Was ist ein Beratungshilfeschein?
Der Vermieter droht mit Kündigung, der Arbeitgeber zahlt den Lohn nicht, oder ein Inkassounternehmen fordert plötzlich Geld – rechtliche Probleme können jeden treffen. Doch was tun, wenn das Geld für einen Anwalt fehlt? Genau hier greift die staatliche Beratungshilfe. Der Beratungshilfeschein ist Ihr Schlüssel zu professioneller rechtlicher Unterstützung, auch wenn Ihr Konto am Monatsende regelmäßig leer ist.
Die Beratungshilfe ist eine Sozialleistung des deutschen Staates, die im Beratungshilfegesetz (BerHG) geregelt ist. Sie ermöglicht Menschen mit geringem Einkommen den Zugang zu anwaltlicher Rechtsberatung und außergerichtlicher Vertretung. Der Beratungshilfeschein – offiziell Berechtigungsschein genannt – ist dabei das Dokument, mit dem Sie bei einem Rechtsanwalt Ihrer Wahl vorstellig werden können, ohne die üblichen Beratungskosten tragen zu müssen.
Wichtig ist die Abgrenzung zur Prozesskostenhilfe: Während die Beratungshilfe ausschließlich für die Rechtsberatung und außergerichtliche Tätigkeiten gilt, greift die Prozesskostenhilfe erst, wenn ein Gerichtsverfahren eingeleitet wird. Beide Hilfen können nacheinander in Anspruch genommen werden, decken aber unterschiedliche Phasen eines Rechtskonflikts ab. Die Beratungshilfe soll idealerweise dazu beitragen, dass es gar nicht erst zu einem teuren Prozess kommt.
Für welche Rechtsgebiete gilt die Beratungshilfe?
Die Beratungshilfe kann grundsätzlich in allen Rechtsgebieten gewährt werden, solange es sich um eine Angelegenheit des deutschen Rechts handelt. Besonders häufig wird sie in Anspruch genommen bei arbeitsrechtlichen Konflikten wie Kündigungen oder ausstehenden Lohnzahlungen, bei mietrechtlichen Streitigkeiten mit dem Vermieter sowie bei sozialrechtlichen Auseinandersetzungen mit Jobcentern oder Rentenversicherungsträgern.
Auch im Familienrecht – etwa bei Unterhaltsstreitigkeiten oder Sorgerechtsangelegenheiten – wird Beratungshilfe regelmäßig bewilligt. Gleiches gilt für das Verbraucherrecht bei Problemen mit Kaufverträgen oder Inkassoforderungen sowie für das Strafrecht, wenn Sie als Beschuldigter rechtlichen Beistand benötigen. Ausgenommen sind hingegen steuerrechtliche Angelegenheiten, für die Steuerberater oder Lohnsteuerhilfevereine zuständig sind.
Umfang der Beratungshilfe
Die Beratungshilfe umfasst die rechtliche Beratung durch einen Rechtsanwalt zu Ihrer konkreten Rechtsfrage. Der Anwalt prüft Ihre Situation, erklärt Ihnen die Rechtslage und gibt Ihnen eine Einschätzung zu Ihren Erfolgsaussichten. Darüber hinaus kann der Anwalt auch außergerichtlich für Sie tätig werden – also beispielsweise ein Schreiben an die Gegenseite verfassen, Verhandlungen führen oder einen Vergleich aushandeln.
Nicht umfasst sind hingegen die gerichtliche Vertretung und die Übernahme von Gerichtskosten. Sobald ein Verfahren vor Gericht anhängig wird, endet der Anwendungsbereich der Beratungshilfe. Für diesen Fall müssten Sie dann einen gesonderten Antrag auf Prozesskostenhilfe stellen. Die Beratungshilfe ist also bewusst auf den vorgerichtlichen Bereich beschränkt, um Streitigkeiten möglichst frühzeitig und kostengünstig zu lösen.
Voraussetzungen für Beratungshilfe
Bevor Sie den Gang zum Amtsgericht antreten, sollten Sie prüfen, ob Sie die gesetzlichen Voraussetzungen für Beratungshilfe überhaupt erfüllen. Das Gesetz nennt mehrere Kriterien, die kumulativ – also alle gleichzeitig – vorliegen müssen. Eine Bewilligung erfolgt nur, wenn sämtliche Voraussetzungen erfüllt sind. Das Amtsgericht prüft jeden Antrag individuell und kann bei Zweifeln ergänzende Nachweise anfordern.
