sich um eine "nicht geringe Menge" – in der Regel ab 7,5 Gramm THC, was etwa 75 Gramm Marihuana entspricht –, liegt die Mindeststrafe bei einem Jahr Freiheitsstrafe.
Besonders schwere Fälle liegen vor bei gewerbsmäßigem Handeln, bei Beteiligung von Minderjährigen, bei bandenmäßigem Vorgehen oder wenn der Täter als Mitglied einer Bande handelt. In diesen Fällen drohen Freiheitsstrafen von zwei bis 15 Jahren. Auch die Einfuhr von Cannabis aus dem Ausland, etwa aus den Niederlanden, stellt einen eigenständigen Straftatbestand dar und wird entsprechend geahndet.
Nebenfolgen einer Verurteilung
Neben der eigentlichen Strafe können Cannabis-Verurteilungen erhebliche Nebenfolgen haben. Besonders relevant ist der Eintrag im Führungszeugnis. Geldstrafen von mehr als 90 Tagessätzen oder Freiheitsstrafen von mehr als drei Monaten erscheinen im einfachen Führungszeugnis. Dies kann bei Bewerbungen, Wohnungssuchen oder im beruflichen Umfeld zu erheblichen Problemen führen.
Für bestimmte Berufsgruppen können bereits geringere Strafen problematisch sein. Beamte, Ärzte, Rechtsanwälte oder Lehrer müssen berufsrechtliche Konsequenzen fürchten. Auch der Waffenschein kann entzogen werden, und Ausländer riskieren aufenthaltsrechtliche Konsequenzen bis hin zur Ausweisung. Die Folgen einer Cannabis-Verurteilung reichen damit weit über die eigentliche Strafe hinaus.
Checkliste: Nach einer Cannabis-Anzeige
- Keine Aussagen zur Sache machen – auch nicht gegenüber der Polizei
- Vorladungen der Polizei nicht folgen – Sie sind als Beschuldigter nicht verpflichtet zu erscheinen
- Akteneinsicht über einen Verteidiger beantragen
- Alle Beweise sichern, die Ihre Position stützen könnten
- Fristen im Blick behalten – insbesondere bei Strafbefehlen gilt die 2-Wochen-Frist
- Mögliche Nebenfolgen (Führerschein, Beruf) frühzeitig prüfen
Unterschiede zwischen den Bundesländern
Deutschland ist ein föderaler Staat, und das zeigt sich auch bei der Verfolgung von Cannabis-Delikten. Die Staatsanwaltschaften der verschiedenen Bundesländer handhaben die Anwendung des Betäubungsmittelgesetzes unterschiedlich streng. Was in Berlin zu einer Einstellung führt, kann in Bayern eine Anklage nach sich ziehen. Diese Ungleichbehandlung sorgt seit Jahren für Kritik und Forderungen nach bundeseinheitlichen Regelungen.
Die Unterschiede beginnen bereits bei der Definition der "geringen Menge". Berlin erlaubt den Besitz von bis zu 15 Gramm Cannabis, ohne dass zwingend ein Strafverfahren eingeleitet wird. In Nordrhein-Westfalen liegt die Grenze bei 10 Gramm, in den meisten anderen Bundesländern bei 6 Gramm. Bayern und Baden-Württemberg sind besonders restriktiv und stellen auch kleine Mengen konsequent unter Strafe.
Das Nord-Süd-Gefälle in der Strafverfolgung
Die Statistiken zeigen ein klares Bild: In den nördlichen Bundesländern werden deutlich mehr Verfahren wegen geringer Mengen Cannabis eingestellt als im Süden. Hamburg, Bremen und Berlin verfolgen eine vergleichsweise liberale Linie, während Bayern konsequent auch Kleinstmengen strafrechtlich verfolgt. Diese unterschiedliche Praxis führt dazu, dass der Wohnort über die strafrechtlichen Konsequenzen eines Cannabis-Besitzes entscheidet.
Die bayerische Justiz argumentiert mit dem Legalitätsprinzip: Die Staatsanwaltschaft sei verpflichtet, jede Straftat zu verfolgen. Die Möglichkeit der Einstellung sei eine Ausnahme, von der zurückhaltend Gebrauch zu machen sei. Kritiker halten dagegen, dass diese Praxis enorme Ressourcen bindet und letztlich niemanden schützt – schon gar nicht die Konsumenten, die mit Vorstrafen belastet werden.
Beispiel: Gleiche Menge, unterschiedliche Konsequenzen
Ein Student wird bei einer Routinekontrolle mit 8 Gramm Cannabis erwischt. In Berlin wird das Verfahren nach kurzer Prüfung eingestellt – keine weiteren Konsequenzen. Derselbe Student mit derselben Menge in München erhält einen Strafbefehl über 30 Tagessätze und muss zudem mit einer MPU rechnen, da die Fahrerlaubnisbehörde informiert wird. Obwohl bundesweit dasselbe Gesetz gilt, sind die Folgen radikal unterschiedlich.
Kommunale Besonderheiten und Schwerpunktstaatsanwaltschaften
Neben den landesweiten Unterschieden gibt es auch innerhalb einzelner Bundesländer erhebliche Abweichungen. Manche Staatsanwaltschaften haben Schwerpunktabteilungen für Betäubungsmittelkriminalität eingerichtet, die entsprechend konsequent vorgehen. In Universitätsstädten oder Großstädten mit aktiver Drogenszene ist die Verfolgung oft intensiver als in ländlichen Regionen.