Die erste und zentrale Voraussetzung ist die wirtschaftliche Bedürftigkeit. Sie müssen nachweisen, dass Sie nach Ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Mittel für eine Rechtsberatung nicht aufbringen können. Dabei werden Ihr Einkommen, Ihr Vermögen und Ihre notwendigen Ausgaben gegenübergestellt. Empfänger von Bürgergeld, Sozialhilfe oder Grundsicherung gelten in der Regel automatisch als bedürftig.
Die zweite Voraussetzung betrifft das Fehlen anderer zumutbarer Hilfemöglichkeiten. Bevor der Staat einspringt, müssen Sie prüfen, ob nicht andere Stellen kostenlos helfen können. Hierzu zählen beispielsweise Mietervereine, Gewerkschaften, Verbraucherzentralen oder Schuldnerberatungen. Sind Sie dort Mitglied oder können dort Hilfe erhalten, wird Beratungshilfe in der Regel abgelehnt.
Praxis-Tipp: Mitgliedschaften prüfen vor Antragstellung
Prüfen Sie vor dem Antrag, ob Sie Mitglied in einem Mieterverein, einer Gewerkschaft oder einem Automobilclub sind. Diese bieten ihren Mitgliedern oft kostenlose Rechtsberatung in bestimmten Bereichen. Verschweigen Sie solche Mitgliedschaften nicht – das Amtsgericht kann dies überprüfen und Ihren Antrag ablehnen, wenn eine zumutbare Alternative bestand.
Keine Mutwilligkeit der Rechtsverfolgung
Eine weitere wichtige Voraussetzung ist, dass die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung nicht mutwillig erscheinen darf. Das bedeutet, dass ein verständiger Bürger in Ihrer Situation, der die Kosten selbst tragen müsste, ebenfalls einen Anwalt aufsuchen würde. Offensichtlich aussichtslose Angelegenheiten oder rein schikanöse Streitigkeiten werden nicht gefördert.
Das Amtsgericht nimmt hier eine Plausibilitätsprüfung vor. Es geht nicht darum, ob Sie den Rechtsstreit gewinnen werden, sondern ob das Anliegen nachvollziehbar und ernsthaft ist. Wenn Sie beispielsweise einen Widerspruch gegen einen Bescheid einlegen möchten, dessen Frist bereits seit Monaten abgelaufen ist, könnte dies als mutwillig eingestuft werden. Gleiches gilt für Bagatellforderungen, deren Verfolgung in keinem vernünftigen Verhältnis zum Aufwand steht.
Konkrete Rechtsangelegenheit erforderlich
Beratungshilfe wird nur für eine konkrete, bereits bestehende Rechtsangelegenheit gewährt. Allgemeine Rechtsauskünfte oder prophylaktische Beratungen zu hypothetischen Fragen sind nicht erfasst. Sie müssen ein aktuelles rechtliches Problem haben, das einer Lösung bedarf. Die Angelegenheit muss außerdem so konkret sein, dass der Anwalt tatsächlich tätig werden kann.
Für jede neue Rechtsangelegenheit benötigen Sie einen separaten Beratungshilfeschein. Wenn Sie gleichzeitig Probleme mit Ihrem Arbeitgeber und Ihrem Vermieter haben, handelt es sich um zwei verschiedene Angelegenheiten. Sie müssen dann zwei Anträge stellen und erhalten – bei Bewilligung – zwei separate Berechtigungsscheine. Eine pauschale Beratungshilfe für alle Ihre Rechtsprobleme gibt es nicht.
Einkommensgrenzen und Vermögensgrenzen
Die wirtschaftliche Bedürftigkeit ist das Herzstück der Beratungshilfeprüfung. Das Amtsgericht ermittelt, ob Ihnen nach Abzug aller notwendigen Ausgaben genügend Einkommen verbleibt, um eine Rechtsberatung selbst zu bezahlen. Die Berechnung orientiert sich dabei an den Vorschriften der Zivilprozessordnung zur Prozesskostenhilfe, konkret an den sogenannten Freibeträgen.
Grundlage der Berechnung ist Ihr monatliches Nettoeinkommen. Davon werden verschiedene Freibeträge abgezogen: ein Grundfreibetrag für Sie selbst, Freibeträge für Ihren Ehepartner oder Lebenspartner sowie für jedes unterhaltsberechtigte Kind. Zusätzlich werden Ihre Wohnkosten berücksichtigt, soweit sie angemessen sind. Auch besondere Belastungen wie Unterhaltszahlungen oder Kosten für eine notwendige Erwerbstätigkeit können abgezogen werden.
Wenn nach dieser Berechnung kein oder nur ein geringes Resteinkommen verbleibt, gilt die Bedürftigkeit als nachgewiesen. Empfänger staatlicher Transferleistungen wie Bürgergeld, Sozialhilfe, Grundsicherung im Alter oder bei Erwerbsminderung sowie Asylbewerberleistungen erfüllen die Voraussetzung der Bedürftigkeit ohne weitere Prüfung, da ihr Einkommen per Definition am Existenzminimum liegt.
Beispiel: Einkommensberechnung einer alleinerziehenden Mutter
Frau M. ist alleinerziehend mit zwei Kindern und verdient netto 1.800 Euro monatlich. Nach Abzug des Grundfreibetrags, der Kinderfreibeträge und der Warmmiete von 850 Euro verbleibt ihr ein negatives Resteinkommen. Obwohl sie deutlich mehr als das Existenzminimum verdient, wird ihr Beratungshilfe bewilligt, da sie nach der Freibetragsberechnung als bedürftig gilt. Sie erhält den Beratungshilfeschein für ihre arbeitsrechtliche Angelegenheit.
Vermögen und Schonvermögen
Neben dem Einkommen prüft das Amtsgericht auch Ihr vorhandenes Vermögen. Wer über größere Ersparnisse oder Sachwerte verfügt, soll diese zunächst für die Rechtsberatung einsetzen, bevor der Staat hilft. Allerdings müssen Sie nicht Ihr gesamtes Vermögen aufbrauchen – es gibt sogenanntes Schonvermögen, das unberücksichtigt bleibt.
Zum Schonvermögen gehören unter anderem ein angemessener Hausrat, ein angemessenes Kraftfahrzeug und kleinere Barbeträge oder Sparguthaben für unvorhergesehene Notfälle. Auch selbst genutztes Wohneigentum wird in der Regel nicht angerechnet, solange es sich um ein angemessenes Familienheim handelt. Lebensversicherungen und Altersvorsorge bleiben ebenfalls meist unberücksichtigt, wenn sie der Absicherung im Alter dienen.
Sonderfälle bei der Einkommensberechnung
In bestimmten Situationen gestaltet sich die Einkommensberechnung komplizierter. Bei Selbstständigen wird das durchschnittliche Einkommen der letzten zwölf Monate herangezogen, wobei Betriebsausgaben abgezogen werden. Bei schwankenden Einkommen – etwa bei Saisonarbeitern – erfolgt eine Durchschnittsberechnung. Studierende mit BAföG-Bezug gelten in der Regel als bedürftig.
Besondere Beachtung verdient die Situation von Ehepaaren und Lebenspartnern. Das Einkommen des Partners wird grundsätzlich mit einbezogen, da von einer gegenseitigen Unterhaltspflicht ausgegangen wird. Ausnahmen bestehen nur, wenn die Angelegenheit gerade diesen Partner betrifft – etwa bei Scheidungsangelegenheiten – oder wenn die Inanspruchnahme des Partners aus anderen Gründen unzumutbar wäre.
Wo und wie wird der Antrag gestellt?
Den Antrag auf Beratungshilfe stellen Sie bei der Rechtsantragstelle des für Sie zuständigen Amtsgerichts. Zuständig ist das Amtsgericht, in dessen Bezirk Sie Ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt haben. In größeren Städten gibt es oft ein zentrales Amtsgericht mit einer eigenen Rechtsantragstelle, in kleineren Orten kann das nächste Amtsgericht weiter entfernt sein.
Die Rechtsantragstelle ist eine Serviceeinrichtung des Amtsgerichts, die Bürgern bei der Formulierung rechtlicher Anträge hilft. Sie können dort ohne Voranmeldung erscheinen, allerdings sollten Sie mit Wartezeiten rechnen. Die Mitarbeiter nehmen Ihren Antrag entgegen, prüfen Ihre Unterlagen und können Ihnen bei Unklarheiten helfen. Der Service ist kostenlos und unabhängig von der Frage, ob Sie später tatsächlich Beratungshilfe erhalten.