Auch die Polizeipräsenz spielt eine Rolle. In Gegenden mit hoher Polizeidichte werden naturgemäß mehr Cannabis-Delikte entdeckt und zur Anzeige gebracht. Bekannte Treffpunkte der Drogenszene werden besonders überwacht, was zu einer höheren Entdeckungswahrscheinlichkeit führt. Wer sich in solchen Bereichen aufhält, muss mit verstärkten Kontrollen rechnen.
Was tun bei einer Cannabis-Anzeige heute?
Der Brief von der Polizei oder Staatsanwaltschaft liegt im Briefkasten – eine Anzeige wegen eines Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz. Für viele Betroffene bricht in diesem Moment eine Welt zusammen. Panik ist jedoch der schlechteste Ratgeber. Wer besonnen reagiert und die richtigen Schritte unternimmt, kann die Situation oft deutlich entschärfen.
Der wichtigste Grundsatz lautet: Schweigen ist Gold. Als Beschuldigter haben Sie das Recht, zu den Vorwürfen keine Aussage zu machen. Dieses Recht sollten Sie unbedingt nutzen. Jede Äußerung zur Sache – auch vermeintlich entlastende Erklärungen – kann gegen Sie verwendet werden. Auch eine Vorladung zur Vernehmung bei der Polizei müssen Sie als Beschuldigter nicht befolgen.
Die ersten Schritte nach Erhalt der Anzeige
Zunächst sollten Sie alle Unterlagen sammeln, die Sie im Zusammenhang mit dem Vorwurf erhalten haben. Dazu gehören die polizeiliche Vorladung, eventuelle Beschlagnahmeprotokolle und natürlich die Anzeige selbst. Notieren Sie sich auch, was bei einer eventuellen Kontrolle gesagt wurde – von Ihnen und von den Beamten. Diese Informationen können später wichtig werden.
Im nächsten Schritt sollten Sie Akteneinsicht beantragen. Nur wenn Sie wissen, was Ihnen konkret vorgeworfen wird und welche Beweise gegen Sie vorliegen, können Sie Ihre Verteidigung sinnvoll aufbauen. Die Akteneinsicht erfolgt in der Regel über einen Verteidiger, der die Unterlagen anfordert und auswertet. Erst danach sollten Sie über das weitere Vorgehen entscheiden.
Mögliche Verteidigungsstrategien
Die Verteidigungsstrategie hängt stark vom konkreten Einzelfall ab. Bei geringen Mengen zum Eigenbedarf kann das Ziel sein, eine Einstellung des Verfahrens zu erreichen. Dies gelingt insbesondere dann, wenn es sich um einen Ersttäter handelt und keine weiteren belastenden Umstände vorliegen. Ein entsprechender Antrag an die Staatsanwaltschaft, verbunden mit einer wohlüberlegten Stellungnahme, kann hier erfolgversprechend sein.
Bei größeren Mengen oder dem Vorwurf des Handels wird die Verteidigung komplexer. Hier kann es darum gehen, bestimmte Beweismittel anzugreifen – etwa weil eine Durchsuchung rechtswidrig war oder weil die Zuordnung des Cannabis zum Beschuldigten nicht zweifelsfrei möglich ist. Auch die Frage, ob es sich tatsächlich um Handel oder nur um gemeinschaftlichen Konsum handelte, kann entscheidend sein.
Praxis-Tipp: Strafbefehl sorgfältig prüfen
Erhalten Sie einen Strafbefehl, haben Sie nur zwei Wochen Zeit, Einspruch einzulegen. Diese Frist ist unbedingt einzuhalten. Prüfen Sie den Strafbefehl genau: Stimmen die Vorwürfe? Ist die Strafe angemessen? Welche Nebenfolgen drohen? Ein vorschnelles Akzeptieren kann zu einer Vorstrafe führen, die sich noch Jahre später negativ auswirkt.
Auswirkungen auf den Führerschein
Ein Aspekt, der häufig unterschätzt wird, betrifft die fahrerlaubnisrechtlichen Konsequenzen. Die Fahrerlaubnisbehörden werden in der Regel von der Polizei über Cannabis-Vorfälle informiert – unabhängig davon, wie das Strafverfahren ausgeht. Selbst eine Einstellung des Verfahrens schützt nicht vor fahrerlaubnisrechtlichen Maßnahmen.
Die Behörde kann eine Medizinisch-Psychologische Untersuchung (MPU) anordnen, wenn Zweifel an der Fahreignung bestehen. Regelmäßiger Cannabis-Konsum begründet solche Zweifel. Die MPU ist kostenintensiv und hat eine hohe Durchfallquote. Wer sie nicht besteht oder sich weigert, verliert die Fahrerlaubnis. Eine Neuerteilung ist erst nach Nachweis der Drogenabstinenz und erfolgreicher MPU möglich.
Besonders problematisch ist die Situation für Führerscheinbewerber. Wer noch keine Fahrerlaubnis hat und wegen Cannabis auffällt, muss vor der Erteilung seine Eignung nachweisen. Dies kann den Führerscheinerwerb um Jahre verzögern und erhebliche Kosten verursachen. Auch hier gilt: Eine schnelle, kompetente Reaktion auf die ersten behördlichen Schreiben kann entscheidend sein.