Es gibt zwei Wege, Beratungshilfe zu erhalten: den klassischen Weg über das Amtsgericht mit vorheriger Antragstellung und den nachträglichen Antrag, wenn Sie bereits beim Anwalt waren. Der klassische Weg hat den Vorteil, dass Sie vor dem Anwaltsbesuch Gewissheit haben. Der nachträgliche Antrag birgt das Risiko, dass Sie im Falle einer Ablehnung die Anwaltskosten selbst tragen müssen.
Checkliste: Vorbereitung auf den Amtsgerichtsbesuch
- Personalausweis oder Reisepass mit aktueller Meldebestätigung mitnehmen
- Alle Einkommensnachweise der letzten drei Monate zusammenstellen
- Kontoauszüge der letzten drei Monate vorbereiten
- Mietvertrag und Nachweise über Nebenkosten kopieren
- Unterlagen zum konkreten Rechtsproblem zusammenstellen
- Bescheide über Sozialleistungen (falls vorhanden) mitnehmen
- Ausreichend Zeit einplanen – Wartezeiten sind möglich
Persönliche Antragstellung beim Amtsgericht
Bei der persönlichen Antragstellung erscheinen Sie während der Öffnungszeiten bei der Rechtsantragstelle. Die Öffnungszeiten variieren je nach Amtsgericht – informieren Sie sich vorab telefonisch oder auf der Website des Gerichts. Bringen Sie alle erforderlichen Unterlagen mit und schildern Sie Ihr Rechtsproblem. Der Rechtspfleger nimmt Ihre Angaben auf und prüft die Voraussetzungen.
Bei der persönlichen Vorsprache können Sie auch einen Antrag zu Protokoll der Geschäftsstelle erklären. Das bedeutet, der Rechtspfleger formuliert den Antrag gemeinsam mit Ihnen und Sie unterschreiben das Protokoll. Dieser Weg ist besonders hilfreich, wenn Sie sich unsicher beim Ausfüllen von Formularen fühlen oder Sprachbarrieren überwinden müssen. Die Mitarbeiter sind geschult, auch komplexere Sachverhalte verständlich aufzunehmen.
Schriftliche Antragstellung
Alternativ können Sie den Antrag auch schriftlich stellen. Das amtliche Antragsformular trägt die Bezeichnung „Antrag auf Bewilligung von Beratungshilfe" und ist auf den Websites der meisten Amtsgerichte als Download verfügbar. Sie füllen das Formular vollständig aus, fügen alle erforderlichen Nachweise bei und senden alles per Post an das zuständige Amtsgericht.
Die schriftliche Antragstellung hat den Vorteil, dass Sie sich Zeit nehmen können und nicht zu den Öffnungszeiten erscheinen müssen. Der Nachteil ist, dass Rückfragen nur schriftlich geklärt werden können, was den Prozess verzögert. Außerdem werden unvollständige Anträge häufig zurückgewiesen, was zu weiteren Verzögerungen führt. Wenn Sie unsicher sind, ob Ihre Angaben vollständig sind, ist die persönliche Vorsprache der sicherere Weg.
Benötigte Unterlagen für den Antrag
Ein vollständiger Antrag beschleunigt die Bearbeitung erheblich. Das Amtsgericht benötigt Nachweise zu Ihrer Person, Ihren wirtschaftlichen Verhältnissen und Ihrer konkreten Rechtsangelegenheit. Je besser Sie vorbereitet sind, desto schneller erhalten Sie Ihren Beratungshilfeschein. Unvollständige Anträge führen zu Rückfragen und Verzögerungen, im schlimmsten Fall zur Ablehnung.
Grundsätzlich müssen Sie Ihre Identität nachweisen und Ihre wirtschaftliche Situation offenlegen. Das Amtsgericht ist berechtigt, alle relevanten Angaben zu überprüfen. Falsche Angaben können nicht nur zur Ablehnung führen, sondern auch strafrechtliche Konsequenzen haben. Seien Sie daher vollständig und ehrlich bei Ihren Angaben – das Gericht hat Erfahrung mit der Prüfung solcher Anträge.
Zusätzlich zu den persönlichen und wirtschaftlichen Nachweisen benötigen Sie Unterlagen, die Ihr konkretes Rechtsproblem dokumentieren. Das können Schreiben der Gegenseite sein, Verträge, Bescheide, Mahnungen oder andere relevante Dokumente. Diese Unterlagen dienen dem Rechtspfleger zur Prüfung, ob eine nicht mutwillige Rechtsangelegenheit vorliegt.
Erforderliche Einkommensnachweise
Die Einkommensnachweise bilden das Kernstück Ihres Antrags. Arbeitnehmer legen die Lohn- oder Gehaltsabrechnungen der letzten drei Monate vor. Bei schwankendem Einkommen – etwa durch Überstunden oder Provisionen – können auch Nachweise über einen längeren Zeitraum verlangt werden. Der Arbeitsvertrag kann zusätzlich hilfreich sein, um die Beschäftigungssituation zu dokumentieren.
Empfänger von Sozialleistungen legen den aktuellen Bewilligungsbescheid vor. Dies kann ein Bürgergeld-Bescheid des Jobcenters sein, ein Sozialhilfebescheid, ein Wohngeldbescheid oder ein Bescheid über Grundsicherung. Auch BAföG-Bescheide, Elterngeldbescheide oder Rentenbescheide gehören zu den relevanten Unterlagen. Bei mehreren Einkommensquellen sind Nachweise für alle erforderlich.
Selbstständige haben es schwieriger, da kein Lohnzettel existiert. Sie müssen in der Regel den letzten Einkommensteuerbescheid vorlegen sowie eine aktuelle betriebswirtschaftliche Auswertung oder eine Einnahmen-Überschuss-Rechnung. Bei neu gegründeten Unternehmen ohne Steuerbescheid kann eine Gewinnprognose oder eine Aufstellung der tatsächlichen Einnahmen und Ausgaben verlangt werden.
Praxis-Tipp: Kontoauszüge richtig vorbereiten
Kontoauszüge müssen vollständig sein – also alle Seiten umfassen und den gesamten Monat abdecken. Markieren Sie regelmäßige Zahlungseingänge und wichtige Ausgaben wie Miete oder Unterhalt farbig. Schwärzen Sie keine Buchungen, da dies Misstrauen weckt. Das Gericht interessiert sich für Ihre finanzielle Gesamtsituation, nicht für einzelne private Ausgaben.
Nachweise zum Vermögen
Neben dem Einkommen müssen Sie auch Angaben zu Ihrem Vermögen machen. Hierzu gehören Kontoauszüge, die den aktuellen Kontostand zeigen, sowie Nachweise über Sparguthaben, Wertpapiere oder sonstige Geldanlagen. Auch Nachweise über Immobilienbesitz, Kraftfahrzeuge und wertvolle Gegenstände können verlangt werden.
Bei Immobilienbesitz ist ein aktueller Grundbuchauszug hilfreich, ergänzt um Angaben zum Verkehrswert und eventuellen Belastungen wie Hypotheken. Beim Kraftfahrzeug genügt in der Regel die Kopie des Fahrzeugscheins, aus dem sich Marke, Modell und Alter ergeben. Das Amtsgericht beurteilt dann, ob das Fahrzeug als angemessen und schonwürdig gilt oder ob ein Verkauf zumutbar wäre.
Unterlagen zur Rechtsangelegenheit
Damit der Rechtspfleger Ihr Anliegen beurteilen kann, benötigt er Einblick in die konkrete Rechtssache. Bringen Sie alle Schreiben mit, die Sie von der Gegenseite erhalten haben – Kündigungen, Mahnungen, Bescheide, Vertragsdokumente oder Korrespondenz. Auch Ihre eigenen Schreiben an die Gegenseite können relevant sein.
Bei behördlichen Angelegenheiten sind der angegriffene Bescheid und ein eventueller Widerspruchsbescheid zentral. Bei arbeitsrechtlichen Konflikten der Arbeitsvertrag und das Kündigungsschreiben. Bei Mietstreitigkeiten der Mietvertrag und die relevante Korrespondenz. Je vollständiger Ihre Dokumentation, desto besser kann der Rechtspfleger einschätzen, ob ein berechtigtes Anliegen vorliegt.
Ablauf und Bearbeitungszeit
Nach Einreichung Ihres Antrags beginnt das Prüfungsverfahren beim Amtsgericht. Der Rechtspfleger kontrolliert zunächst die Vollständigkeit Ihrer Unterlagen. Fehlen Nachweise oder sind Angaben unklar, erhalten Sie eine Aufforderung zur Ergänzung. Erst wenn alle erforderlichen Unterlagen vorliegen, beginnt die inhaltliche Prüfung Ihrer Bedürftigkeit und der Nicht-Mutwilligkeit Ihres Anliegens.
Die Bearbeitungszeit variiert je nach Auslastung des Amtsgerichts erheblich. Bei vollständigen Anträgen und eindeutiger Bedürftigkeit – etwa bei Bürgergeld-Empfängern – kann die Bewilligung innerhalb weniger Tage erfolgen. In komplexeren Fällen mit Rückfragen kann sich das Verfahren über mehrere Wochen hinziehen. Dringende Fälle mit drohenden Fristabläufen können Sie dem Gericht mitteilen.
Bei positiver Entscheidung erhalten Sie den Berechtigungsschein, mit dem Sie einen Rechtsanwalt Ihrer Wahl aufsuchen können. Bei negativer Entscheidung erhalten Sie einen begründeten Beschluss, gegen den Sie Rechtsmittel einlegen können. In beiden Fällen werden Sie schriftlich informiert. Eine telefonische Auskunft zum Bearbeitungsstand ist bei den meisten Gerichten möglich.
Beispiel: Zeitkritische Antragstellung bei drohender Frist
Herr K. erhält am Montag eine Kündigung seines Arbeitsverhältnisses. Für eine Kündigungsschutzklage gilt eine Drei-Wochen-Frist. Am Dienstag erscheint er beim Amtsgericht und schildert die Dringlichkeit. Der Rechtspfleger prüft die Unterlagen sofort und erteilt den Berechtigungsschein noch am selben Tag. Herr K. kann am Mittwoch beim Anwalt vorstellig werden und die Klage rechtzeitig einreichen lassen.
Der Direktgang zum Anwalt
Es gibt eine Alternative zum vorherigen Amtsgerichtsbesuch: Sie können auch direkt einen Rechtsanwalt aufsuchen und ihn bitten, die Beratungshilfe nachträglich zu beantragen. Der Anwalt prüft dann selbst, ob die Voraussetzungen voraussichtlich erfüllt sind, und beantragt die Beratungshilfe innerhalb von vier Wochen nach Beginn seiner Tätigkeit beim Amtsgericht.
Dieser Weg hat Vor- und Nachteile. Der Vorteil: Sie erhalten sofort rechtliche Hilfe, ohne erst zum Amtsgericht zu müssen. Das ist besonders bei zeitkritischen Angelegenheiten hilfreich. Der Nachteil: Wird die Beratungshilfe nachträglich abgelehnt, müssen Sie die Anwaltskosten selbst tragen. Nicht alle Anwälte sind bereit, dieses Risiko einzugehen, und verlangen bei unsicheren Fällen eine Kostenzusage.
Nach der Bewilligung: Die nächsten Schritte
Mit dem Berechtigungsschein in der Hand können Sie einen Rechtsanwalt Ihrer Wahl aufsuchen. Der Anwalt ist nicht verpflichtet, Beratungshilfemandate anzunehmen – fragen Sie also vorab telefonisch, ob die Kanzlei Beratungshilfe akzeptiert. Viele Anwälte nehmen solche Mandate an, da die Vergütung durch die Staatskasse gesichert ist.
Beim Anwaltstermin legen Sie den Berechtigungsschein vor und schildern Ihr Rechtsproblem. Der Anwalt berät Sie, gibt eine Einschätzung der Rechtslage und kann außergerichtlich für Sie tätig werden. Nach Abschluss der Beratung zahlen Sie den Eigenanteil direkt an den Anwalt. Der Anwalt rechnet seine Vergütung dann mit der Staatskasse ab.
Kosten und Eigenanteil
Obwohl die Beratungshilfe die Anwaltskosten weitgehend abdeckt, ist sie nicht vollständig kostenlos. Das Gesetz sieht einen Eigenanteil vor, den der Rechtssuchende selbst zu tragen hat. Dieser Eigenanteil beträgt pauschal 15 Euro und ist direkt an den beratenden Rechtsanwalt zu zahlen. Die Zahlung erfolgt in der Regel beim ersten Beratungstermin oder nach Abschluss der Beratung.
Der Eigenanteil soll eine gewisse Eigenbeteiligung sicherstellen und Missbrauch vorbeugen. Die Höhe ist bewusst niedrig angesetzt, um die finanzielle Hürde gering zu halten. In Ausnahmefällen – etwa bei besonders schwieriger wirtschaftlicher Lage – kann der Anwalt auf den Eigenanteil verzichten. Ein Rechtsanspruch auf Erlass besteht jedoch nicht.
Weitere Kosten entstehen Ihnen durch die Beratungshilfe grundsätzlich nicht. Der Anwalt rechnet seine Gebühren nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz direkt mit der Staatskasse ab. Die Gebühren für Beratungshilfe sind gesetzlich festgelegt und niedriger als die regulären Anwaltsgebühren. Dies erklärt, warum manche Anwälte Beratungshilfemandate ablehnen – der wirtschaftliche Anreiz ist begrenzt.
Was ist durch die Beratungshilfe abgedeckt?
Die Beratungshilfe deckt die anwaltliche Beratung und die außergerichtliche Vertretung ab. Konkret bedeutet das: Der Anwalt darf Sie rechtlich beraten, Ihre Rechtslage analysieren und Ihnen Handlungsempfehlungen geben. Er darf auch Schreiben an die Gegenseite verfassen, Telefonate führen, Verhandlungen führen und versuchen, eine außergerichtliche Einigung zu erzielen.
Nicht abgedeckt sind hingegen die Kosten für ein Gerichtsverfahren. Sobald Klage erhoben wird oder ein Gericht eingeschaltet werden muss, endet der Anwendungsbereich der Beratungshilfe. Für gerichtliche Verfahren müssten Sie dann Prozesskostenhilfe beantragen – ein separates Verfahren mit eigenen Voraussetzungen. Die Beratungshilfe und die Prozesskostenhilfe können jedoch aufeinander aufbauen.
Praxis-Tipp: Eigenanteil bei Ablehnung durch den Anwalt
Wenn ein Anwalt die Beratung ablehnt, nachdem er Ihren Berechtigungsschein gesehen hat, schulden Sie keinen Eigenanteil. Der Eigenanteil wird nur fällig, wenn tatsächlich eine Beratung stattfindet. Notieren Sie sich den Namen des Anwalts, der abgelehnt hat – bei häufigen Ablehnungen kann die Rechtsanwaltskammer informiert werden, da Anwälte Beratungshilfemandate nicht grundlos ablehnen sollten.
Kostenrisiko bei Ablehnung des Antrags
Wird Ihr Antrag auf Beratungshilfe abgelehnt, tragen Sie die Kosten selbst. Dies ist besonders relevant, wenn Sie den Direktgang zum Anwalt gewählt haben und die nachträgliche Bewilligung scheitert. Die regulären Beratungskosten eines Anwalts können je nach Umfang und Schwierigkeit erheblich sein. Hier zeigt sich der Vorteil des klassischen Weges über das Amtsgericht.
Für die Antragstellung beim Amtsgericht selbst entstehen keine Kosten. Das Verfahren ist gebührenfrei, unabhängig davon, ob der Antrag bewilligt oder abgelehnt wird. Auch die Beratung durch den Rechtspfleger bei der Rechtsantragstelle ist kostenlos. Erst wenn Sie einen Anwalt aufsuchen, ohne vorherige Bewilligung zu haben, gehen Sie ein finanzielles Risiko ein.
Häufige Ablehnungsgründe und Widerspruchsmöglichkeiten
Nicht jeder Antrag auf Beratungshilfe wird bewilligt. Das Amtsgericht prüft die Voraussetzungen sorgfältig und lehnt ab, wenn eine oder mehrere Bedingungen nicht erfüllt sind. Die häufigsten Ablehnungsgründe lassen sich in drei Kategorien einteilen: fehlende wirtschaftliche Bedürftigkeit, zumutbare andere Hilfemöglichkeiten und Mutwilligkeit der Rechtsverfolgung.
Die fehlende wirtschaftliche Bedürftigkeit ist der häufigste Ablehnungsgrund. Das Einkommen übersteigt nach der Freibetragsberechnung die zulässigen Grenzen, oder es besteht einsetzbares Vermögen. Manchmal scheitern Anträge auch an fehlenden Nachweisen – wer seine wirtschaftlichen Verhältnisse nicht ausreichend belegt, dessen Bedürftigkeit kann nicht festgestellt werden.
Der zweithäufigste Ablehnungsgrund sind zumutbare andere Hilfemöglichkeiten. Wer Mitglied in einem Mieterverein ist und ein mietrechtliches Problem hat, wird auf die dortige Rechtsberatung verwiesen. Gleiches gilt für Gewerkschaftsmitglieder bei arbeitsrechtlichen Problemen. Auch der Verweis auf Verbraucherzentralen, Schuldnerberatungen oder Sozialverbände kommt vor.
Checkliste: Häufige Gründe für Ablehnungen vermeiden
- Alle Einkommensnachweise vollständig und aktuell vorlegen
- Kontoauszüge lückenlos für den geforderten Zeitraum beifügen
- Mitgliedschaften in Vereinen und Verbänden nicht verschweigen
- Vermögensangaben vollständig und wahrheitsgemäß machen
- Konkrete Rechtsangelegenheit klar und nachvollziehbar schildern
- Relevante Unterlagen zum Rechtsproblem beifügen
- Bei Unklarheiten beim Amtsgericht nachfragen
Rechtsmittel gegen die Ablehnung: Erinnerung
Gegen die Ablehnung Ihres Antrags können Sie sich wehren. Das Rechtsmittel heißt Erinnerung und muss innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung der Ablehnung eingelegt werden. Die Frist beginnt mit dem Tag, an dem Sie den Beschluss erhalten haben – achten Sie also auf das Datum des Poststempels oder der Zustellung.
Die Erinnerung ist schriftlich beim Amtsgericht einzulegen, das den Antrag abgelehnt hat. Sie müssen begründen, warum die Ablehnung Ihrer Meinung nach fehlerhaft ist. Fügen Sie gegebenenfalls neue oder ergänzende Nachweise bei, wenn die Ablehnung auf fehlenden Unterlagen beruhte. Der Rechtspfleger prüft die Erinnerung zunächst selbst – gibt er ihr statt, ist die Sache erledigt.
Hilft der Rechtspfleger der Erinnerung nicht ab, legt er sie dem Richter vor. Der Richter entscheidet dann abschließend über Ihren Antrag. Gegen die richterliche Entscheidung ist kein weiteres Rechtsmittel möglich. Die Erinnerung ist kostenfrei und kann ohne anwaltliche Hilfe eingelegt werden – Sie formulieren einfach ein Schreiben, in dem Sie der Ablehnung widersprechen.
Erneute Antragstellung
Auch wenn Ihr Antrag rechtskräftig abgelehnt wurde, ist nicht alles verloren. Bei veränderten Umständen können Sie einen neuen Antrag stellen. Das ist etwa der Fall, wenn sich Ihre Einkommenssituation verschlechtert hat, wenn Sie Ihre Mitgliedschaft im Mieterverein oder der Gewerkschaft beendet haben oder wenn eine neue Rechtsangelegenheit entstanden ist.
Wichtig ist, dass tatsächlich neue Umstände vorliegen. Ein identischer Antrag zur selben Angelegenheit ohne Änderung der Sachlage wird erneut abgelehnt. Dokumentieren Sie die Veränderung sorgfältig und legen Sie entsprechende Nachweise vor. Bei einer neuen Rechtsangelegenheit – also einem anderen Rechtsproblem – können Sie jederzeit einen neuen Antrag stellen, unabhängig von früheren Ablehnungen.
Bedenken Sie bei allen Ablehnungen: Die Beratungshilfe ist eine Sozialleistung mit strengen Voraussetzungen. Das Amtsgericht ist nicht Ihr Gegner, sondern wendet das Gesetz an. Wenn Sie die Voraussetzungen objektiv nicht erfüllen, gibt es keinen rechtlichen Anspruch. In diesem Fall müssen Sie entweder andere kostenlose Beratungsangebote nutzen oder die Anwaltskosten selbst tragen – gegebenenfalls in Ratenzahlung.
